Rechtsstaat in zweierlei Hinsicht, Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen 1956, Seite 123

Rechtsstaat in zweierlei Hinsicht, Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 123 (R.-St. UfJ BRD 1956, S. 123); DOKUMENT 2 Es erscheint Herr Dr. Rudolf Reinartz, geb. am 10. Juli 1913, früher Abteilungsleiter im sowjetzonalen Justizministerium, jetzt als Flüchtling in Westberlin, und erklärt: Eine krasse Durchbrechung des auch in der sowjetzonalen Verfassung verankerten Grundsatzes von der Unabhängigkeit der Richter konnte ich erstmals im Jahre 1950 in den Waldheimverfahren feststellen, wo die Leiterin des dortigen Operativstabes, Frau Dr. Hildegard Heinze, klare Weisungen über das zu verhängende Strafmaß in den einzelnen Fällen an die erkennenden Richter gab. Jetzt ist das System der Weisungserteilung an Richter ausgebaut worden, insbesondere nach dem 17. Juni 1953. Es bildete sich unter Leitung von Frau Dr. Hilde Benjamin ein Operativstab. Frau Benjamin hatte die Anregung zur Bildung eines derartigen Stabes vermutlich während ihrer Studienreise 1952 in die Sowjetunion erhalten. Dem Operativstab gehörten nach meiner Kenntnis an Dr. Melsheimer, Ziegler, Staatsanwalt Wunsch, Helene Kleine, Fritz Böhme, Gerda Grube und Erna Naumann. Die besonders berüchtigten Grube und Naumann waren als Instrukteure eingesetzt. Die übrigen gehörten zum Operativstab im Hause. Die Bildung dieses Stabes war der Versuch, Fechner und die Hauptabteilung Rechtsprechung des Justizministeriums irgendwie auszuschalten. Jeden Sonnabend fand im Dienstzimmer der Frau Benjamin eine Dienstbesprechung man könnte auch sagen Befehlsausgabe statt. Diese Besprechungen wurden mitunter auch noch am Montag fortgesetzt. In der ganzen übrigen Zeit waren die Instrukteure in der Zone unterwegs. Frau Grube z. B. war mit Nachdruck in Halle tätig. Frau Naumann in Jena. Im Gebäude des Obersten Gerichts war ein ständiger Nachtdienst eingerichtet. Häufig an diesem Nachtdienst beteiligt waren Fritz Böhme und Helene Kleine. Die Instrukteure riefen nun nachts aus der Zone an und unterbreiteten dem Nachtdienst Fälle zur Entscheidung. Sah der Nachtdienst den Sachverhalt als klar und unkomplizert an, gab er seine Entscheidung über das zu fällende Strafmaß an den anrufenden Instrukteur bekannt, andernfalls stellte er die Entscheidung bis zum nächsten Morgen nach Vortrag bei Frau Benjamin zurück. Diese traf dann die Entscheidung, und der Instrukteur in der Zone erhielt entsprechenden fernmündlichen Bescheid. Diese Handhabung ist mir da- 123;
Rechtsstaat in zweierlei Hinsicht, Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 123 (R.-St. UfJ BRD 1956, S. 123) Rechtsstaat in zweierlei Hinsicht, Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 123 (R.-St. UfJ BRD 1956, S. 123)

Dokumentation: Rechtsstaat in zweierlei Hinsicht, Rechtstheorie und Rechtsausübung im demokratischen und totalitären Machtbereich - dargestellt am Beispiel des geteilten Deutschlands, Theo Friedenau, Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] (Hrsg.), Berlin 1956 (R.-St. UfJ BRD 1956, S. 1-210).

Auf der Grundlage von charakteristischen Persönlichkeitsmerkmalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr.sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat. der Ursachen und Bedingungen der Straftat. des durch die Straftat entstandenen Schadens. der Persönlichkeit des Seschuidigten Angeklagten, seine Beweggründe. die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung der Untersuchungahaftanstalt stören oder beeinträchtigen würden, Daraus folgt: Die Kategorie Beweismittel wird er Arbeit weiter gefaßt als in der Strafprozeßordnung.

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