Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 462

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 462 (NJ DDR 1989, S. 462); 462 Neue Justiz 11/89 eine Zustimmung durch den Staatsanwalt und/oder das Gericht erforderlich, ehe dem Antrag auf Verzicht stattgegeben wird. Eine damit verbundene Frage ist, ob der Beschuldigte gezwungen werden kann, sich einem Geschworenenprozeß zu unterwerfen. Im Jahre 1930 entschied das Oberste Gericht der USA, daß es kein absolutes Bundesrecht auf Verhandlung mit einem Einzelrichter gebe.24 Später, im Jahre 1965, vertrat das Gericht die Meinung, daß der Verzicht auf ein verfassungsmäßiges Recht für sich betrachtet kein Recht von verfassungsmäßiger Dimension ist.25 26 Genauer gesagt: das Recht eines Beschuldigten im Strafverfahren auf einen Geschworenenprozeß schließt nicht ein entsprechendes Recht auf Verhandlung vor dem Einzelrichter ein. Ausschluß des Geschworenenprozesses nach der Art der Straftat und der Art der Verhandlung Ungeachtet der umfassenden Formulierung des 6. Zusatzartikels, der dem Beschuldigten das Recht auf einen Geschworenenprozeß „bei allen Strafverfolgungen“ garantiert, hat das Oberste Gericht der USA die Meinung vertreten, daß dieses Recht in Wirklichkeit nicht absolut sei. Es weigerte sich, die Alltagsbedeutung des Wortes „alle“ zur Grundlage der Interpretation zu machen, und entschied schon im Jahre 1888, daß, historisch gesehen, „geringfügige Straftaten“ von dieser Regelung ausgeschlossen seien.25'Im Jahre 1970 hat das Oberste Gericht das Wort „geringfügig“ so interpretiert, daß es sich auf Straftaten bezieht, für die die mögliche Mindeststrafe weniger als 6 Monate Haft beträgt.27 Bemerkenswert ist hier die Feststellung des Obersten Gerichts, daß die Nachteile einer kurzen Strafe mit Freiheitsentzug unter Umständen durch die Vorteile ausgeglichen werden, die sich aus der schnellen und kostensparenden Rechtsprechung ohne Geschworene ergeben. Damit legte das Gericht also mehr Gewicht auf Schnelligkeit als auf Gerechtigkeit. Schon seit der Kolonialzeit schlossen bestimmte Arten von Verfahren die Mitwirkung von Geschworenen aus. Beispielsweise ' verhandelten Gerichte, die das Billigkeitsrecht (equity law) anwandten, in Strafverfahren ohne Geschworene. Nicht alle Gerichte der unteren Ebene bieten die Möglichkeit einer Verhandlung vor Geschworenen; zur Zeit gibt es in einigen Einzelstaaten auf der unteren Ebene der Strafgerichte keine Geschworenen. Andere Verhandlungen, in denen das Recht auf den Geschworenenprozeß eingeschränkt wurde, betreffen Verfahren wegen Mißachtung des Gerichts, Ausweisungsverfahren gegen Personen ohne US-amerikanische Staatsangehörigkeit, Auslieferungsverfahren, Anträge auf Haftprüfung und Verfahren vor Militärgerichten.28 Die Anzahl der Mitglieder der Petit Jury und die Einstimmigkeit ihres Spruchs .Die Tendenz, die Anzahl der Geschworenen auf weniger als die traditionellen 12 zu reduzieren, kann als eine weitere Einschränkung der Wirksamkeit der Petit Jury angesehen werden. Diejenigen, die gegen diese Abweichung von der traditionellen Norm protestieren, haben es jedoch schwer, eine juristische Rechtfertigung für ihre Position zu finden. Eine Reihe von Entscheidungen des Obersten Gerichts der USA hat die Tätigkeit kleinerer Juries sanktioniert. Im Jahre 1970 beriet das Oberste Gericht über die Beziehungen zwischen Größe und Funktion der Jury und vertrat die Meinung, das Recht des 6. Zusatzartikels fordere, daß das Gremium der Geschworenen groß genug sein müsse, um eine kollektive Beratung zu gewährleisten, um die Geschworenen gegenüber Einschüchterungen von außen abzuschirmen und um repräsentativ für die zur Mitentscheidung aufgerufene Bevölkerungsgruppe zu sein.29 Unter Anwendung dieser Kriterien billigte das Gericht eine sechsköpfige Jury. Das Prinzip wurde 1973 auf Zivilverfahren übertragen.30 31 Anhänger des Geschworenenverfahrens, die auf diese Weise eine allmähliche Auflösung der Petit Jury befürchteten, können sich mit einer anderen Entscheidung des Obersten Gerichts aus dem Jahre 1978 trösten.34 Richter Harry Blackmun, der sich im Namen des Gerichts äußerte, stellte fest, die Reduzierung der Anzahl der Geschworenen auf fünf bringe keinen bedeutenden Vorteil für den Staat, und erklärte, ein solches Geschworenengremium beraube den Beschuldigten seiner durch die Zusatzartikel 6 und 14 garantierten Rechte auf einen Geschworenenprozeß. Diese Entscheidungen des Obersten Gerichts schlossen natürlich die weitere Inanspruchnahme größerer Geschworenengremien nicht aus; nach Bundesrecht und nach dem Recht vieler Einzelstaaten muß bei schweren Straftaten' eine 12köpfige Jury entscheiden. Zugleich mit der Herabsetzung der Anzahl der Geschworenen kam es zu einer Untergrabung des historischen Prinzips der Einstimmigkeit der Entscheidung zur Schuldfrage (verdict)'. In Strafverfahren belehren die Richter die Geschworenen darüber, daß sie den Beschuldigten freisprechen müssen, wenn irgendein begründeter Zweifel (any reasonable doubt) an seiner Schuld besteht. Ein im Staat Louisiana entschiedener Fall mit einem Schuldspruch von 9 gegen 3 Stimmen stellte das Oberste Gericht vor die Frage, ob die Tatsache, daß drei Geschworene für Freispruch plädiert hatten, das Vorhandensein eines begründeten Zweifels darstelle. Das Oberste Gericht begründete in seinem Urteil aus dem Jahre 1972, daß die 9 Geschworenen über jeden Zweifel hinaus (beyond a reasonable doubt) überzeugt gewesen wären und daß deshalb die im 14. Zusatzartikel der Verfassung enthaltene Bestimmung über das ordentliche Gerichtsverfahren (due process clause) nicht verletzt worden sei.32 Später, im Jahre 1979, wandte sich das Oberste Gericht gegen die völlige Aushöhlung des Prinzips der Einstimmigkeit des Schuldspruchs der Geschworenen; es entschied, daß bei einer Jury mit sechs Geschworenen der Schuldspruch einstimmig sein müsse.33 Außerdem bedarf es an Bundesgerichten bei Strafsachen immer noch der Einstimmigkeit. Solche Entscheidungen verbieten die Mitwirkung Geschworener an unteren Gerichten oder Jn Verfahren wegen geringfügiger Vergehen natürlich nicht; sie beweisen allerdings eine Bereitschaft des Obersten Gerichts, die Institution der Petit Jury in ihren Möglichkeiten zu beschneiden. Die Auswahl der Geschworenen Immer häufiger wird Kritik an der Auswahl von Geschworenen geübt. Dabei geht es um zwei'Aspekte: um den Grad, in dem ein Geschworenengremium für die Bevölkerungsgruppe, die es vertritt, repräsentativ ist, und um die Fähigkeit der einzelnen Geschworenen, die Sachbeweise und das für den Fall erhebliche Recht richtig einzuschätzen. Die allgemeine Auffassung geht dahin, daß ein auf dem Zufall beruhender Auswahlprozeß ein Geschworenengremium hervorbringt, das die Hauptkennzeichen der entsprechenden Bevölkerungsgruppe (Geschlecht, Alter, Bildung, Beruf) genau widerspiegelt. Unglücklicherweise sind mit der ersten Stufe dieses Prozesses, dem Aufstellen einer Liste mit Personen, die als Geschworene in Frage kommen, unvermeidlich Vorurteile verbunden. Aus praktischen Gründen muß sich der für die Auswahl von Geschworenen zuständige Beamte des Gerichts auf kommunale Unterlagen stützen, aber jede mögliche Quelle ist in irgendeiner Hinsicht nicht repräsentativ. Die häufigste Methode besteht darin, sich auf Listen der registrierten Wähler zu stützen, 24 Vgl. die Entscheidung in der Sache Patton gegen Vereinigte Staaten, 281 U.S. 276. 25 Vgl. die Entscheidung in der Sache Singer gegen Vereinigte - Staaten, 380 U.S. 24. 26 Vgl. die Entscheidung in der Sache Callan gegen Wilson, 127 U.S. 540. 27 Vgl. die Entscheidung in der Sache Baldwin gegen New York, 399 U.S. 66. 28 Vgl. C. H. Pritchett, The American Constitution, New York 1959, S. 517. 29 Vgl. die Entscheidung in der Sache Williams gegen Florida, 399 U. S. 78. 30 Vgl. die Entscheidung in der Sache Colgrove gegen Battin, 413 U.S. 149. 31 Vgl. die Entscheidung in der Sache Bailew gegen Georgia, 435 U.S. 223. 32 Vgl. die Entscheidung in der Sache Johnson gegen Louisiana, 406 U.S. 356. 33 Vgl. die Entscheidung in der Sache Burch gegen Louisiana, 441 U.S. 130.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 462 (NJ DDR 1989, S. 462) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 462 (NJ DDR 1989, S. 462)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens, denn gemäß verpflichten auch verspätet eingelegte Beschwerden die dafür zuständigen staatlichen Organe zu ihrer Bearbeitung und zur Haftprüfung. Diese von hoher Verantwortung getragenen Grundsätze der Anordnung der Untersuchungshaft verbunden sind. Ausgehend von der Aufgabenstellung des Strafverfahrens und der Rolle der Untersuchungshaft wird in der Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft bestimmt, daß der Vollzug der Untersuchungshaft zu erfüllen hat: Die sichere Verwahrung der Verhafteten. In den Grundsätzen der Untersuchungshaftvollzugsordnung wird betont, daß der Vollzug der Untersuchungshaft den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Mitarbeiter gestellt, da sie ständig in persönlichen Kontakt mit den Inhaftierten stehen. stehen einem raffinierten und brutalen Klassenfeind unrnittelbar gegenüber.

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