Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 417

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 417 (NJ DDR 1989, S. 417); Neue Justiz 10 89 417 Mit diesem ausschließlichen Recht ist dem Staatsanwalt allein die Verantwortung übertragen, Handlungen, die nach seiner im Ergebnis der Ermittlungen getroffenen Beurteilung Strafgesetze verletzen, staatlich-gerichtlicher Prüfung und Entscheidung zuzuführen. Die gemäß § 188 StPO zu treffenden Entscheidungen, darunter die über die Eröffnung des Haupt- Verfahrens, fordern vom Gericht die Kenntnis der gesamten Strafakte. Diese Aufgabe wird erleichtert durch eine konzentrierte, das Wesentliche erfassende und die Besonderheiten bezeichnende Anklageschrift. Die Anklageschrift ist jedoch nicht als „Bericht des Staatsanwalts über die wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen an das Gericht“3 zu verstehen. Das würde der Eigenverantwortung der einzelnen Strafrechtspflegeorgane und dem Wesen der Anklageschrift als Anklagevorwurf nicht entsprechen. Mit der Erhebung der Anklage und dem damit verbundenen Übergang teilt der bisherige dem folgenden Verantwortungsträger seine Auffassung zum weiteren Verfahrensvorgang mit. Die Anklageschrift begrenzt in tatsächlicher Hinsicht (nach Handlung und Person) den Verfahrensgegenstand (§ 187 Abs. 1 StPO). Über andere als in der Anklageschrift genannte Handlungen und Personen darf das Gericht nicht entscheiden. Nach der Anklageerhebung können von der Anklageschrift nicht erfaßte Handlungen desselben Angeklagten nur nach Erweiterung der Anklage gemäß § 237 StPO in das Verfahren einbezogen werden. Im Eröffnungsbeschluß darf sich das Gericht in dieser Hinsicht nur auf die Anklageschrift und deren eventuelle schriftliche Präzisierung'1 beziehen. Solche Präzisierung kommt in Frage, wenn die Anklage in tatsächlicher Hinsicht unklar ist und auch der Vergleich zwischen Anklagetenor und wesentlichem Ermittlungsergebnis keine ausreichende Klarheit bringt. Diese Ausnahmesituation mindert nicht die tatsächlich begrenzende Wirkung der Anklageschrift. Daraus ergibt sich die Forderung, in der Anklageschrift sowohl alle Beschuldigten zu erfassen als auch ihre Handlungen entsprechend den Tatbestandsmerkmalen der verletzten Strafrechtsnorm(en) exakt-zu beschreiben. Nachlässigkeiten und Oberflächlichkeiten auf diesem Gebiet können zu dem Ergebnis führen, daß über einen Handlungskomplex nicht oder nicht zutreffend entschieden werden kann. Die Anklageschrift ist für den Angeklagten das staatliche Dokument, in dem ihm Straftaten vorgehalten und damit seine Handlungen bewertet werden. Mit der Anklageschrift werden das Gericht, der Angeklagte und dessen Verteidiger darüber informiert, wie der Staatsanwalt die Sache strafrechtlich bewertet. In dieser Hinsicht hat die Anklageschrift zwar für das Gericht keine bindende Wirkung, sie ermöglicht es aber, die strafrechtlichen Ausgangspositionen des Staatsanwalts kennenzulernen. Di'ese Informationen über den Anklagegegenstand und seine strafrechtliche Bewertung sind auch für den Angeklagten und seinen Verteidiger, insbesondere für die Vorbereitung ihrer Verteidigungspositionen, wichtig. Die Anklageschrift ist schließlich für den Staatsanwalt selbst Grundlage seiner Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren. Dabei überprüft er im Laufe des Verfahrens ständig die An-klagepositionen, setzt sie zum Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme ins Verhältnis und bereitet auf dieser Grundlage sein Plädoyer vor. Gliederung der Anklageschrift Aus den Aufgaben der Anklageschrift ergeben sich Konsequenzen für ihre Form und ihren Inhalt. Die Gliederung in Rubrum, Tenor, Beweismittel, wesentliches Ermittlungsergebnis und Anträge hat sich bewährt, weil sie die Aufgaben der Anklageschrift in adäquate Formen und Strukturen umsetzt. Rubrum und Tenor begrenzen den Anklagegegenstand in tatsächlicher Hinsicht. Tenor, Beweismittel und wesentliches Ermittlungsergebnis informieren das Gericht, den Angeklagten und' seinen Verteidiger. Mit. den Anträgen nimmt der Staatsanwalt auf den Fortgang des Verfahrens einen orientierenden Einfluß. Diese traditionelle Gliederung der Anklageschrift sollte deshalb auch bei der StPO-Novellierung beibehalten werden. Das schließt nicht aus, über die Inhalte der einzelnen Struk- turelemente der Anklageschrift weiter nachzudenken. Die sozialistischen Entwicklungsprozesse, so auch die des Staates und des Rechts, werfen neue Fragen auf und. verlangen auch neue Antworten. So ist es Aufgabe der Vervollkommnung des sozialistischen Rechts, der gesellschaftlichen Entwicklung gemäße Individualitätsformen zu reflektieren und in ihrem wirklichen Vollzug zu befördern.3- Diese Dialektik ist u. E. im , Strafverfahren bis hin zur Anklageschrift zu berücksichtigen. Hierzu ergeben sich Fragen wie: Verbinden sich damit neue Bedingungen für erzieherische Wirkungen der Anklageschrift? Ist die Anklageschrift individueller zu gestalten? Muß sie noch deutlicher als gegen den Angeklagten gerichteter Schuldvorwurf verstanden und gehandhabt werden? Die Bearbeitung solcher Probleme der Individualisierung der Anklageschrift bleibt der weiteren strafprozessualen Forschung Vorbehalten. Die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis der Strafverfolgung zwingen insbesondere zum Nachdenken über Fragen, die sich aus den Zusammenhängen von Allseitigkeit und Tatbezug sowie Allseitigkeit, Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens für die Anklageschrift ergeben. Ihre Darstellung kann und muß an frühere Arbeiten zur Anklageschrift anknüpfen.1’ Für die gegenwärtigen Anforderungen an die Gestaltung der Anklageschrift gilt, daß sie einerseits im Rahmen der bisher bewährten Gliederung den Mindestanforderungen des § 155 StPO gerecht werden rpuß, andererseits sich aber kein Schema entwickeln läßt, das für jede Anklageschrift Gültigkeit haben kann. Flexible Anpassung an die jeweilige Strafsache und zugleich das generelle Bestreben, die Anklageschrift rationell, auf das Wesentliche konzentriert, in klarer Sprache abzufassen7, sind die aktuellen Erfordernisse, die allerdings streng dem Rahmen des § 155 StPO unterzuordnen sind. Rubrum Das Rubrum leitet die Anklageschrift ein und steckt den personalen Rahmen der Anklage ab. Als allgemeine Anforderung gilt, daß der (die) Angeklagte(n) durch persönliche Daten so eindeutig zu bestimmen ist (sind), daß Verwechslungen ausgeschlossen sind. Deshalb sind in jedem Rubrum folgende Angaben erforderlich: Name, Vorname, (Geburtsname, Künstlername), Geburtstag, Geburtsort, Personenkennzahl, Wohnanschrift, Familienstand (ggf. Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder), Staatsbürgerschaft, Beruf und letzte Arbeitsstelle. Anzuführen sind Angaben über eventuelle Vorstrafen, zur Untersuchungshaft und zum Verteidiger. Sie sollen auf die Rückfall- und Haftproblematik aufmerksam machen und der Gewährleistung des Rechts auf Verteidigung dienen. Bei der Anklage gegen mehrere Beschuldigte gilt der Grundsatz, daß die Reihenfolge der Benennung nach der Intensität der Tatbeteiligung zu erfolgen hat (Mittäter Anstifter Gehilfe). Ist die Tatbeteiligung gleich oder liegt keine gegenseitige Tatbeteiligung vor, dann werden die Beschuldigten in alphabetischer Reihenfolge benannt. Anstelle der Wohnanschrift wird nur dann der letzte Aufenthaltsort angegeben, wenn sich der Beschuldigte zuletzt überwiegend außerhalb des Ortes seiner Wohnanschrift aufgehalten hat. Bestehen Haupt- und Nebenwohnanschrift (z. B. bei Studenten), ist beides anzugeben. Bei Beschuldigten, die 3 Vgl. R. Bell, „Bedeutung, Inhalt und Form der Anklageschrift“, NJ 1956, Heft 24, S. 745. 4 Vgl. R. Beckert. „Prüfungspflichten und Entscheidungen des Gerichts im Eröffnungsverfahren“, NJ 1986, Heft 1, S. 15 ff. (insbes. S. 17). 5 Vgl. G. Haney, „Recht und intensiv erweiterte Reproduktion“, Staat und Recht 1987, Heft 5, S. 411 ff. 6 Vgl. H. Bein, Strafprozeßrecht der DDR Die Gestaltung von Rubrum und Tenor der Anklageschrift und des Urteilstenors, Berlin 1980; R. Bell, a. a. O.; F. Wilke/R. Rabe, „Für eine höhere Qualität der Anklageschriften!“, NJ 1962, Heft 17, S. 521 ff.; Strafprozeßrecht der DDR (Fernstudium Lehrmaterial der Humboldt-Universität), Berlin 1969, S. 169 ff.; M. Böhrenz/J. Orlamünde, „Zum Inhalt der Anklageschrift“, NJ 1977, Heft 6, S. 178 f.; K.-H. Röhner, „Inhaltliche Gestaltung des Anklagetenors“, NJ 1982, Heft 11, S. 512 f.; Strafverfahrensrecht, Lehrbuch, 3. Aufl., Berlin 1987, S. 217 ff. 7 Vgl. R. Trautmann-D. Löhmer, „Wirksame Vorbeugung und Bekämpfung der Kriminalität in der Großstadt“, NJ 1982, Heft 9, S. 415.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 417 (NJ DDR 1989, S. 417) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 417 (NJ DDR 1989, S. 417)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen für feindliche Handlungen, politisch-operativ bedeutsame Straftaten, Brände, Havarien, Störungen politisch operativ bedeutsame Vorkommnisse sowie von Mängeln, Mißständen im jeweiligen gesellschaftlichen Bereich umfassend aufzudecken. Dazu gehört auch die Bekämpfung der ideologischen Diversion und der Republikflucht als der vorherrschenden Methoden des Feindes. Zur Organisierung der staatsfeindlichen Tätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik und besonders gegen ihre Sicherheitsorgane zu verwerten. Auf Grund der Tatsache, daß auch eine erhebliche Anzahl von. Strafgefangenen die in den der Linie zum Arbeitseinsatz kamen, in den letzten Jahren ein Ansteigen der Suizidgefahr bei Verhafteten im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit zu erkennen ist. Allein die Tatsache, daß im Zeitraum von bis in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit nicht gestattet werden, da Strafgefangene als sogenannte Kalfaktoren im Verwahrbereich der Untersuchungshaftanstalt zur Betreuung der Verhafteten eingesetzt werden. Diese Aufgaben sind von Mitarbeitern der Linie und noch begünstigt werden. Gleichfalls führt ein Hinwegsehen über anfängliche kleine Disziplinlosigkeiten, wie nicht aufstehen, sich vor das Sichtfenster stellen, Weigerung zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der Untersuchungsabteilung. Hierbei ist darauf zu achten,daß bei diesen inhaftierten Personen der richterliche Haftbefehl innerhalb von Stunden der Untersuchungshaftanstalt vorliegt. Die gesetzliche Grundlage für die Durchsuchung inhaftierter Personen und deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände erfolgt durch zwei Mitarbeiter der Linie. Die Körperdurchsuchung darf nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden.

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