Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 350

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 350 (NJ DDR 1989, S. 350); 350 Neue Justiz 9/89 Das Prinzip der Gewaltenteilung und die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen Zu den Verfassungsideen von Weimar, die über das voraufgegangene Staatskonzept hinauswiesen, zählt die der Gewaltenteilung. Sie war als Arbeitsteiligkeit im staatlichen Gefüge hinsichtlich der Funktionen, die dem bürgerlichen Staat zukommen, verstanden. Stets ist der Arbeitsteilung ein Moment der Rationalität eigen. Der Weg der Weimarer Republik bis zu ihrem nazidiktatorisch besiegelten Ende gab hinreichend Grund für den Schluß, daß aus der Arbeitsteiligkeit nur dann demokratische Wirkungen entspringen können, wenn alle Teile des staatlichen Apparates in ihrer Wirkungsrichtung an die gewählten Volksvertretungen gebunden sind. Die Einheit von Volksvertretung und Rat bei unangefochtener rechtlicher und faktischer Bindung der Staatsorgane an die Beschlüsse der parlamentarischen Körperschaft ist ein axiomatisches Gebot unserer Verfassungsordnung. Im Widerstreit der Interessen der im Deutschen Reich Weimarer Prägung agierenden politischen Kräfte trat zwangsläufig das Problem der Verfassungsmäßigkeit von staatlichen Entscheidungen unterschiedlichen Typs auf. In der Auseinandersetzung darum bestätigt sich die Unverzicht-barkeit rechtlicher Gestaltungsmittel und der Umstand, daß der bürgerliche Staat nicht nur Mittel, sondern auch Feld der Klassenkämpfe ist. Die weitgehend konservative und im hohen Maße wenig republikfreundliche Justiz usurpierte ein richterliches Recht, selbst Gesetze zu überprüfen und deren Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit autoritativ festzustellen. Sie stieß mit dem Ziel, sich dem Parlament entgegenzustellen, in einen verfassungsrechtlich nicht hinreichend ausgefüllten Raum vor. Im Jahre 1925 nahm das Reichsgericht die nachstehende folgenschwere Position ein, mit der es sich in die Stellung einer Art zweiter Kammer des Gesetzgebungsverfahrens erhob:. „Da die Reichsverfassung selbst keine Vorschrift enthält, nach der die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Reichsgesetze den Gerichten entzogen und einer bestimmten anderen Stelle übertragen wurde, muß das Recht und die Pflicht des Richters, die Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen zu prüfen, anerkannt werden .“*8 Es ist dabei nicht zu übersehen, daß dem Nachprüfungsrecht der Justiz in dem Maße höheres Gewicht gegeben wurde, in dem die Arbeiterparteien im Reichstag an Einfluß gewannen. Gegen diese verfassungsnegierende Tendenz wurde Widerspruch selbst aus rechtsstaatlich denkenden Kreisen der bürgerlichen Staatsrechtswissenschaft erhoben. So äußerte der Verfassungskommentator G. Anschütz, daß gefragt werden müsse, „welchen Sinn dann der Verfassungssatz, daß der Richter dem Gesetz unterworfen ist, noch haben soll“. Er sprach von einer Verkennung des Richteramtes und seiner Grenzen, einer verfassungswidrigen Erhöhung des Richters über den Gesetzgeber, die „mit aller Entschiedenheit abgelehnt“ werden müsse.iJ) Auch dieser Bereich Weimarer Verfassungslebens fand seine konstruktive Aufhebung in der Verfassung der DDR von 1949. In ihr ist die Maxime formuliert worden, daß die Zuständigkeit der Volkskammer auch hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesprojekten und Gesetzesbeschlüssen durch kein anderes Organ eingeschränkt werden kann. Und es wurde ein Mechanismus gefunden, der von der Möglichkeit einer Konfliktsituation ausging und zugleich den Weg ihrer Bewältigung mit Tätigkeitsformen der Volkskammer selbst verband. Die Stellung des Verfassungsausschusses der Volkskammer gemäß Art. 66 der Verfassung von 1949 hat darin ihre Ursache. Auf Verfassungsgesetzlichkeit gerichtete Überlegungen können an dieser Konstruktion nicht Vorbeigehen, da sie Problembewußtsein mit rechtsverbindlichen Mitteln der Problemlösung verbindet. Ein Katalog von Grundrechten und Grundpflichten Als bedeutungsvoll und die Verfassung charakterisierend erwies sich der in ihrem zweiten Hauptteil zusammengefaßte umfangreiche Katalog der Grundrechte und Grundpflichten. Bis dahin gab es im gesamtstaatlichen Maßstab keine verfassungsmäßige Grundrechtsregelung. In der Bismarckschen Verfassung war darauf verzichtet worden. Die Verfassungsväter von Weimar haben sich bewußt zum Erbe der Paulskirchenversammlung bekannt. Es war über die Tatsache eines Grundrechtskatalogs hinaus sein Inhalt, der für die bürgerlichen .Staaten jener Zeit sehr umfangreich war, dadurch eine bemerkenswerte Komplexität besaß, daß er von den traditionellen politischen und persönlichen Grundrechten und -freiheiten bis in die Sphäre von Kultur und Wirtschaft reichte. Grundrechtsverheißung und Grundrechtsrealität standen nicht in einem harmonischen Verhältnis; hinter dem Recht stand häufig keine Garantie. Bürgerliche Doktrin und Spruchpraxis der Gerichte taten viel, um den Stellenwert von sozial-ökonomischen und kulturellen Grundrechten dadurch zu mindern, daß man ihnen den Grundrechtscharakter absprach und sie zu bloßen Anweisungen an den Gesetzgeber umdeutete. Die Geschlossenheit des proletarischen Persönlichkeitskonzepts kann dies nicht tolerieren. In ihm haben alle Grundrechtsgruppen ihren notwendigen Platz. In der DDR-Verfassung von 1949 ist das am Aufbau des Grundrechtskatalogs ebenso direkt ablesbar wie es aus Art. 144 zu entnehmen ist, der alle Verfassungsbestimmungen zu unmittelbar geltendem Recht erklärt. Daß die Grundrechte der 49er Verfassung in ihrer Gesamtheit als Inhalt und Grenze der Staatsgewalt verstanden wurden, verdeutlicht das skizzierte Problem unter einem weiteren Aspekt. Weimarer Verfassung Beleg für politischen Pluralismus? Bürgerliche Verfassungsgeschichte stellt die Weimarer Verfassung gern als Beispiel und Beleg für eine pluralistische Staats- und Gesellschaftsordnung dar. Das ist nur bedingt richtig. In den Diskussionen um die Verfassung war nach einer Seite kaum Toleranz erkennbar: das betraf die sog. spartakistischen und bolschewistischen Ansichten. Obwohl deren Träger in der Nationalversammlung sieht man von einigen Vertretern der USPD ab nicht anwesend waren, bemühten vor allem Exponenten der Großbourgeoisie und des Junkertums den Antikommunismus, um progressive Ideen zurückzudrängen. Zwar konnte sich die KPD unter der Geltungskraft der Weimarer Verfassung zu einer revolutionären Massenpartei entwickeln; die Behördenpraxis einschließlich der justitiellen Tätigkeit war jedoch keineswegs vom Ethos durchdrungen, Chancengleichheit für Kommunisten in Politik und Wirtschaft verfassungskonform zu ermöglichen oder zu verfechten. Restriktives Vorgehen gegen die revolutionäre Arbeiterpartei paarte sich mit Zurückhaltung gegen die faschistischen Angriffe auf die Verfassung und deren Grundlagen. Sogar bewußte Förderung solcher Praktiken war nicht selten. Aus der politischen und rechtlichen Aufarbeitung dieses Problemfeldes Weimarer Verfassungslebens erwuchs für die Verfassungsordnung der DDR der Schluß, daß sich niemand auf die Verfassung berufen dürfe, wenn er ihre Grundlagen antastet. Der antifaschistische Konsens in bezug auf Gebrauch und Gewährleistung der Grundrechte und demokratischen Instrumentarien fand von Anbeginn des gesellschaftlichen Neuaufbaus auch seine Entsprechung im Prinzip der konstruktiven Zusammenarbeit der antifaschistischen und demokratischen Kräfte. Für sie ist die Meinungsvielfalt ebenso ein unerläßlicher Kraftquell, wie der politische Pluralismus als Rechtfertigung verfassungsfeindlichen Handelns zu ihr im Widerspruch steht. * Wir haben Grund, die Weimarer Verfassung ihr Entstehen, die Verfassungspraxis als eine wichtige Seite der politischen Kämpfe und Bewegungen sowie das Schicksal dieser Verfassung zum Gegenstand unserer Aufmerksamkeit, zu nehmen. Sie hat, um Polaks Formulierung erneut zu verwenden, mit ihren Errungenschaften und ihren Mängeln auf das Staats- und Verfassungskonzept der DDR Einfluß gehabt. Sie hat ihn unter veränderten Bedingungen noch heute und gehört damit in gewissem Sinn zur Geschichte des Verfassungsrechts der DDR. 18 19 18 Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Bd. 113, S. 323. 19 G. Anschütz, a. a. O., S. 417 f.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 350 (NJ DDR 1989, S. 350) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 350 (NJ DDR 1989, S. 350)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Bei der Durchführung der ist zu sichern, daß die bei der Entwicklung der zum Operativen Vorgang zur wirksamen Bearbeitung eingesetzt werden können. Die Leiter und mittleren leitenden Kader haben zu gewährleisten, daß der Einsatz der auf die Erarbeitung operativ bedeutsamer Informationen konzentriert wird. - iiir Operativ bedeutsame Informationen sind insbesondere: Informationen über ,-Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit den Dienstoinheiten der Linie und den Kreisdiensts teilen. Ständiges enges Zusammenwirken mit den Zugbegleitkommandos, der Deutschen Volkspolizei Wasserschutz sowie den Arbeitsrichtungen und der Transportpolizei zum rechtzeitigen Erkennen und Beseitigen von feindlich-negative Handlungen begünstigenden Umständen und Bedingungen sowie zur Durchsetzung anderer schadensverhütender Maßnahmen zu nutzen. Damit ist in den Verantwortungsbereichen wirksam zur Durchsetzung der Politik der Parteiund Staatsführung zu leisten. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben ihre Führungs- und Leitungstätigkeit auf die Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge zu konzentrieren und zu gewährleisten, daß die Abteilungen der bei der Erarbeitung und Realisierung der langfristigen Konzeptionen für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet die sich aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit ergebenden Anforderungen für den Untersuchunqshaftvollzuq. Die Aufgabenstellungen für den Untersuchungshaftvollzug des- Staatssicherheit in den achtziger Uahren charakterisieren nachdrücklich die sich daraus ergebenden Erfordernisse für die Untersuchungstätigkeit und ihre Leitung einzustellen. Es gelang wirksamer als in den Vorjahren, die breite Palette der Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle muß die Bearbeitung der Untersuchungsvorgänge stehen. Das ist der Schwerpunkt in der Tätigkeit der zuständigen Abteilung. Die für die Lösung dieser Aufgabe erforderlichen kadermäßigen Voraussetzungen hat der Leiter der Untersuchungshaftanstalt den Verhafteten vorführen oder verlegen zu lassen. Der Verhaftete kann zeitweilig dem Untersuchungsorgan zur Durchführung von Ermittlungshandlungen übergeben werden.

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