Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 180

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 180 (NJ DDR 1989, S. 180); 180 Neue Justiz 5/89 Unumgänglichkeit der Untersuchungshaft darauf, folgendes zu berücksichtigen: Charakter, Art und Schwere der Tat; die Situation, in der die Tat begangen wurde; die Lebensverhältnisse von Beschuldigten oder Angeklagten (z. B. Alter, Gesundheitszustand, Schwangerschaft, Notwendigkeit der Betreuung pflegebedürftiger oder minderjähriger Personen); das Verhalten nach der Tat (z. B. Selbstanzeige, Wiedergutmachung) ; die gesellschaftlichen Bedingungen, die gewährleisten, daß Beschuldigte oder Angeklagte sich dem Verfahren nicht entziehen. Die im Beschluß genannte Möglichkeit, bei Jugendlichen zu prüfen, ob die besondere Aufsicht Erziehungsberechtigter gemäß § 135 StPO eventuell im Zusammenwirken mit Betreuern aus dem Schul- oder Arbeitsbereich an die Stelle der Untersuchungshaft treten kann, muß noch mehr in die Überlegungen einbezogen werden. Dringender Tatverdacht Im allgemeinen werden die dringenden Verdachtsgründe zutreffend geprüft. Zuzustimmen ist K.-H. R ö h n e r , der davon ausgeht, daß der dringende Tatverdacht einen höheren Grad der Wahrscheinlichkeit als der bloße Verdacht i. S. des § 98 Abs. 1 StPO erfordert. Dazu führt er aus: „Im Gegensatz zum Verdacht ist der dringende Tatverdacht immer zugleich tat- und täterbezogen. Bei ihm müssen Tatsachen bekannt sein, aus denen unter Beachtung aller bisher festgestellten be- und entlastenden Umstände begründet gefolgert werden kann, daß der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer einer bestimmten Straftat in Betracht kommt. Zwar handelt es sich bei diesen festgestellten Tatsachen in der Regel nur um einen Teil des strafrechtlich relevanten Sachverhalts, aber diese Tatsachen weisen in ihrer Gesamtheit mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß der Beschuldigte die objektiven und subjektiven Merkmale eines gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht hat.“7 Haftgründe des Fluchtverdachts und der Verdunklungsgefahr Die in der Praxis wiederholt aufgetretene Frage, ob zur Sicherung der Verfahrensdurchführung Haftbefehl wegen Fluchtverdachts erlassen werden darf, wenn der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Hauptverhandlung erscheint oder der Beschuldigte oder Angeklagte sich nicht am polizeilich gemeldeten Wohnort aufhält, wird im Präsidiumsbeschluß verneint. Fluchtverdacht liegt erst dann vor, wenn nachgewiesene Bemühungen zur Vorführung erfolglos blieben oder der Beschuldigte oder Angeklagte häufig kurzzeitig seinen Wohnort wechselte, ohne sich polizeilich abzumelden, seiner Arbeitsstelle fernblieb und nicht auffindbar ist, obwohl er Kenntnis von dem zu erwartenden gerichtlichen Verfahren hatte,8 Verdunklungsgefahr ist noch nicht begründet, wenn der Beschuldigte oder Angeklagte die Tat bestreitet, unwahre Erklärungen abgibt oder die Aussage verweigert. Es müssen Gründe für die Annahme vorliegen, daß noch ungesicherte Beweismittel vorhanden sind oder daß bereits gesicherte Beweismittel durch Manipulationen des Beschuldigten oder Angeklagten (z. B. Überreden von Belastungszeugen zur Rücknahme ihrer Aussagen) ihren Beweiswert verlieren können. Außerdem müssen für den Beschuldigten oder Angeklagten objektiv Verdunklungsmöglichkeiten bestehen. Schließlich muß den Umständen nach der Verdacht begründet sein, der Beschuldigte oder Angeklagte werde, falls er weiter auf freiem Fuß verbleibt, seine Freiheit tatsächlich zu Verdunklungsmaßnahmen nutzen.9 10 11 12 Verbrechen und schwere fahrlässige Vergehen als Haftgrund Die Grundorientierung besteht bei diesem Haftgrund darin, zu prüfen, ob im konkreten Fall eine Strafe von mehr als zwei Jahren zu erwarten ist. Das gilt sowohl für Verbrechen als auch für schwere fahrlässige Vergehen. Verknüpft mit der Frage der Unumgänglichkeit der Untersuchungshaft wird darauf orientiert, daß allein das Vorliegen dieses Haftgrundes nicht zur Anordnung der Untersuchungshaft zwingt. Auch hier sind die Persönlichkeit des Beschuldigten oder Angeklagten sowie die Umstände, durch die ihm die Möglichkeit für weitere Straftaten entzogen ist, zu berücksichtigen. Zu prüfen sind auch solche Umstände wie Selbstanzeige und Wiedergutmachungsanstrengungen. Bei schweren fahrlässigen Vergehen kommt eine Inhaftnahme nur dann in Frage, wenn die Schwere der Tat insgesamt dies erfordert, d. h. wenn der Grad der Schuld hoch ist und schwere Folgen eingetreten sind. Haftgrund der Wiederholungsgefahr Bei diesem Haftgrund geht es darum, der akuten Gefahr der Begehung weiterer Straftaten von erheblichem Gewicht zu begegnen. Dazu ist es erforderlich, eine Prognose zu stellen, ob der Beschuldigte oder Angeklagte bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung mindestens eine weitere Straftat begehen wird, falls er auf freiem Fuß bleibt.io Das ist oft nicht unproblematisch. Die Prognose muß sich auf das bisherige strafbare Verhalten des Beschuldigten oder Angeklagten stützen. Wiederholungsgefahr setzt Vorbestraftheit oder mehrfache Tatbegehung (Tatmehrheit) voraus. Das bezieht sich auf die Verletzung von Strafgesetzen durch Täter oder Teilnehmer (§ 22 StGB). Eine Vortat kann auch erst im anhängigen Verfahren bekannt geworden sein. Die reale Gefahr der Wiederholung ergibt sich aus dem bisherigen strafrechtswidrigen Verhalten des Beschuldigten oder Angeklagten, wenn es die Schlußfolgerung begründet, daß er wiederum straffällig wird. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn zwischen der Vortat und der erneuten Straftat ein innerer Zusammenhang besteht, der erkennen läßt, daß die neue Straftat Ausdruck der Fortsetzung des bisherigen strafrechtswidrigen Verhaltens ist. Typisch dafür sind Serienstraftaten wie z. B. bestimmte Sittlichkeitsdelikte11 oder Trickbetrügereien. Schließlich muß die Schwere und Art der möglichen neuen Straftat eingeschätzt werden. Abschnitt I Ziff. 4.4. des Präsidiumsbeschlusses orientiert darauf, daß die zu prognostizierende Straftat von Gewicht sein muß. Bei Eigentumsstraftaten einschlägig Vorbestrafter z. B. muß die objektive Schädlichkeit in der Regel größer sein als bei Eigentumsstraftaten von Ersttätern, bei denen die Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Gericht gerechtfertigt ist.12 Anhaltspunkte können sich auch hier nur aus der Art und Erheblichkeit der bisherigen Straftaten, deren Angriffsrichtung, Art und Weise der Tatbegehung und den Motiven sowie der Persönlichkeit des Täters ergeben. Angedrohte Haftstrafe oder angedrohter Strafarrest und zu erwartende Strafe mit Freiheitsentzug Der entscheidende Gesichtspunkt der zu diesen Haftgründen gegebenen Orientierung besteht darin, die Untersuchungshaft nicht in allen gesetzlich möglichen Fällen, sondern nur dann anzuordnen, wenn es unbedingt notwendig ist. Die Haft- 7 Vgl. K.-H. Röhner, „Tatverdacht und seine Differenzierung in der StPO“, NJ 1985, Heft 11, S. 448 ff. (449). 8 Vgl. BG Frankfurt (Oder), Beschluß vom 15. Dezember 1987 BSR 151/87 mit Anmerkung von M. Amboß (OG-Informationen 1988, Nr. 3, S. 13 ff.). 9 Vgl. Strafverfahrensrecht, Lehrbuch, Berlin 1987, S. 160. 10 Vgl. BG Halle, Beschluß vom 24. November 1987 BSR 258/87 (OG-Informationen 1988, Nr. 3, S. 17 f.). 11 So hat das Bezirksgericht Cottbus am 18. November 1988 in der Strafsache wegen mehrfachen sexuellen Mißbrauchs von Kindern 1 BSR 130/88 einen Haftbefehl aufgehoben mit der Begrün- ' düng, daß auf Grund der mehrfachen Tatbegehung die Wiederholungsgefahr zwar nicht ausgeschlossen sei, die Inhaftierung jedoch nicht unumgänglich sei wegen der positiven Persönlichkeitsentwicklung des Täters, seines Beitrags zur Wahrheitsfindung und der gezeigten Reue. Die Unumgänglichkeit der Untersuchungshaft wurde hier fehlerhaft vereint. Sie war vom Charakter der Straftat, dem Umfang und der Schwere gegeben. 12 Vgl. BG Halle, Beschluß vom 26. November 1987 BSB 263/87 mit Anmerkung von R. Biebl (OG-Informationen 1988, Nr. 3, S. 19 ff.); BG Neubrandenburg, Beschluß vom 20. November 1987 2 BSR 67/87 - (OG-Informationen 1988, Nr. 2, S. 27 f.).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 180 (NJ DDR 1989, S. 180) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 180 (NJ DDR 1989, S. 180)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Dabei handelt es sich insbesondere um Spekulationsgeschäfte und sogenannte Mielke, Rede an der Parteihochschule Karl Marx beim der Partei , Anforderungen und Aufgaben zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit und Ordnung zu läsen. Eine wesentliche operative Voraussetzung für die Durchsetzung und Sicherung desUntersuchungshaftvollzuges kommt der jeierzeit zuverlässigen Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes der Dienstobjekte Staatssicherheit - Ordnung Sicherheit Dienstobjekte - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit o? - Ordnung zur Organisierung und Durchführung des militärisch-operativen Wach- und Sicherüngsdien-stes im Staatssicherheit ahmenwacbdienstordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit n? -fk? Seite. Der politisch-operative Wach- und Sicherungs- dienst beim Vollzug der Untersuchungshaft Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes haben gegenüber den Inhaftierten und Strafgefangenen Weisungsrecht. Das Weisungsrecht bezieht sich auf - die Durchsetzung dieser Dienstanweisung, die Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung und - die Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln sowie die Nichtbefolgung der Weisungen der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten, zürn Beispiel das Nichtauf-stehen nach der Nachtruhe, das Nichtverlassen des Verwahrraumes zur Vernehmung, zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft weit gehendst vermieden werden, wie es unter den konkreten Bedingungen der Verwahrung Verhafteter in einer staatlichen medizinischen Einrichtung möglich ist.

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