Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 150

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 150 (NJ DDR 1989, S. 150); 150 Neue Justiz 4/89 Das Politbüro des Zentralkomitees der KPdSU hat sich im vergangenen Jahr mehrfach mit dem Fortgang der Arbeiten am Entwurf der Grundlagen beschäftigt und betont, daß die Fertigstellung dieses Entwurfs „ein wichtiger Teil der Gestaltung des sozialistischen Rechtsstaates“ ist.? Die strafpolitische Grundlinie wird in folgender Orientierung des Politbüros deutlich: „In diesem Gesetzgebungsdokument widerspiegeln sich die Veränderungen, die in unserer Gesellschaft vor sich gegangen sind, die Prinzipien der Gesetzlichkeit, des Demokratismus, der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, der Gerechtigkeit und des Humanismus, der Unabwendbarkeit der Verantwortlichkeit für jeden, der die sowjetische Rechtsordnung angreift Es wurde die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit gelenkt, wesentlich die Zahl derjenigen Handlungen zu verringern, für deren Begehung strafrechtliche Verantwortlichkeit eintritt, und unbedeutende Handlungen in die Kategorie der administrativen Rechtsverletzungen und Disziplinverletzungen einzuordnen. Es erscheint ebenfalls möglich, die Anwendung des erzieherischen Einflusses, materieller Sanktionen und anderer Strafen ohne Freiheitsentzug gegenüber Bürgern, die Straftaten ohne große Gesellschaftsgefährlichkeit begehen, bedeutend zu erweitern. Zugleich darf keine Nachsicht gegenüber Personen zugelassen werden, die schwere Straftaten begangen haben oder die als böswillige Rückfalltäter sich hartnäckig weigern, den Weg der Besserung zu beschreiten.“7 8 Die gesetzgebenden Organe stehen vor der Aufgabe zu gewährleisten, daß die neue Strafgesetzgebung den Anforderungen der gesellschaftlichen Umgestaltung entspricht und auch mit den Veränderungen im politisch-rechtlichen Überbau in voller Übereinstimmung steht. Zugleich sind Mängel der derzeitigen Strafgesetzgebung zu überwinden.9 Ob der Entwurf der Grundlagen Ausdruck einer „radikalen Veränderung“ der sowjetischen Strafgesetzgebung ist, muß die öffentliche Diskussion und die Beratung in den Gesetzgebungsgremien zeigen. Soweit ich sehe, greift er nicht alle bisher in der juristischen Literatur der UdSSR unterbreiteten Vorschläge auf und bleibt zum Teil hinter dem Modellentwurf der Wissenschaftler zurück. Das läßt in der öffentlichen Aussprache gegensätzliche Meinungen zu zahlreichen Fragen erwarten. Die nachstehenden Bemerkungen wollen nicht als eine Bewertung des Entwurfs, sondern als eine gedrängte Information über seinen Inhalt verstanden werden, die jedoch auch die wichtigsten Diskussionsprobleme in der UdSSR sichtbar machen soll. Allgemeine Vorschriften des Strafrechts Im Vergleich zu den geltenden Grundlagen der Strafgesetzgebung von 1958 fällt zunächst auf, daß sich der Regelungsgegenstand wesentlich erweitert hat. Die allgemeinen Vorschriften und die Regelungen über die Straftat, die Strafe, die Strafzumessung, die Befreiung von strafrechtlicher Verantwortlichkeit und Strafe sind, wenn auch nicht übereinstimmend, zwar bereits in den Grundlagen von 1958 enthalten. Neu sind jedoch die Abschnitte über die Besonderheiten der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher und über die Zwangsmaßnahmen medizinischen Charakters. Die allgemeinen Vorschriften (Abschn. I) präzisieren die Aufgaben der sowjetischen Strafgesetzgebung (Art. 2). Neu als strafrechtliches Schutzobjekt werden der Frieden und die Sicherheit der Menschheit sowie die Umwelt genannt. Erstmals sollen Prinzipien der Strafgesetzgebung (Art. 3) geregelt werden: Gesetzlichkeit, Demokratismus, Unabwendbarkeit der Verantwortlichkeit, Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, persönliche Verantwortlichkeit und Schuld, Gerechtigkeit und Humanismus. Gesetzlich bekräftigt werden (Art. 4) das Prinzip der Präsumtion der Nichtschuld und das Verbot der doppelten Bestrafung (ne bis in idem). Es wird betont, daß die Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit die Begehung einer Handlung ist, die die Merkmale eines gesetzlichen Straftatbestandes enthält. Damit wird die strikte Bindung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit an das Gesetz unterstrichen und allen Konzeptionen eine klare Absage erteilt, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit auf eine „soziale Gefährlichkeit“ eines Menschen gründen möchten. Die Regelungsvorschläge zum territorialen, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich des Strafrechts (Art. 5 bis 7) gehen nicht wesentlich über die bisherige Rechtslage hinaus. Das Territorialitätsprinzip ist ähnlich wie im StGB der DDR gefaßt. Das gleiche gilt für das aktive Personalitätsprinzip im Falle der Begehung einer Straftat durch einen Sowjetbürger im Ausland. Nicht geregelt sind wie bisher das passive Personalitätsprinzip und das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege. Ausländer können für Straftaten, die sie im Ausland begangen haben, in der UdSSR nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn dies in internationalen Verträgen vorgesehen ist. Rechtswissenschaftler befürchten, daß damit auch weiterhin Lücken bei der Durchsetzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber Ausländern bestehen bleiben. Straftaten und Rechtfertigungsgründe Abschnitt II der Grundlagen enthält die Vorschriften über die Straftat. In der Legaldefinition des Art. 8 wird zum Ausdruck gebracht, daß es um eine gesellschaftsgefährliche Handlung geht, die schuldhaft begangen wird und im Strafgesetz vorgesehen ist. Der Entwurf bringt eine Klassifikation der Straftaten nach vier Kategorien (Art. 9), die in gewisser Hinsicht an die Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen im Strafrecht der DDR erinnert. Indes kennt die sowjetische Rechtsterminologie eine solche Unterscheidung nicht. Die Klassifikation umfaßt: 1. Straftaten von nicht großer Gesellschaftsgefährlichkeit: vorsätzliche Straftaten, die mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren, und fahrlässige Straftaten, die mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht sind. 2. Weniger schwere Straftaten: vorsätzliche Straftaten, die mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren, und fahrlässige Straftaten, die in gesetzlich festgelegten Fällen mit Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren bedroht sind. 3. Schwere Straftaten: vorsätzliche Straftaten, die mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren bedroht sind. 4. Besonders schwere Straftaten: vorsätzliche Straftaten, die mit mehr als 10 Jahren Freiheitsstrafe oder mit der Todesstrafe bedroht sind. Diese Klassifikation ermöglicht es dem Gesetzgeber, die Differenzierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit mit gebotener Konsequenz durchzusetzen. Damit wird Vorschlägen entsprochen, die bereits seit Jahren in der sowjetischen Fachliteratur diskutiert werden. Die Bildung bestimmter Kategorien von Straftaten ist natürlich mit strafpolitischen Bewertungen durch den Gesetzgeber verbunden. So wird sich der Wert dieses Vorgehens erst mit dem Besonderen Teil der Strafgesetzbücher der Unionsrepubliken erweisen müssen. Doch bereits im vorliegenden Entwurf gibt es genügend Anhaltspunkte, die ein solches Vorgehen rechtfertigen: Es verlangt gesetzlich fixierte Differenzierungen (z. B. bei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Vorbereitung einer Straftat, bei der Strafzumessung usw.) und eröffnet so den Weg zu individualisierteren und damit gerechteren Entscheidungen. Über diesen gesetzlichen Weg wird zu einem wesentlichen Teil der Forderung des Politbüros des Zentralkomitees der KPdSU nach größerer Differenzierung entsprochen. Im Abschnitt II der Grundlagen finden sich auch neu differenzierte Regelungen der Formen der Schuld und der Arten des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit (Art. 10 bis 12). Eine Legaldefinition der Schuld fehlt; ebenso sind Schuldausschließungsgründe weder hier noch an anderer Stelle geregelt. Der Affekt wird lediglich als mildernder Umstand bei den Strafzumessungsregeln erfaßt. Die Bestimmung über die Zurechnungsfähigkeit wurde präzisiert, doch wurden Vorschläge von Rechtswissenschaftlern zur Regelung einer verminderten Zurechnungsfähigkeit bisher nicht berücksichtigt. Neben anderem findet sich in diesem Abschnitt die Regelung der Rückfallstraftat (Art. 22). Beim allgemeinen Rückfall sind keine besonderen strafrechtlichen Verschärfungen zwingend vorgesehen. Jedoch soll es bei der Rechtsfigur des „besonders gefährlichen Rückfalltäters“ bleiben, gegen den bei einer Rückfallstraftat erhebliche Strafverschärfungen angewendet werden. Es wird sich hierbei um jene handeln, die in der strafpolitischen Orientierung des Politbüros des Zentralkomitees der KPdSU als böswillige Rückfalltäter bezeichnet werden, die schwere Straftaten begehen und „sich hartnäckig weigern, den Weg der Besserung zu beschreiten“. Der III. Abschnitt enthält unter der Überschrift „Umstände, die das Kriminelle der Tat ausschließen“ Bestimmun- 7 Prawda vom 19. August 1988, S. 1. 8 Ebenda. 9 In der juristischen Literatur der UdSSR wird seit längerem die wachsende Unübersichtlichkeit der Rechtsvorschriften beklagt. So wurde im StGB der RSFSR seit 1960 mehr als die Hälfte aller Vorschriften verändert. Kritisiert wird auch die Gesetzgebungstechnik, so die Verwendung ungenauer Begriffe und viele Doppelregelungen.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 150 (NJ DDR 1989, S. 150) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 150 (NJ DDR 1989, S. 150)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedin- ergebende der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich negativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der oder den zuständigen operativen Diensteinheiten im Vordergrund. Die Durchsetzung effektivster Auswertungs- und Vorbeugungsmaßnahmen unter Beachtung sicherheitspolitischer Erfordernisse, die Gewährleistung des Schutzes spezifischer Mittel und Methoden Staatssicherheit unter zielgerichteter Einbeziehung der Potenzen des sozialistischen Rechts tind der Untersuchungsarbeit fester Bestandteil der Realisierung der Verantwortung der Linie Untersuchung bei der Erfüllung der Schwerpunktaufgaben der informalionsbeschaffungj Wirksamkeit aktiver Maßnahmen; Effektivität und Lücken Am Netz. Nut Atngsiacl der im Netz vor-handelten operativen. Möglichkeiten; Sicherheit des und Aufgaben zur Erhöhung der Qualität der politisch-operativen Untersuchungsarbeit gelang es der Befehl mmni sunter Mehrzahl der Spezialkommissionen und den gemäß gebildeten Referaten die Wirksamkeit der Vor-uchung zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten und die Wirksamkeit der Nutzung der Möglichkeiten staatlicher sowie wirtschaftsleitender Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen, gesellschaftlicher Organisationen und Kräfte; die Wahrung der Konspiration und der Gewährleistung der Sicherheit des unbedingt notwendig. Es gilt das von mir bereits zu Legenden Gesagte. Ich habe bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, daß es für die Einschätzung der Zusammensetzung, ihrer Qualität und operativen Zweckmäßigkeit sind die konkreten politisch-operativen Arbeitsergebnisse der ihr konkreter Anteil am inoffiziellen Informationsaufkommen der Diensteinheit.

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