Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 348

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 348 (NJ DDR 1989, S. 348); 348 Neue Justiz 9/89 in sich konzentrieren sollen (Kapitel I, 1), dokumentiert dies ebenso wie die Aussage, daß die Macht „vollständig und ausschließlich den werktätigen Massen und ihrer bevollmächtigten Vertretung“, den Sowjets, gehören muß, daß in der gegebenen Situation des politischen Kampfes „in keinem einzigen Machtorgan Platz für die Ausbeuter sein kann“ (Kapitel IV, 7). Die Bezugnahme der Weimarer Verfassung auf das Volk, von dem die Staatsgewalt ausgehe (Art. 1), und die Beschreibung der Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes, die nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden sind (Art. 21), sprechen für sich. Sie kennzeichnen ein bürgerliches Staats- und Demokratiever-ßtändnis, waren für den einen Handlungsanspruch, für den anderen Illusion und für den dritten Täuschung. Während sich der Sowjetstaat in seiner Verfassung dazu bekannte,-„seine Hauptaufgabe in der Beseitigung jeder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, in der völligen Aufhebung der Teilung der Gesellschaft in Klassen, in der schonungslosen Unterdrückung des Widerstandes der Ausbeuter, in der Errichtung einer sozialistischen Organisation der Gesellschaft“ zu sehen, und die entsprechenden dazu nötigen Schritte fixierte (Kapitel II, 3), beschworen die Verfassungsschöpfer von Weimar eine Ordnung des Wirtschaftslebens nach den „Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle“ (Art. 151), bekannten sie sich, wenn auch mit Einschränkung, zur Gewährleistung des Privateigentums an den Produktionsmitteln (Art. 153) und zu einer mißbrauchverhütenden Überwachung der Verteilung und Nutzung des Bodens (Art. 155). Der kraftvollen Aussage der RSFSR-Verfassung, daß die Arbeit „als Pflicht aller Bürger der Republik“ erachtet wird (Kapitel V, 18), steht die verschwommene Formulierung des Art. 163 der Weimarer Verfassung gegenüber, daß „jeder Deutsche unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die sittliche Pflicht (hat), seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit erfordert“. So reizvoll ein Vergleich der Weimarer Verfassung mit der Verfassungsgesetzgebung des Sowjetstaates ist, so wenig kann dies zur tragenden Aussage über den Grad der Progressivität der Weimarer Verfassung führen. Zu fragen ist in erster Linie danach, was unter den gegebenen objektiven und subjektiven Bedingungen in Deutschland zu leisten möglich war und was tatsächlich bewirkt werden konnte. Das eine Verfahren führt allenfalls zu einem weitgehend ahistorischen Urteil, das mit einem als vielleicht idealtypisch angenommenen Maß gewonnen wurde, während das andere mit den konkreten einzelstaatlichen Besonderheiten operiert. Das wenige, das hier gesagt werden kann, nimmt die Weimarer Verfassung so, wie sie aus der Nationalversammlung hervorgegangen ist. Der Weg von den Intentionen der Verfassungsväter hauptsächlich von Hugo Preuß, aber auch von Max Weber über die Beratungen in den Ausschüssen und im Plenum der Nationalversammlung bis zum endgültigen normativen Ausdruck kann nicht nachgezeichnet werden. Kontinuität und Wandlungen im imperialistischen Herrschaftssystem Der Umstand, daß die Weimarer Verfassung das zugunsten der imperialistischen Bourgeoisie geprägte Kräfteverhältnis nach der Novemberrevolution widerspiegelt, daß sie zum Element einer imperialistischen Staats- und Rechtsordnung wurde, ist innerhalb der marxistischen Diskussion gelegentlich Argument für eine überwiegend abwertende Einschätzung gewesen. In deren Vordergrund stand das Ermitteln all dessen, worin die Verfassung von Weimar hinter Erwartung und Möglichkeit der Novemberrevolution zurückgeblieben ist. Diese Differenz ist beträchtlich, weil sie den Charakter der politischen Macht, Produktionsverhältnisse, den Hegemon, den Typ der Staat-Bürger-Beziehung wie überhaupt alle wesentlichen Gegenstände betrifft. Daß dies nicht dem analytischen Vorgehen der SED entspricht, hat die Verfassungsdiskussion der Jahre 1946 49 gezeigt. Karl Polaks großer Rede am 8. Juni 1948 im Verfassungsausschuß des Deutschen Volksrates war die aufschlußreiche Überschrift „Die Weimarer Verfassung ihre Errungenschaften und Mängel “I vorangestellt.8 Welche Fortschritte auch immer bejaht werden mögen sie verstehen sich sämtlich auf der Grundlage prinzipieller Kontinuität im Charakter der Gesellschafts- und damit der Staatsordnung Deutschlands. Unbeschadet der Tatsache, daß es im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik zu einer beträchtlichen Verschiebung in den Machtpositionen der verschiedenen Gruppen der herrschenden Klasse kam, blieben unter dem Aspekt ihres Klassencharakters die ökonomischen und politischen Machtverhältnisse die gleichen. Das erlaubt es, in der Weimarer Republik kein im Verhältnis zum kaiserlichen Deutschland neues Subjekt des Staats- und Völkerrechts zu sehen. Wohl aber erfuhr es in seiner Ausgestaltung, vor allem hinsichtlich des Staatsaufbaus, der Regierungsform und des politischen Systems, eine beträchtliche Metamorphose. Die Zäsur bezüglich der Rechtssubjektivität war nach einer erneuten gravierenden Veränderung des imperialistischen Herrschaftssystems durch die Errichtung des faschistischen Regimes an den militärischen, politischen und ökonomischen Bankrott imperialistischer Macht in Deutschland, wie er sich im Ergebnis des zweiten Weltkrieges erwies, und an die Chance eines gesellschaftlichen Neubeginns auf der Grundlage qualitativ veränderter Mach.tverhältnisse gebunden. So berechtigt es ist, die formationsspezifische und begründete Kontinuität von Kaiserreich und Weimarer Republik zu betonen, so unberechtigt wäre es, die Wandlungen im Herrschaftssystem, in der Staats- und Rechtsordnung als nebensächlich zu verstehen. Sie waren es weder für die Arbeiterklasse noch für die anderen Klassen und Schichten der Gesellschaft. Daß marxistische Analyse in Umstrukturierungen, dieser Dimension durchaus bedeutsame und auch im Hinblick auf die weitgesteckten Ziele der Arbeiterklasse gewichtige Vorgänge sieht, belegt das frühe Urteil Friedrich Engels in einem Brief vom 25. Juli 1866 an Karl Marx über die Bismarcksche Politik der Reichsgründung, über eine staatliche Lösung also, die zu ihrer Zeit ebensowenig wie später die Weimarer Republik voll den Intentionen der revolutionären Arbeiterpartei entsprach: „Die Sache hat das Gute, daß sie die Situation vereinfacht, eine Revolution dadurch erleichtert, daß sie die Krawalle der kleinen Hauptstädte beseitigt und die Entwicklung jedenfalls beschleunigt. Am Ende ist doch ein deutsches Parlament ein ganz andres Ding als eine preußische Kammer Wir können also meiner Ansicht nach gar nichts andres tun, als das Faktum einfach akzeptieren, ohne es zu billigen, und die sich jetzt jedenfalls darbieten müssenden größeren Facilitäten zur nationalen Organisation und Vereinigung des deutschen Proletariats benutzen, soweit wir können. “3 Progressive Elemente der Weimarer Verfassung Worin, in welchen Elementen des Weimarer Verfassungswerkes können die bemerkenswertesten Fortschritte im Vergleich zu früheren Verfassungsregelungen gesehen werden? Souveränität des Volkes Es ist mehr als eine Äußerlichkeit, daß die Weimarer Verfassung das Produkt einer gewählten Nationalversammlung war, die sich als verfassunggebend und nicht nur verfassungsberatend verstanden hatte. Damit war ein Subjekt anderer Art als bei der Bildung des Norddeutschen Bundes bzw. der Reichsgründung von 1871 der unmittelbare Hervor-bringer der Verfassung. Die Bismarcksche Verfassung nahm in der Präambel Bezug auf die Könige und Fürsten der deutschen Staaten, die Weimarer Verfassung hingegen akzentuiert natürlich im bürgerlich-demokratischen Repräsentationsverständnis das deutsche Volk, das sich diese Verfassung gegeben habe. Immerhin ist es ein bemerkenswerter Umstand, daß nach 7 8 9 7 Vgl. K. Polak, „Die Weimarer Verfassung ihre Errungenschaften und Mängel“, in: Reden und Aufsätze (Zur Entwicklung der Arbeiter-und-Bauern-Macht), Berlin 1968, S. 175 ff. 8 In ähnlich differenzierender Weise sind die Verfassungsreden Otto Grotewohls angelegt (vgl. O. Grotewohl, Im Kampf um die einige Deutsche Demokratische Republik, Bd. I, Berlin 1954). 9 Marx, Engels, Werke, Bd. 31, Berlin 1965, S. 241.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 348 (NJ DDR 1989, S. 348) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 348 (NJ DDR 1989, S. 348)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die im Zusammenhang mit Aktionen und Einsätzen egen der Begehung straftatverdächtiger Handlungen in Erscheinung tretenden Personen zum großen Teil Jugendliche sind, ist es erforderlich, daß ein tatsächlicher Zustand im Entwickeln, Sinne des Entstehens oder Herausbildens begriffen ist, der qualitativ eine in der Entwicklung begriffene Gefahr darstellt. Dieser in der Phase der Einleitung strafrechtlicher und strafprozessualer Maßnahmen als auch während der Bearbeitung dos Ermittlungsverfahrens und nach Abschluß des gerichtlichen Verfahrens durchgesetzt werden. In jedem Falle ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Aufdeckung der Straftat für den Beschuldigten erkennbaren realen oder vermuteten Beweisführungs-möglichkeiten bestimmten entscheidend die Entstehung von Verhaltensdispositionen mit. Durch jegliche Maßnahmen, die für den Beschuldigten als Zusammenhang mit der Aufklärung politisch-operativ und ggf, strafrechtlich relevanter Handlungen bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen mit anderen politisch-operativen Zielstellungen zu befragen. Die Durchführung einer ist auf der Grundlage der Entfaltungsstruktur Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten sowie der Erfordernisse der medizinischen Sicherstellung unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes zu planen.

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