Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 386

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 386 (NJ DDR 1989, S. 386); 386 Neue Justiz 9/89 aggressiven Verhaltens des Geschädigten gegenüber seiner Freundin, des Wortwechsels zwischen ihm und dem Verklagten und der Umstände, unter denen er sich dem Verklagten näherte, konnte dieser bei Vorliegen einer derartigen Situation davon ausgehen, daß der Geschädigte auf ihn einschlagen will. Die Gerichte haben sich jedoch mit dieser Situation nicht ausreichend auseinandergesetzt. Sie sind davon ausgegangen, daß der Verklagte den Geschädigten nach dem Wortwechsel bereits körperlich belästigt hat. Sie haben diese Feststellung auf die im Ermittlungsverfahren getroffene Aussage der Zeugin G. (der späteren Ehefrau des Geschädigten) gestützt. Die Zeugin hat erklärt, daß der Verklagte den Geschädigten F. nach dem Wortwechsel mehrfach mit dem Finger ins Gesicht getippt habe. Dies sei Ausgangspunkt für die weitere Auseinandersetzung gewesen, die durch einen Schlag des Verklagten eingeleitet worden sei. Indem das Kreisgericht sich hinsichtlich des Hergangs der tätlichen Auseinandersetzung allein auf die Aussage dieser Zeugin im Ermittlungsverfahren gestützt hat, hat es das Beweisergebnis nur unvollständig gewürdigt. Es hat die Aussage des Zeugen B., der ebenfalls den Sachhergang wahrgenommen hat und der- im Ermittlungsverfahren gleichfalls vernommen worden war, ohne Angabe von Gründen unberücksichtigt gelassen, obgleich es das Protokoll dieser Zeugenvernehmung ebenso wie das der Vernehmung der Zeugin G. zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht hatte. Der Zeuge B. hat den Sachverhalt anders geschildert. Er hat ausgesagt, daß der Geschädigte nach dem Wortwechsel seine Jacke ausgezogen und wild um sich geschlagen hätte, während der Verklagte nur in Abwehr gehandelt habe. Die Nichtbeachtung dieser Zeugenaussage stellt eine Verletzung der Grundsätze der Beweiswürdigung dar (§ 54 Abs. 5 ZPO), um so mehr, als dieser Zeuge im Gegensatz zur Zeugin G. selbst nicht an der Auseinandersetzung beteiligt war (vgl. Bericht des Präsidiums an die 1. Plenartagung des Obersten Gerichts der DDR zu den Anforderungen an die Sachaufklärung in den Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtsverfahren vom 27. Januar 1982, OG-Informationen 1982, Nr. 2, S. 21). Darüber hinaus hat das Kreisgericht die Beweiserhebung überhaupt unzureichend durchgeführt. Zwar ist es im Zivilprozeß zulässig ohne daß Einschränkungen gesetzlich geregelt wären, wie das z. B. im Strafprozeß hinsichtlich der Verlesung früherer Zeugenaussagen gemäß § 225 StPO der Fall ist , anstelle der Vernehmung eines Zeugen Urkunden gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO als Beweismittel zu verwenden, in denen das Wissen des Zeugen über die aufklärungsbedürftigen Tatsachen niedergelegt ist. Das gilt abgesehen von den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen schriftlichen Zeugenerklärungen (§ 55 Abs. 1 Satz 2 ZPO) allgemein, z. B. für Briefe oder andere Aufzeichnungen eines Zeugen, aber speziell auch, wie hier, für Protokolle über Zeugenoder Prozeßparteivernehmungen in einem früheren Ermitt-lungs- oder Gerichtsverfahren. Zu beachten ist aber, daß in dieser Weise nur verfahren werden darf, wenn damit dem Grundsatz der Feststellung der objektiven Wahrheit entsprochen und der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ausreichend aufgeklärt werden kann. Wenn Zeugen außerhalb des Verfahrens einander widersprechende Erklärungen abgegeben haben, reicht es grundsätzlich nicht aus, diese als Urkunden zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen. Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, z. B. daß Zeugen unerreichbar sind, ist in diesen Fällen vielmehr ihre Vernehmung anzuordnen und durchzuführen (§ 53 Abs. 1 Ziff. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Satz 1, §54 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf diese Weise ist es am ehesten möglich, durch zusätzliche Fragen auch der Prozeßparteien und ggf. durch Gegenüberstellung der Zeugen die vorhandenen Widersprüche zu klären (vgl. OG-Informationen 1982, Nr. 2, S. 13). Daß das Kreisgericht von der Vernehmung abgesehen hat, stellt eine Verletzung von §§ 2 Abs. 2, 45 Abs. 3 ZPO dar. Das Bezirksgericht hätte diese Mängel erkennen und im Berufungsverfahren eine vollständige Beweiserhebung und umfassende Beweiswürdigung gewährleisten müssen. Es hätte ebenfalls die rechtlichen Erwägungen des Kreisgerichts nicht unkritisch übernehmen dürfen. Schlägereien berechtigen und erfordern ggf. das Einschreiten Dritter in angemessener Weise zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit von Beteiligten. Dem kann nicht mit dem Hinweis begegnet werden, es handele sich um eine persönliche Angelegenheit. Eine Verweisung auf Fluchtmöglichkeiten hat jedenfalls dann keine Grundlage, wenn Angriffe nicht zum Schutz des Abwehrenden selbst, sondern z. B. zum Schutz anderer verhindert oder beendet werden sollen. Im übrigen hängt aus diesem Grund die Berechtigung eines derartigen Hinweises und damit die Verneinung der Notwehrsituation von den konkreten Umständen ab, die in diesem Verfahren bisher nicht ausreichend aufgeklärt worden sind. Aus diesen Gründen war auf den Kassationsantrag der Beschluß des Bezirksgerichts aufzuheben und die Sache zur Verhandlung über die Berufung des Verklagten an das Bezirksgericht zurückzuverweisen. Strafrecht §§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 2, 115 Abs. 1,117 StGB. Ob der Täter von ihm unbeabsichtigt herbeigeführte schwere Folgen bei verantwortungsbewußter Prüfung der Sachlage hätte voraussehen können, muß auch bei vorsätzlichen Angriffen auf die Gesundheit eines Menschen mit tödlichem Ausgang sorgfältig geprüft und zweifelsfrei festgestellt werden. Dabei sind sowohl allgemein vorhandene Erkenntnisse bzw. Erfahrungswerte in bezug auf die möglichen Folgen der konkreten Gewaltanwendung als auch die individuellen Voraussetzungen der Folgenvoraussicht (z. B. der Bildungsstand und die konkreten Erfahrungen des Täters) zu berücksichtigen. OG, Urteil vom 3. Mai 1989 - 5 OSK 4 89. Der zur Tatzeit 18jährige, nicht vorbestrafte Angeklagte nahm nach Abschluß der achtklassigen Hilfsschule eine Teilberufsausbildung auf. Seit Juli 1986 war er im VEB Z. als Produktionsarbeiter tätig und erfüllte seine Arbeitsaufgabe ordnungsgemäß. In der Familie des Angeklagten gab es bei jeder Kleinigkeit körperliche Züchtigungen. Das wirkte sich auf das Verhältnis der Geschwister zueinander so aus, daß bei ihnen Auseinandersetzungen ebenfalls unter Gewaltanwendung ausgetragen wurden. So versetzte der Angeklagte seinem lOjäh-rigen Bruder Enrico, einem nicht bildungsfähigen, in einer psychiatrischen Einrichtung untergebrachten Kind mit nur zeitweiligen Aufenthalten im Elternhaus, Schläge mit der Hand, mit der Faust und teilweise auch mit einem Lederriemen. Zu diesen Mißhandlungen kam es, weil das Kind Gegenstände zerstörte und das Zimmer, in dem es zusammen mit dem Angeklagten schlief, verunreinigte. Als der Angeklagte am 3. Januar 1988 gegen 15 Uhr sein Zimmer betrat, stellte er fest, daß sein Kassettenrecorder von Enrico beschädigt worden war. Der hierüber erzürnte Angeklagte versetzte seinem Bruder kräftige Schläge vor allem gegen den Kopf und warf ihn danach auf das Sofa. Sodann kniete er sich auf die Schienbeine des Kindes, ergriff dessen Handgelenke, riß es ruckartig hoch und stieß es mit gleicher Gewalt auf das Polster zurück. Dieses Vorgehen, bei dem der Kopf des Kindes heftig nach vorn und hinten geschleudert wurde, wiederholte der Angeklagte etwa eine Minute lang bis er feststellte, daß das Kind keine Laute mehr von sich gab und eine abnorme Beweglichkeit des Kopfes aufwies. Über die Folgen seiner Handlung erschrocken, unternahm der Angeklagte Wiederbelebungsversuche. Der Geschädigte zeigte keine Reaktionen. Die um Hilfe ersuchte Gemeindeschwester konnte nur noch den Tod des Kindes feststellen. Alleinige Todesursache war die als Folge eines wiederholten Schleudertraumas des Kopfes eingetretene Halsmarkquetschung bei Ausrenkung der gelenkigen Verbindung zwischen Schädelgrund und Halswirbelsäule. Die weiteren bei der Sektion festgestellten Verletzungen haben, obwohl sie zahlreich und erheblich waren, beim Todeseintritt nicht mitgewirkt. Die forensisch-psychiatrische Begutachtung des Angeklagten ergab, daß er schwachsinnig ist und daß äußerst ungünstige Umgebungseinflüsse (brutale Erziehung, emotionales Mangelmilieu) zu einer schweren Persönlichkeitsentwicklung mit Krankheitswert geführt haben, so daß die Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit erheblich vermindert war (§ 16 Abs. 1 StGB).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 386 (NJ DDR 1989, S. 386) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 386 (NJ DDR 1989, S. 386)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Ermittlungsverfahren durch zusetzen sind und welche Einflüsse zu beachten sind, die sich aus der spezifischen Aufgabenstellung Staatssicherheit und der Art und Weise der Unterscheidung wahrer und falscher Untersuchungsergebnisse detailliert untersucht und erläutert. An dieser Stelle sollen diese praktisch bedeutsamen Fragen deshalb nur vom Grundsätzlichen her beantwortet werden. Die entscheidende Grundlage für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren, Dissertation, Vertrauliche Verschlußsache AUTORENKOLLEKTIV: Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren! Die Beratungen vermittelten den beteiligten Seiten jeweils wertvolle Erkenntnisse und Anregungen für die Untersuchungsarbeit, Es zeigte sich wiederum, daß im wesentlichen gleichartige Erfahrungen im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer ist wer? führten objektiv dazu, daß sich die Zahl der operativ notwendigen Ermittlungen in den letzten Jahren bedeutend erhöhte und gleichzeitig die Anforderungen an die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung sowie ein konkretes, termingebundenes und kontrollfähiges Programm der weiteren notwendigen Erziehungsarbeit mit den herauszuarbeiten.

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