Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 211

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 211 (NJ DDR 1989, S. 211); Neue Justiz 5/89 211 mängel stets tatbezogen zu prüfen, ob der Jugendliche das Entwicklungsniveau eines 14jährigen erreicht hat. Selbst psychisch retardierte, nicht normgemäß entwickelte Jugendliche sind in der Regel in der Lage, elementare Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens einzuhalten und sich richtig zu entscheiden. 2.1. Psychosoziale Entwicklungsrückstände (Retardierungen) oder Fehlentwicklungen Sie können sich vor allem ergeben aus dem Erhaltenbleiben weitgehend kindlicher Eigenschaften, dem Vorhandensein eines noch auffallend kindlich-naiven Selbst- und Weltbildes (z. B. einer für die Altersgruppe ungewöhnlichen Unwissenheit, Unselbständigkeit und Naivität in der Erlebnisverarbeitung); einem ständigen Versagen bereits bei minimalen Anforderungen im Leistungs- und Sozialverhalten; ausgeprägten sozialen Integrations- und Kontaktschwierigkeiten, wie außergewöhnliche Gehemmtheit bzw. gravierende Unselbständigkeit im Denken und Handeln, ungewöhnliche Selbstisolierung; Anzeichen zur Unfähigkeit, sich negativen, insbesondere Gruppeneinflüssen, zu entziehen. Fehlentwicklungen können eine Begutachtung erfordern, wenn im Zusammenhang mit ausgeprägtem Mangelmilieu im Elternhaus erhebliche Defizite im Lern-, Reife- und Erfahrungsprozeß vorliegen. 2.2. Einschränkungen der intellektuellen Leistungsfähigkeit Intelligenzmängel, die sich in erheblich entwicklungsbeeinträchtigender Weise auswirkten, so daß sich Zweifel ergeben, ob der Jugendliche das erforderliche Entwicklungsniveau erreicht hat, können sich ergeben aus dem schulischen Entwicklungsverlauf, vor allem aus der Tatsache mehrfachen Sitzenbleibens infolge Leistungsschwäche, einem Leistungsversagen sogar in der Sonderschule oder der Unfähigkeit, einen Beruf zu erlernen; ausgeprägten Symptomen verminderter Intelligenz, wie erheblich erschwerte Denkleistung bzw. Auffassungsgabe oder ein ungenügendes Wertungs- und Urteilsvermögen in einfachsten Anforderungsbereichen. 2.3. Schwere körperliche Beeinträchtigungen, die Einfluß auf den normalen Entwicklungsverlauf des Jugendlichen haben, mit dadurch bedingten erheblichen Entwicklungsrückständen Sie können sich beispielsweise ergeben aus Angaben über frühkindliche Entwicklungsschädigungen in Verbindung mit erkennbaren Retardierungserscheinungen; langwierige Erkrankungen, durch die der Erziehungsprozeß des Jugendlichen längere Zeit unterbrochen war, so daß es zu beträchtlichen Entwicklungsrückständen kam; körperliche Mängel, wie Entstellungen, Verwachsungen, Sprachstörungen usw., die den sozialen Kontakt erheblich beeinträchtigten. 3. Zur Begutachtungsart bei Jugendlichen Wird ein psychologisches Gutachten erstattet und entstehen gleichzeitig begründete Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit, ist stets auch eine psychiatrische Begutachtung vorzunehmen. Ein kombiniertes Gutachten ist notwendig, wenn es Hinweise gibt, daß erhebliche Entwicklungsrüdestände, Intelligenzmängel, Fehlentwicklungen oder andere Verhaltensauffälligkeiten ebenso Ausdruck psychopathologischer Persönlichkeitsveränderungen sein können, sich also auch die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit stellt, denen jedoch auch im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit Bedeutung zukommen kann. Eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder eine schwerwiegend abnorme Entwicklung der Persönlichkeit mit Krankheitswert im Sinne der Merkmale des § 16 StGB kann sich auf den Entwicklungsverlauf des Jugendlichen derart auswirken, daß infolge eines dadurch bedingten erheblichen .Entwicklungsrückstandes keine Schuldfähigkeit besteht. Ein kombiniertes Gutachten ist auch dann geboten, wenn es Hinweise gibt, daß die Entwicklungsstörung durch somatische Persönlichkeitsmängel, insbesondere durch hirnorganisch-neurologische Faktoren, zumindest mitbedingt wurde. II. Zur Arbeitsweise bei der Einholung und Prüfung ' von Gutachten 1. Bei der Einholung und Prüfung von Gutachten ist von den in der Beweisrichtlinie enthaltenen Grundsätzen (Abschn. I. Ziff. 4, II. Ziff. 3, III. Ziff. 2, 3, 5 und IV. Ziff. 4) auszugehen. Fragen, die nur von den Justizorganen zu beantworten sind (z. B. zum Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen im Sinne der §§ 14, 113 Abs. 1 Ziff. 3, 65 StGB, zur Schuldbewertung oder zur Strafzumessung), dürfen dem Sachverständigen nicht gestellt werden. 2. Gutachten sind bei den Leitern der staatlichen Einrichtungen anzufordern, die solche erstatten. Hierfür geltende Festlegungen (Sachverständigenlisten) sind dabei zu beachten. 3. Der Sachverständige ist mit der Anforderung auf seine Pflicht zur gewissenhaften und wahrheitsgemäßen Erstattung des Gutachtens hinzuweisen und über die strafrechtlichen Folgen eines vorsätzlich falschen oder unvollständigen Gutachtens zu belehren (§40 StPO, § 230 StGB). 4. Ein notwendiges Gutachten kann weder durch die Sachkunde des Gerichts noch durch andere Beweismittel ersetzt werden. 5. Die Gutachten sind tatbezogen und inhaltlich so zu gestalten, daß die Begründetheit der getroffenen Feststellungen nachprüfbar ist. Sie haben in konzentrierter Form die zur Beurteilung der Zurechnungs- bzw. Schuldfähigkeit des Angeklagten notwendigen Kenntnisse zu vermitteln. Auf die Darstellung wichtiger Probleme darf nicht verzichtet werden. Das Gutachten muß die wesentlichen Beweistatsachen übersichtlich und geordnet darstellen und deutlich machen, von welchem Sachverhalt der Sachverständige ausgegangen und wie er zu den getroffenen Feststellungen gelangt ist. Soweit nach dem zugrunde gelegten Sachverhalt verschiedene Varianten möglich sind, sind die notwendigen Alternativlösungen darzulegen. Es ist kenntlich zu machen, zu welchen Fragen noch Zweifel bestehen oder keine zuverlässigen Aussagen getroffen werden können. Ergeben sich Hinweise für eine Heilbehandlung (§ 27 Abs. 1 StGB) oder für eine medizinisch begründete Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung (§§ 15 Abs. 2, 16 Abs. 3 StGB), ist dies im Gutachten darzulegen. Angewandte Untersuchungsmethoden und -verfahren sowie ihre wesentlichen Ergebnisse, die die gutachterlichen Feststellungen begründen, sind auszuweisen. Einer ausführlichen Abhandlung fachspezifischer Details, Wiedergabe von Literaturzitaten ohne Beziehung zur Fragestellung des Gerichts und Wiederholung des Akteninhalts bedarf es nicht. IIL Die Beschlüsse des Präsidiums des Obersten Gerichts der DDR zur Beiziehung forensischer psychiatrischer und psychologischer Gutachten vom 30. Oktober 1972 I PrB 1 112 3/72 und vom 7. Februar 1973 I PrB 1 112 2/73 1 sowie in Übereinstimmung mit dem Generalstaatsanwalt der DDR der Gemeinsame Standpunkt des Obersten Gerichts und des Generalstaatsanwalts zur Anforderung und Gestaltung forensisch-psychiatrischer Gutachten vom 10. September 19801 2 werden aufgehoben. 1 Beschluß über die Voraussetzungen für die Beiziehung von forensischen Gutachten zur Prüfung der Zurechnungsfähigkeit (§§ 15, 16 StGB) und der Schuldfähigkeit (§ 66 StGB) von Tätern vom 30. Oktober 1972 - I PrB 1 - 112 - 3/72 - (NJ-Beilage 4/72 zu Heft 22; OG-Informationen 1986, Nr. 5. S. 28 ff.). Beschluß zur Arbeitsweise bei der Einholung und Prüfung psychiatrischer und psychologischer Gutachten vom 7. Februar 1973 - I PrB l - 112 - 2/73 - (NJ-Beilage 2/73 zu Heft 6; OG-Informationen 1986, Nr. 5, S. 38 ff.). 2 Dieser Standpunkt ist in OG-Informationen 1980, Nr. 6, S. 31 ff., und 1986. Nr. 5, S. 44 ff., veröffentlicht.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtSozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Planung bereits der Erstvernehmung und jeder weiteren Vernehmung bis zur Erzielung eines umfassenden Geständnisses sowie an die Plandisziplin des Untersuchungsführers bei der Durchführung der einzelnen Vernehmung.

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