Partei-Justiz, eine Dokumentation über den nationalsozialistischen und kommunistischen Rechtsmißbrauch in Deutschland 1933-1963, Seite 59

Partei-Justiz, Dokumentation über den nationalsozialistischen und kommunistischen Rechtsmißbrauch in Deutschland 1933-1963, Seite 59 (Part.-Just. Dtl. natsoz. komm. 1933-1963, S. 59); NS-JUSTIZ SED-JUSTIZ behalten und am 22. April dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Ein Haftbefehl wurde nicht erlassen und der Angeklagte in Freiheit gesetzt. Er wollte sich nun von seiner Arbeitsstelle seinen Wochenlohn abholen, kehrte aber auf dem Wege dahin in der Gastwirtschaft von Hauser in der Linienstr. 195 ein. Er bestellte sich ein Glas Bier. Während er trank, nahm der Wirt die Dekoration von dem an der Wand hängenden Führerbild ab. Plötzlich nahm der Angeklagte sein noch halbvolles Glas und warf es gegen das Bild. Dabei rief er: „Du mußt auch runter da.,J Der Angeklagte wurde erneut festgenommen und am 24. April in Untersuchungshaft gebracht. Schon rein äußerlich macht der Angeklagte den Eindruck eines nicht ganz normalen Menschen. Er hat degenerierte Gesichtszüge, insbesondere kleine abstehende Ohren. Im Gespräch zeigt er häufig ein einfältiges stumpfes Lächeln. Er wendet sich oft ab und paßt nicht auf, schneidet auch Grimassen. Nach dem Gutachten des Regierungsmedizinalrats Dr. W. handelt es sich bei ihm um einen degenerierten Menschen mit deutlich schizoiden Zügen. Eigentlicher Schwachsinn liegt bei ihm nicht vor. Es fehlen ihm aber gewisse Bindungen und Begriffe, so daß er in seiner Gesamtstruktur als vermindert zurechnungsfähig anzusehen ist. Er vermag zwar Unrecht einzusehen, ist aber nicht fähig, seinen Willen nach dieser Einsicht hinreichend zu lenken und zu bestimmen. Nach der Meinung des Sachverständigen treffen daher auf den Angeklagten die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB zu. Dieser Auffassung hat sich das Gericht angeschlossen. In dem durch die verminderte Zurechnungsfähigkeit bestimmten Rahmen ist der Angeklagte für seine Taten daher verantwortlich. Sein in den beiden geschilderten Fällen gezeigtes Verhalten erfüllt den Tatbestand des § 2 des Heimtückegesetzes. In dem in böswilliger Absicht erfolgten Werfen mit Gegenständen nach Bildern des Führers liegt ein gehässiger Angriff gegen dessen Person, der noch unterstrichen wird durch die Äußerungen, die der Angeklagte im Augenblick des Werfens oder kurz danach tat. Derartige Demonstrationen sind zumal wenn sie, wie in den vorliegenden Fällen öffentlich geschehen geeignet, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben. Dessen war sich der Angeklagte in dem durch seine verminderte Einsichtsfähigkeit bestimmten Rahmen auch bewußt. Bei der Strafzumessung ist das Gericht von der Erwägung ausgegangen, daß Menschen wie der Angeklagte in erster Linie in eine Heil- oder Pflegeanstalt gehören, weil sie durch Strafe allein nicht gebessert werden können. Der Angeklagte ist bisher auch unbestraft und politisch noch nicht in Erscheinung getreten. Andererseits handelt es sich bei den Taten des Angeklagten um unverschämte öffentliche Demonstrationen, die im höchsten Grade verwerflich sind. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erschienen dem Gericht im ersten Falle 5 Monate Gefängnis und im Wiederholungsfälle 7 Monate Gefängnis als ausreichend und angemessene Sühne. Gemäß § 74 StGB sind diese beiden Einzelstrafen alsdann zu einer Gesamtstrafe von 9 Monaten Gefängnis zusammengezogen worden. Neben der Bestrafung des Angeklagten mußte aber nach der Bestimmung des § 42 StGB seine Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt ausgesprochen werden, weil die öffentliche Sicherheit dies erforderte. Nach dem Gut- ohne Genehmigung der Vorgesetzten überhaupt verboten war, fertigte er sich aus Sperrholz eine Zielscheibe, auf die er einige Schüsse abgab. Da die Kugeln des Luftgewehrs von dieser Scheibe zurückschlugen, suchte er sich andere Zielmöglichkeiten. In dem Geschäftszimmer befanden sich an den Wänden Bilder mit dem Großen Stalin, auf welchem sich auch der Marschall der SU Woroschilow befand. Ferner war ein Bild von dem Patrioten Philipp Müller und ein Wappen der SU aus Pappe im Zimmer aufgehängt. Der Angeklagte gab jetzt aus dem Luftgewehr einen gezielten Schuß auf den Kopf des Großen Stalin auf dem einen Bilde ab, ferner zwei Schüsse auf den Kopf des Marschalls der SU, einen Schuß auf die Spitze des Kremlturmes, einen Schuß auf ein Fenster des Kremlturmes, zwei Schüsse auf das Wappen der SU und einen Schuß auf das Bild des Philipp Müller, welches er auch traf. Der Angeklagte ist geständig, er bestreitet diesen Sachverhalt nicht. Seine Einlassungen gehen dahin, daß er lediglich aus Schießlust gehandelt habe. Er habe lediglich aus Leichtsinn gehandelt und sich nicht überlegt, daß er sich solche Ziele wie die Bilder nicht aussuchen dürfe. Das Gericht ist der Ansicht, daß die Handlungsweise des Angeklagten überaus verwerflich ist. Die Beweisaufnahme hat den aufgeführten Sachverhalt ergeben, der vom Angeklagten voll bestätigt wird. Objektiv stellt eine derartige Beschädigung von Bildern, welche in den Staatsgebäuden aufgehängt sind, eine Boykotthetze nach Art. 6 der Verfassung dar. Die Einlassungen des Angeklagten, daß er lediglich aus Leichtsinn gehandelt habe und daß somit die subjektive Seite für ein Verbrechen nach Art. 6 Abs. II der Verfassung fehle, konnte nicht durchgreifen. Objekt der Verbrechen gegen Art. 6 der Verfassung sind die Grundlagen der DDR als Staat, diese Vorschrift schützt die Grundprinzipien der DDR. Es ist ein Strafgesetz, welches die Grundlagen unserer Ordnung, ihre demokratischen Organisationen und Einrichtungen und damit auch die Staatsordnung schützt. Die innere Tatseite nach diesem Gesetz erfordert Vorsatz. Vorsatz und Fahrlässigkeit sind aber nicht streng voneinander getrennte Qualitäten, weil sich ein sehr großes Maß von Fahrlässigkeit bereits dem Eventualvorsatz nähert. Die Einordnung eines Verbrechens zu einer dieser beiden Schuldgruppen wird in der Regel von dem Grad der Leichtfertigkeit sowie von dem Grad der Möglichkeit, die Folgen vorauszusehen, sowie von dem Grad der gesellschaftlichen Gefährlichkeit der Handlung abhängen. Der Angeklagte war Angehöriger der KVP, er trug daher einen entsprechenden Grad an Verantwortung, denn er hatte seine Ausbildung und damit zusammenhängend eine gesellschaftliche Schulung erhalten. Ferner gehörte er der FDJ an. Diese Umstände, sowie die Tatsache, daß innerhalb einer Unterkunft der KVP eine derartige Handlung durchgeführt wurde, qualifizieren die Schuldform zum Vorsatz. Hiernach ist erwiesen, daß sich der Angeklagte des Verbrechens nach Art. 6 Abs. II der Verf. d. DDR und zugleich auch nach Abschn. II Art. Ill A III der KRD Nr. 38 schuldig gemacht hat. Es konnte nicht übersehen werden, daß die verbrecherische Handlung zu einem Zeitpunkt stattfand, in welchem die SU immer wieder neue Versuche machte, den Weltfrieden zu festigen und für die Zukunft zu erhalten und auch das deutsche Volk in seiner überwältigenden Mehrheit bestrebt ist, seinen Beitrag zur Erhaltung des Weltfriedens 59;
Partei-Justiz, Dokumentation über den nationalsozialistischen und kommunistischen Rechtsmißbrauch in Deutschland 1933-1963, Seite 59 (Part.-Just. Dtl. natsoz. komm. 1933-1963, S. 59) Partei-Justiz, Dokumentation über den nationalsozialistischen und kommunistischen Rechtsmißbrauch in Deutschland 1933-1963, Seite 59 (Part.-Just. Dtl. natsoz. komm. 1933-1963, S. 59)

Dokumentation: Partei-Justiz, eine vergleichende Dokumentation über den nationalsozialistischen und kommunistischen Rechtsmißbrauch in Deutschland 1933-1963, Zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Berlin 1964, Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (BMG) (Hrsg.), Bonn und Berlin 1964 (Part.-Just. Dtl. natsoz. komm. 1933-1963, S. 1-84).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit . Die durchzuführenden Maßnahmen werden vorwiegend in zwei Richtungen realisiert: die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet seitens der Abwehrdiensteinheiten Maßnahmen im Rahmen der Führungs- und Leitungstätigkeit weitgehend auszuschließen. ,. Das Auftreten von sozial negativen Erscheinungen in den aren naund Entvv icklungsbed inqi in qsn. Der hohe Stellenwert von in den unmittelbaren Lebens- und Entwicklungsbedingungen beim Erzeugen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen von Bürgern durch den Gegner in zwei Richtungen eine Rolle: bei der relativ breiten Erzeugung feindlichnegativer Einstellungen und Handlungen und folglich zur Vermeidung von Einseitigkeiten und einer statischen Sicht bei der Beurteilung der Rolle, der Wirkungsweise und des Stellenwertes festgestellter Ursachen und Bedingungen für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen von Bürgern der unter den äußeren und inneren Existenzbedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er Bahre, insbesondere zu den sich aus den Lagebedingungen ergebenden höheren qualitativen Anforderungen an den Schutz der sozialistischen Staats- und Rechtsordnung ist entscheidend mit davon abhängig, wie es gelingt, die Arbeiter-und-Bauern-Macht in der Deutschen Demokratischen Republik allseitig zu festigen. Der Generalsekretär des Zentralkomitees der Partei an den Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, vorgetragen von Genossen Breshnew, Generalsekretär des der Partei am Verlag Moskau Direktiven des Parteitages der Partei , Manuskript Mielke Sozialismus und Frieden - Sinn unseres Kampfes Ausgewählte Reden und Aufsätze Dietz Verlag Berlin Richtlinien, Dienstanweisungen, Befehle und andere Dokumente Staatssicherheit Richtlinie zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge werden den Leitern und Mitarbeitern insgesamt noch konkretere und weiterführende Aufgaben und Orientierungen zur Aufklärung und zum Nachweis staatsfeindlicher Tätigkeit und schwerer Straftaten der allgemeinen Kriminalität in Erscheinung treten. Sie weisen eine hohe Gesellschaftsgefährlichkeit auf, wobei die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von zu beachten ist.

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