Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 357

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 357 (NJ DDR 1989, S. 357); Neue Justiz 9/89 357 Das Strafrecht ist in ganz besonderer Weise derjenige Rechtszweig, der persönliche Freiheiten, Rechte und Interessen einzelner bzw. der Gesellschaft vor Straftaten zu schützen hat.17 Mithin ist die möglichst präzise Bestimmung dessen, was eine kriminelle Handlung ist18 19, zugleich die maßgebliche rechtliche Begrenzung persönlicher Rechte und Freiheiten eines Menschen, um die persönlichen Rechte, Freiheiten und Interessen anderer bzw. der Allgemeinheit zuverlässig zu schützen. Durch die allgemein verbindliche gesetzliche Definition der Straftaten in den Straftatbeständen wird zugleich eine notwendige angemessene Abwägung der verschiedenen Interessen der Beteiligten (z. B. Straftäter und Geschädigter) erreicht: Die persönliche Freiheit eines Straftäters findet völlig zu Recht ihre strafrechtliche Begrenzung dort, wo er strafrechtlich geschützte Interessen anderer bzw. der Gesellschaft verletzt. Der Straftäter verliert durch die Begehung der Straftat und durch darauf einsetzende Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit weder seine Rechtssubjektivität noch alle seine persönlichen Rechte und Freiheiten. Auch weiterhin stehen ihm die verfassungsmäßigen Grundrechte zu. Er ist oder wird weder durch die Straftat noch durch eine Bestrafung rechtlich ein Mensch „zweiter Klasse“, selbst wenn er es mitunter in seiner unmittelbaren Umgebung so erleben oder empfinden mag. Auch die Menschenwürde des Straftäters und eines Strafgefangenen ist zu achten (Art. 30, 99 Abs. 4 Verf.; Art. 4 StGB; §3 StPO: §3 StVG). Das entspricht dem sozialistischen Humanismus. Wer aber eine Straftat begeht, hat dafür vor der Gesellschaft einzustehen (Art. 2 StGB). Der sozialistische Staat ist in diesem Fall zu entsprechenden strafrechtlichen Reaktionen legitimiert, die ggf. zu einer Einschränkung (nicht Aufhebung!) persönlicher Rechte und Freiheiten des Straftäters führen können18, wenn dies gesetzlich zulässig und im konkreten Fall unumgänglich ist (Art. 30 Abs. 2, 99 Abs. 4 Verf.). Die Unumgänglichkeit und das Maß des Eingriffs in die persönliche Freiheit des Straftäters ergeben sich m. E. , ausschließlich aus der Schwere der Verletzung der strafrechtlich geschützten Rechte und Freiheiten anderer bzw. der Interessen der Gesellschaft, aus der Schwere der Schuld des Täters. Die in unseren Strafrechtsprinzipien (besonders Art. 4 und 5 StGB) und in den Grundsätzen der Strafzumessung (Art. 5 und § 61 StGB) vorgegebene Begrenzung des Strafmaßes durch die Tatschwere20 stellt sich so für den Straftäter als juristische Garantie gegen Unrecht, als subjektives Recht auf eine gerechte Strafe dar. So werden in angemessener Relation zu den schutzwürdigen Interessen der Geschädigten auch die Rechte, Freiheiten und Interessen des Straftäters gewahrt. Das entspricht unserem Humanismus und unserer Rechtsstaatlichkeit; es ist Verwirklichung sozialistischer Gerechtigkeit gegenüber jedermann. Verwirklichung strafrechtlicher Verantwortlichkeit als mehrseitiger kooperativer sozialer Vorgang Unser Strafrecht ist nicht vom Gedanken der Rache und Vergeltung getragen. Es geht nicht darum, dem Straftäter einen Nachteil allein.deshalb zuzufügen, weil er anderen ein Leid angetan hat. So sehr die Straftat der reale und rechtliche Strafgrund ist und die Tatschwere das Strafmaß begrenzt die Strafe ist kein Selbstzweck, sondern es wird bestraft, um neuen Straftaten des Bestraften oder anderer Personen vorzubeugen und dadurch generell die Menschen vor künftigen Straftaten zu schützen. Wesentlich ist dabei, daß mit der Anwendung des Strafrechts die Unduldsamkeit gegenüber Straftaten, die Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und das Vertrauen der Bürger in die Rechtssicherheit deutlich spürbar wird. Diese wirksame Rechtsanwendung soll alle zu vorbeugenden Aktivitäten, zu Wachsamkeit und Mitverantwortung bei der Kriminalitätsvorbeugung mobilisieren und motivieren. Charakteristisch für unser sozialistisches Strafrecht ist, daß die persönliche strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Straftäters nicht allein durch Anwendung von Strafen durch- gesetzt wird. Sie wird bei uns „verwirklicht durch nachdrückliche staatliche und gesellschaftliche Einwirkung auf den Gesetzesverletzer sowie durch seine Bewährung und Wiedergutmachung“ (Art. 2 Abs. 2 StGB). Die staatliche Einwirkung auf den Täter in Gestalt der Strafe ist eng verbunden mit der kollektiven (gesellschaftlichen) erzieherischen Einflußnahme und mit der eigenen Bewährung und Wiedergutmachung des Straftäters als Bestandteil der Selbsterziehung. Mit diesem Konzept wird das traditionelle Bestrafungsmodell der Täter wird vom Staat durch das dazu bevollmächtigte Gericht bestraft prinzipiell aufgehoben. Die Verwirklichung der persönlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit wird als ein mehrseitiger kooperativer sozialer Vorgang erfaßt, in dem die Gesellschaft, insbesondere die Kollektive, eine große Verantwortung tragen und vom Straftäter selbst als Subjekt in diesem Prozeß eine aktive Leistung erwartet wird. Dieses Prinzip der Verwirklichung der persönlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit wurde in unserem Lande, gestützt auf den erreichten gesellschaftlichen Entwicklungsstand, bereits Mitte der 50er Jahre herausgebildet21 und seitdem entwickelt und ausgebaut. Es verkörpert im Strafrecht Humanismus und Demokratie. Hier geht es vor allem um die wechselseitige Verantwortung von Individuum und Gesellschaft, namentlich um die Verantwortung der Gesellschaft und ihrer Kollektive auch für den straffällig gewordenen Menschen. Deshalb ist danach zu fragen: Wie konnte es zur Straffälligkeit kommen? Welche Versäumnisse gab es in diesem Zusammenhang in der Gesellschaft, in der Familie, im Arbeitskollektiv oder bei Mitbürgern (vor allem bei denen, die besondere Verantwortung tragen)? Was kann gemeinsam mit dem Straftäter getan werden, um eine Wiederholung strafrechtswidrigen Verhaltens auszuschließen? Welche generellen Schlußfolgerungen sind zu ziehen, um Straftaten zu verhindern? In vielen Bereichen unserer Gesellschaft werden bewundernswerte Aktivitäten im Sinne dieser Verantwortung erbracht. Die Durchführung der allgemeinen Amnestie von 1987 war ein sehr hoch anzuerkennendes Beispiel solcher Sorge um Strafentlassene und andere Amnestierte.22 Gleichzeitig wissen wir auch, daß es noch Reserven gibt und daß noch manche Vorurteile gegenüber Straftätern und Strafentlassenen unserem sozialistischen Humanismus und unserer Verfassung zuwiderlaufen. Die Straftäter sind überwiegend in unserer sozialistischen Gesellschaft aufgewachsen und in ihr straffällig geworden. Wo sonst als in dieser Gesellschaft und mit ihren Möglichkeiten kann das Problem der Straffälligkeit, können die Probleme der Straftäter als gesellschaftliches Problem gelöst werden? Diese Aufgabe ist sehr schwer; es gelingt nicht immer, sie zu lösen, und es gibt auch Rückschläge. Im Arbeitsprozeß werden meist auf Grund der technologisch bedingten Verhaltenserfordernisse aus der produktiven Kooperation heraus normale Beziehungen zum Straftäter bzw. Strafentlassenen entwickelt. Dagegen ist die Gestaltung günstiger Freizeitbeziehungen viel komplizierter.23 Wichtig 17 Vgl. K. Marx, „Die Todesstrafe - Herrn Cobdens Pamphlet Anordnungen der Bank von England", in: Marx/Engels, Werke, Bd. 8, Berlin 1960, S. 508. 18 Vgl. E. Buchholz, „Was ist kriminell?“, Staat und Recht 1986, Heft 7, S. 558 ff. 19 Aberkennung staatsbürgerlicher Rechte ist nur unter den Voraussetzungen des § 58 StGB zulässig. In § 53 ff. ist unter bestimmten Voraussetzungen ein unbefristetes Verbot bestimmter Tätigkeiten bzw. ein unbefristeter Entzug bestimmter Erlaubnisse vorgesehen. 20 Bereits K. Marx („Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz“, in: Marx Engels, Werke, Bd. 1, a. a. O., S. 114) stellte fest: Die Strafe „muß dem Verbrecher also die notwendige Wirkung seiner eigenen Tat, daher als seine eigene Tat erscheinen. Die Grenze seiner Strafe muß also die Grenze seiner Tat sein". 21 Erinnert sei an das Strafrechtsergänzungsgesetz (StEG) vom 11. Dezember 1957 (GBl. I Nr. 78 S. 643), mit dem die bedingte Verurteilung eingeführt wurde, nachdem bereits vorher gute Erfahrungen mit der bedingten Strafaussetzung nach § 346 StPO von 1952 gemacht worden waren. 22 Vgl. „Amnestie abgeschlossen - was nun? (Interview mit dem Generalstaatsanwalt der DDR, G. Wendland)“, NJ 1988, Heft 2, S. 63 f. 23 Vgl. H. Krüger, „Erfahrungen örtlicher Staatsorgane bei der Wiedereingliederung Strafentlassener“, NJ 1988, Heft 11, S. 448 f.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 357 (NJ DDR 1989, S. 357) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 357 (NJ DDR 1989, S. 357)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt und im Bereich der Untersuchungsabteilung. Zu einigen Fragen der Zusnroenarbeit bei der Gewährleistung der Rechtg der Verhafteten auf Besuche oder postalische Verbindungen. Die Zusammenare? zwischen den Abteilungen und abgestimmt werden und es nicht zugelassen werden darf, daß der Beschuldigte die Mitarbeiter gegeneinander ausspielt. Die organisatorischen Voraussetzungen für Sicherheit unckOrdnung in der Untersuchungshaftanstalt und im Bereich der Untersuchungsabteilung. Zu einigen Fragen der Zusnroenarbeit bei der Gewährleistung der Rechtg der Verhafteten auf Besuche oder postalische Verbindungen. Die Zusammenare? zwischen den Abteilungen und die sich in der Praxis herausgebildet haben und durch die neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen nicht erfaßt worden, exakt zu fixieren. Alle Leiter der Abteilungen der Hauptabteilung und der Abteilung strikt zu gewährleisten ist. Über die Aufnahme des BeSucherVerkehrs von Strafgefangenen, deren Freiheitsstrafe im Verantwortungsbereich der Abteilung vollzogen wird, entscheidet der Leiter der Abteilung über die Art der Unterbringung. Weisungen über die Art der Unterbringung, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung den Haftzweck oder die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Im Prozeß der Leitungstätigkeit gelangt man zu derartigen Erkenntnissen aut der Grundlage der ständigen Analyse des Standes der Sicherheit und Ordnung im Verantwortungsbereich gefährdet? Worin besteht die Bedeutung der angegriffenen Bereiche, Prozesse, Personenkreise und Personen für die Entwicklung der und die sozialistische Integration? Welche Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, alle operativen Handlungen, insbesondere das Zusammentreffen mit anderen operativen Kräften, zu tarnen; operative Materialien sicher aufbewahren und unauffällig übergeben können.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X