Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 152

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 152 (NJ DDR 1989, S. 152); 152 Neue Justiz 4/89 Staat und Recht im Imperialismus Stützpfeiler des nazistischen Unrechtssystems Zu Diemut Majers Buch „Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems“* Staatsanwalt GÜNTHER WIELAND, Berlin Die sachkundige Auseinandersetzung mit Erscheinungen des Neonazismus und mit Versuchen, die Verbrechen des Naziregimes gänzlich zu leugnen oder doch zu bagatellisieren, erfordert gesellschaftliche Aktivitäten, deren Umfang naturgemäß über die Aufhellung historischer Geschehensabläufe weit hinausgeht. Gleichwohl zählt die tiefgründige Analyse der politischen und ideologischen Wurzeln des deutschen Faschismus zu den unverzichtbaren Bestandteilen antifaschistischer Positionsbestimmung. Dabei ist die Rechtswissenschaft aufgefordert, im Detail darzulegen, mit welchen Auffassungen und Instrumenten die Nazi-Machthaber versuchten, ihr zutiefst menschenfeindliches, von Anfang an durch brutalen Terror nach innen und zügellose Welteroberungspläne nach außen geprägtes Regime rechtlich zu bemänteln. Dies ist das Anliegen der namhaften BRD-Rechtswissen-schaftlerin Diemut Majer, die in ihrem Buch die „Rechtsprinzipien“ des Nazistaates untersucht: das „Führerprinzip“, das Sonderrecht („völkische Ungleichheit“) und die Rolle der Nazipartei. Sie weist dabei einleitend darauf hin, daß „Wissenschaft und Rechtspraxis im nationalsozialistischen Staat auch deswegen ernst genommen werden (müssen), weil die sie verkörpernden Personen zu einem großen Teil auch nach 1945 im Amt geblieben sind und Wissenschaft und Rechtspraxis auch der Bundesrepublik beeinflußt, ja vielfach geprägt haben. Beispiele sind die Übernahme von ehemaligen Professoren, von Richtern der Sondergerichte oder des Volksgerichtshofs in die westdeutsche Wissenschaft und Justiz, die Übernahme von aus dem Polizei- und Verwaltungsapparat des Dritten Reiches belasteten Personen in die westdeutsche Verwaltung " (S. 25/26).1 Zur politisch-ideologischen Verwandtschaft zwischen bürgerlich-konservativen Kräften und Nazipartei sowie zur Rolle der Juristen in der Weimarer Republik Die Autorin geht von der engen ideologischen Verwandtschaft zwischen konservativen Kräften der Weimarer Republik und der Nazipartei aus. Beiden waren zwei gleichermaßen antirepublikanische wie antidemokratische, in enger Wechselwirkung stehende Elemente eigen: der Antikommunismus und die „Dolchstoß“-Legende, nach der sich „die im Felde unbesiegten Soldaten des Kaisers“ im Ergebnis der Novemberrevolution zur Kapitulation gezwungen sahen. Wiederholt haben sowohl führende Nazis als auch Spitzenvertreter der Konservativen ihre „politische Neigungsehe“ bestätigt. So unterstrich der Nazi-RechtsWissenschaftler Ernst Forsthoff, das Bündnis beider Kräfte zu Beginn der zwanziger Jahre in Bayern habe „zwar sehr verschiedenartige Elemente enthalten“, gleichwohl sei man sich aber „in dem gemeinsamen Kampf gegen den Kommunismus und die .Berliner Judenregierung1 im wesentlichen einig“ gewesen.* 1 2 Wie sehr bürgerlich-konservative Politiker schon in der Weimarer Republik den aufkommenden Naziterror verharmlosten, belegt D. Majer am Beispiel des Abgeordneten Fritz Schäffer von der Bayerischen Volkspartei.3 Der spätere Minister im Kabinett Konrad Adenauers bezeichnete 1922 in einer Landtagsrede ein Jahr vor dem Münchener Hitlerputsch vom 9. November 1923 die Umtriebe der Nazis als „Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten“. Nachdem er den Marxismus als „Irrglauben“ und „Verrat am deutschen vaterländischen : Gedanken“ verleumdet hatte, verteidigte er die Gewaltakte der Nazis: „Wer will es da nicht verstehen, daß gerade hieraus eine junge neue Bewegung ersteht, die als besonderes Charakteristikum die antimarxistische Note hat? Sollen wir berufen sein, den Marxismus zu schützen, soll es unsere Aufgabe sein, dem Marxismus einen Gegner zu ersparen? Haben nicht auch wir die Überzeugung, daß der internationale Marxismus Verderben und Untergang von Staat und Volk bedeutet? Wir gehen in diesem Punkte mit dieser Bewegung vollkommen einig“ (S. 60).4 Daran zu erinnern, welche verhängnisvolle Rolle konservative Kräfte spielten, um die Nazibewegung salonfähig zu machen und ihr den Weg zu den Schalthebeln der Macht zu öffnen, ist nicht zuletzt deshalb aktuell, weil auch heute verschiedentlich in westlichen Ländern versucht wird, militante Neonazis trotz ihrer zum Teil spektakulären Wahlerfolge und ihrer zunehmend jüngeren und immer rabiateren Anhängerschaft als einflußlose Splittergruppen darzustellen.-5 6 Die Autorin zeigt in diesem Zusammenhang, in welchem Maße nach 1918 gerade Juristen dazu beigetragen haben, den Rechtsextremismus zu stärken: „Wie die anderen Machteliten lehnte die Justiz in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit die Weimarer Republik ab bzw. nahm sie als etwas hin, das so schnell als möglich wieder verschwinden müsse“ (S. 54). In der Tat wurde der Anteil der republikanisch eingestellten Richter auf allenfalls 5 Prozent geschätzt/' Gerade die Angehörigen der politischen Strafjustiz ermunterten durch ihre Spruchpraxis die gefährlichsten Elemente des rechtsextremen Spektrums, nämlich die Terroristen und Attentäter, zu immer neuen Gewaltakten. In vielen „politischen Strafprozessen kam eine höchst einseitige Justiz zum Ausdruck, die politische Morde und andere Terrorakte rechtsradikaler Täter sowie die mehr oder weniger offenen Vorbereitungen der äußersten Rechten (.Schwarze Reichswehr“, Freikorps usw.) zum gewaltsamen Umsturz nur sehr milde oder gar nicht bestrafte, mit übergroßer Härte aber gegen Täter von .links“ vorging“ (S. 54/55). Diese Feststellung kann nicht wundernehmen, wenn man die politische und klassenmäßige Struktur der Berufsjuristen der Weimarer Republik betrachtet: Politisch waren sie der antikommunistischen Hauptstoßrichtung des Faschismus (und oft auch dem Antisemitismus) zugetan, und soziologisch entstammten die Richter und Staatsanwälte vor allem jenen Schichten des Klein- und Mittelbürgertums, aus denen sich bald das Gros der Gefolgschaft der Nazis rekrutierte. Gerade diese Klassenstruktur hat maßgeblich dazu beigetragen, daß bereits im Frühjahr 1933 Angehörige dieses Berufsstandes der Nazipartei in Massen beitraten und die sich bis dahin stets als „unpolitisch“ darstellenden Richtervereine regelrecht zu den Hakenkreuzfahnen eilten.7 „Führerprinzip“, Nazipartei und Sonderrecht Elemente des Unrechtssystems Bei den restaurativen Kräften der Weimarer Republik verstärkte sich zunehmend die „Sehnsucht nach autoritären * D. Majer, Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems -Führerprinzip, Sonderrecht, Einheitspartei; Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin (West) /Köln'Mainz 1987; 254 Seiten. Die Autorin ist Professor für öffentliches Recht und an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mannheim sowie an der Universität Bern tätig. Sie verfaßte zahlreiche rechtshistorische und rechtsvergleichende Arbeiten. Dazu zählen vor allem: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich (Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Rechtsetzung und Rechtspraxis in Verwaltung und Justiz unter besonderer Berücksichtigung der eingegliederten Ostgebiete und des Generalgouvernements), Boppard 1981; Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik am Beispiel Österreichs und der Schweiz, Heidelberg 1987. 1 Seitenangaben im Text beziehen sich auf das Buch von D. Majer. 2 Deutsche Geschichte seit 1918 in Dokumenten mit verbindendem Text, herausgegeben und erläutert von E. Forsthoff, 2. Aufl., Stuttgart 1938, S. 259. 3 Schäffer gehörte dem Bayerischen Landtag von 1920 bis 1933 an. Ab 1929 war er Vorsitzender der Bayerischen Volkspartei. 1945 zählte er zu den Gründern der CDU in den westlichen Bcsat-zungszonen. Zwischen 1949 und 1961 war er in der BRD zunächst Finanz- und später Justizminister. In dieser Funktion initiierte er die 1960 in der BRD rechtswidrig ausgerufene Verjährung aller jener Naziverbrechen, die man dort nach innerstaatlichem Recht als Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB-BRD qualifizierte (vgl. dazu die Dokumentation „Die Haltung der beiden deutschen Staaten zu den Nazi- und Kriegsverbrechen“, Berlin 1965, S. 17 ff.). 4 Diese eindeutige Sympathiekundgebung bewahrte Schäffer freilich reichlich ein Jahrzehnt später nicht davor, selbst von den Nazis verfolgt und kurzzeitig inhaftiert zu werden. 5 Diese Feststellung übersieht durchaus nicht die Unterschiede, die es in den hier in Betracht kommenden westlichen Staaten im Vergleich zur Endphase der Weimarer Republik hinsichtlich des Grades der Organisiertheit der Neonazis und deren Massenwirksamkeit gibt. Sie berücksichtigt jedoch die Möglichkeiten der Verbreitung faschistoiden Gedankenguts, die aus der Massenarbeitslosigkeit vor allem junger Menschen, der damit einhergehenden sozialen Perspektivlos'igkeit, der Ausländerfeindlichkeit, dem Demokratieabbau und dem von bestimmten Medien verstärkt propagierten Antikommunismus erwachsen. 6 Vgl. dazu Th. Rasehorn, Justizkritik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1985, S. 73 ff. 7 Dabei soll freilich nicht übersehen werden, daß sich schon vor 1933 auch die soziale Zusammensetzung der Schöffen und Geschworenen von der der Berufsjuristen kaum unterschied.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 152 (NJ DDR 1989, S. 152) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 152 (NJ DDR 1989, S. 152)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit über die operative Personenkont rolle Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Gemeinsame Anweisung des Generalstaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, des Leiters der Abteilung Staatssicherheit Berlin zu gewährleisten daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die allseitige Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in den StrafVollzugseinrichtungen sowie Untersuchungshaftanstalten und bei der Erziehung der Strafgefangenen sind Ausbrüche, Entweichungen, Geiselnahmen, andere Gewalttaten xind provokatorische Handlungen sowie im Anschluß daran vorgesehene Angriffe gegen die Staatsgrenze der und Verdacht des Transitmißbrauchs; provokativ-demonstrative Handlungen soväe Unterschriften- sammlungen und andere Aktivitäten, vor allem von Antragstellern auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der und im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

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