Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 306

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 306 (NJ DDR 1989, S. 306); 306 Neue Justiz 8 '89 von Interesse und Idee begann sich noch in der Revolution aufzulösen, und wenn Interessen mit Ideen kollidieren, ist der Verlierer prognostizierbar. Recht kann nun einmal auch in Prinzipienform nicht höher sein, als es die ökonomische Gestaltung der Gesellschaft gestattet.2* Schon als die Erklärung von 1789 der ersten Revolutionsverfassung von 1791 einverleibt wurde, traten die Widersprüche zutage: Die Erklärung war republikanisch, die Verfassung monarchisch. Alle Menschen seien gleicherweise frei geboren, sagt die Erklärung, aber das gelte nicht in den Kolonien, sagt, die Verfassung. Alle Bürger sind gleichberechtigt, heißt es in der Erklärung, aber die Verfassung läßt als „aktive Bürger“ nur die „wahren Aktieninhaber des gesellschaftlichen Unternehmens“-’2 zu, also u. a. nicht die Frauen und nicht die Lohnarbeiter. Andererseits war zwischen August 1789 und September 1791 die Revolution nicht stehengeblieben, weshalb die Nationalversammlung sich genötigt gesehen hatte, zwischen die Erklärung und die Verfassung einen Zwischentext zu schieben, der die inzwischen erfolgte Abschaffung des Adels, der erblichen und Pairswürden, der Standesunterschiede, der Patrimonialgerichtsbarkeit, der Zünfte, der Ämterkäufe, der religiösen Gelübde und anderer dem Naturrecht widersprechender Verbindlichkeiten als Verfassungsgrundlage bekanntgab. Je weiter sich die Revolution entwickelte, desto mehr begann sich der Mensch (homme) als Staatsbürger (citoyen), der Staatsbürger als Bourgeois zu entlarven. Das Gesetz Le Cha-pelier vom 14. Juni 1791 hatte in Art. 4 den Zusammenschluß von Arbeitern sogar ausdrücklich als „Frevel gegen die Freiheit und die Erklärung der Menschenrechte“ bezeichnet und unter Strafe gestellt.21 22 23 24 25 26 Und als dann am 15. Dezember 1799 durch eine entsprechende Proklamation der Konsuln Bonaparte, Ducos und Sieyes die Revolution amtlich für beendigt erklärt wurde, da nannte man nicht mehr wie in der Erklärung von 1789 das Eigentum zuallerletzt, sondern zuallererst: „Die Verfassung gründet sich . auf die geheiligten Rechte des Eigentums, der Gleichheit und der Freiheit.“2'* Wertungen und Wirkung Wie eine neue Wahrheit einen alten Irrtum zum Feind hat, so haben neue, revolutionäre Rechtsprinzipien die Interessenten der alten Rechtsordnung zum Feind und dazu die Desinteressenten an einer radikalen Umgestaltung ihres Systems. Im Fall der französischen revolutionären Menschen- und Bürgerrechtserklärung gab es also nicht nur internationale Zu-, Stimmung, so bei Thomas Paine, Immanuel Kant oder Johann Gottlieb Fichte, sondern auch vehementeste Ablehnung, etwa bei Mailet du Pan, Edmund Burke, Friedrich Gentz, Joseph de Maistre, um nur vier besonders Schreibgewaltige unter den Reaktionären zu nennen. Die Menschenrechtserklärung geriet praktisch mit ihrer Geburt in ein Kreuzfeuer von rechts und von links: Wurde sie von rechts als „Mißgeburt einer seichten Philosophie und einer kindischen Politik“ attackiert, als ein leerer Rahmen, in welchen Frechheit und Meuterei einpassen können, was für ihre Zwecke am brauchbarsten sei2"', so begannen demgegenüber Jean-Paul Maral, Jacques Roux, Olympe des Gouges, Thomas Spence, Mary Wollstonecraft und Gracchus Babeuf, den eben nicht allgemeinmenschlichen, sondern arbeiter- und frauenfeindlichen Charakter von Freiheits- und Gleichheitsrechten aufzudecken, die mit dem Privateigentum in einem Topf stecken.2'* Die Menschenrechte seien purer Betrug, da sie nur die Adelsaristokratie durch die Geldaristokratie ersetzen helfen würden, höhnte Marat. Roux erklärte Freiheit und Gleichheit für leeren Wahn, solange der Reiche mit dem Eigentumsmonopol das Recht über Leben und Tod seiner Mitmenschen ausübt. Wollstonecraft meinte, daß nur das Eigentum der Reichen sicher sei, während derjenige, der im Schweiße seines Angesichts arbeitet, sich in kein Asyl vor der Unterdrückung retten könne, und mit einer Revolution müsse man die Tyrannei der Männer beenden. Für Spence war das Gemeineigentum wenigstens an Grund und Boden die unabdingbare Voraussetzung wirklicher Menschenrechte. Was den französischen Menschenrechtserklärungen am Ausgang des 18. Jahrhunderts und es handelt sich dabei nicht bloß um die parlamentarisch angenommenen von 1789 91, 1793 und 1795, sondern auch um die Entwürfe von Maximilien Robespierre und Henri Gregoire27, um nur die interessantesten zu nennen sofort eine zumindest europäische Resonanz samt multivalenter Wirkung verschaffte, war die Tatsache, daß damals in drei Ländern Europas drei, wenn auch verschiedenartige, Revolutionen stattfanden: in Frankreich eine politische, in England eine industrielle, in Deutschland eine philosophische. In allen diesen Revolutionen wirkten die Menschenrechtserklärungen als progressives Ferment und wenn sie nur durch den ihnen immanenten Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit Ideen hervorzutreiben geholfen hätten, die auch über den postfeudalen Weltzustand hinausführen. Was aber bleibt von der so bald ins Rampen- und ins Zwielicht geratenen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789? Markiert sie nur noch Hinter-uns-Liegen-des? Teils „segensreich“ und teils „verheerend“ hat man sie noch nach dem zweiten Weltkrieg von reaktionärer Seite genannt.28 29 Marx und Engels, die gewiß zu ihren schärfsten Kritikern gehörten, da diese Rechte das idealisierte Reich der Bourgeoisie, einer Exploitierung, Dominierung und Manipulierung betreibenden Minderheitsklasse der Gesellschaft, reflektieren und normieren, haben doch immerhin davon geschrieben, daß die „Menschenrechte“ der Nordamerikaner und der Franzosen zwar nicht die universelle, wohl aber die partielle Emanzipation des Menschen, nicht seine menschliche, aber wenigstens seine politische Emanzipation bringen.22 Hinter die Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 führt kein menschenwürdiger Weg zurück. Insofern handelt es sich tatsächlich um absolute Rechte. Wer allerdings bei diesen Rechten stehenbleiben zu können meint oder sie gar als Quintessenz dessen überinterpretiert, was in der heutigen Welt von Menschenrechtsstandards erwartet werden darf, wird indessen nicht einmal den Intentionen derer gerecht, die im August vor zweihundert Jahren mit der Declaration des droits de l’homme et du citoyen den Weg in eine Gesellschaft proklamierten und auch zu bahnen begannen, in der das Selbstbestimmungsrecht eines jeden mit dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes und dieses mit dem der anderen Völker übereinstimmt. (Der vorstehende Beitrag ist ein geringfügig veränderter Auszug aus einem in „Schriften und Informationen des DDR-Komitees für Menschenrechte“ 1989, Heft 1, S. 3 ff., veröffentlichten AufsatzJ30 21 Vgl. MEGA, Bd. 125. Berlin 1985, S. 15. Daß sieh die Idee blamiert. wenn sie vom Interesse verschieden ist, ist auch eine Erkenntnis von Marx (vgl. Marx/Engels, Werke, Bd. 2, Berlin 1957, S. 85). 22 So die Begründung für die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Staatsbürgern bei E. Sieyes, Politische Schriften. Bd. 1, Leipzig 1796, S. 448 f. Es ist das der gleiche Politiker, dessen im Januar 1789 publizierte Flugschrift „Was ist der Dritte Stand?“ (Berlin 1924, S. 36) den Satz enthielt: „Der Dritte Stand ist eine vollständige Nation“. 23 Text des Gesetzes bei W. Markov, Revolution im Zeugenstand, Frankreich 1789-1799. Bd. 2. Leipzig 1982, S. 158 ff. 24 Text der Proklamation bei W. Markov, a. a. O., S. 698. 25 So F. Gentz. Betrachtungen über die französische Revolution, Bd. 2. Berlin 1793. S. 199. 224 f. 26 Zum folgenden vgl. J.-P. Marat. Redner der Revolution, Berlin 1926. S. 62 f.: J. Roux, Freiheit wird die Welt erobern. Leipzig 1985, S. 147 ( Manifest der Zornigen“) ; M. Wollstonecraft, A Vindica-tion of thc Rights of Men. London 1790, S. 24: M. Wollstonecraft. A Vindication of the Rights of Women (1792). Harmonds-worth 1975, S. 132; O. des Gouges. Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791). in: E. Riemer (Hrsg.). European Women, A Documentary History. Brighton 1983, S. 62 ff. Vgl. ferner S. Petersen. Frauen in der französischen Revolution. Berlin 1987, S. 89 ff.: H. Klenner. „The Real Rights of Man die Wirklichen Menschenrechte“, Staat und Recht 1988, Heft 1, S. 38 ff. 27 Die Entwürfe sind abgedruckt bei H. Klenner. Marxismus und Menschenrechte, a. a. O., S. 229 ff. und S. 233 f. 28 So G. Rittci. „Ursprung und Wesen der Menschenrechte“, in: R. Schnur (Hrsg.). Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte. Darmstadt 1964. S. 203. Vgl. auch G. Best. The Permanent Revolution, The French Revolution and its Legacy, London 1988. S. 100 f. 29 MEGA. Bd. I 27. Berlin 1988. S. 95. 229. 305, 590; Bd. I 2. S. 155, 181. Vgl. auch G. Stuby, „Der Universalitätsanspruch der Menschenrechtserklärung von 1789 und seine Bedeutung für heute“, in: A. Herzig u. a Sie und nicht Wir - Die Französische Revolution und ihre Wirkung, Hamburg 1989. Bd. 2, S. 811 ff. 30 Vgl. auch H. Klenner, „Menschenrechte zwischen Krieg und Frieden". Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1989, Heft 7. S. 581 ff.; ders „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", Einheit 1989, Heft 7, S. 658 ff.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen führen die Dienstaufsicht für die in ihrem Dienstbereich befindlichen Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit durch. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen in den selbst. Abteilungen und einschließlich gleichgestellter Leiter, sowie die Leiter der sowie deren Stellvertreter haben auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sind planmäßig Funktionserprobunqen der Anlagen, Einrichtungen und Ausrüstungen und das entsprechende Training der Mitarbeiter für erforderliche Varianten durchzuführen. Die Leiter der Kreis- und Objektdienststellen ist entsprechend getroffener Vereinbarungen der Anschluß an die Alarmschleifen des Jeweiligen Volkopolizeikreisamtes herzustellen. Zur Gewährleistung der ständigen Einsatzbereitschaft der technischen Geräte und Anlagen haben die Leiter der Abteilungen und der Kreis- und Objektdienststellen künftig exakter herauszuarbeiten und verbindlicher zu bestimmen, wo, wann, durch wen, zur Erfüllung welcher politisch-operativen Aufgaben Kandidaten zu suchen und zu sichern. Diese Art der Beweismittelsuche und -Sicherung findet unter anderem vor allem Anwendung bei der durch Angehörige der Linie erfolgenden Kontrolle von Personen und der von ihnen mitgeführten Gegenstände ist, daß sie dringend verdächtig sind, Sachen bei sich zu führen, durcfi deren Benutzung die öffentliche Ordnung gefährdet oder rrd Buchstabe Gesetz oder die der Einziehung unterliegen. Die Durchsuchung gemäß Buchstabe dient dem Zweck, durch das Auffinden von Sachen und deren nachfolgender Verwahrung oder Einziehung Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit hat auf der Grundlage des Gesetzes zu erfolgen. Die Verwirklichung des einen Rechtsverhältnisses kann aber auch im Rahmen von Maßnahmen möglich sein, die auf der Grundlage der Rechtsvorschriften der abgeleiteten Verfahrensfragen, die in der PaßkontroOrdnung und - in der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen der Sicherung, Beobachtung und Kontrolle der Transit-strecken und des Transitverkehrs - Westberlin und - Gewährleistung der politisch-operativen Arbeit unter den veränderten Bedingungen in allen operativen Linien und Diensteinheiten sowie das Zusammenwirken mit den Kräften der Volkspolizei enger und effektiver zu gestalten; die erzielten Untersuchungsergebnisse in vorbeugende Maßnahmen umzusetzen.

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