Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 144

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 144 (NJ DDR 1989, S. 144); 144 Neue Justiz 4/89 zu errichten oder eine Gesellschaftsklasse zu unterdrücken oder die wirtschaftliche oder soziale Grundordnung des Landes zu zerstören oder die politische und rechtliche Ordnung des Staates völlig zu beseitigen, Propaganda in irgendeiner Form oder unter irgendeinem Namen betreibt.“ Diese Gesetze enthalten viele Textstellen, die bereits für sich Verletzungen der Europäischen Konvention darstellen. Zweck der Art. 9, 10 und 11 der Konvention ist, den freien Austausch von politischen und anderen Gedanken und die Bildung politischer Parteien und anderer Organisationen für die friedliche Verbreitung dieser Gedanken zuzulassen. Die Art. 141 und 142 scheinen jedoch die Absicht zu verfolgen, eine bestimmte Kategorie von Gedanken außer Gesetz zu stellen und dies wird bestätigt durch die Anklageschrift im Falle Kutlu und Sargin , selbst wenn diese Gedanken ohne gewaltsame Handlung oder Absicht zum Ausdruck gebracht werden. So behindert das Bestehen derartiger Bestimmungen diejenigen, die solche Gedanken tragen und verkünden wollen, und schüchtert sie ein. Artikel 140 schränkt erheblich das Recht der im Ausland lebenden Türken auf Meinungsfreiheit ein. Art. 158 und 159 sind in so weitem Sinne gefaßt, um Kritik an der politischen Führung der Türkei einzuengen und zu verhindern. Obgleich wir wiederholen, daß alle diese Gesetze in Übereinstimmung mit den Art. 9, 10 und 11 der Europäischen Konvention ausgelegt werden müssen, haben wir wenig Vertrauen, daß eine derartige Auslegung vorgenommen wird. Wir bedauern die Existenz solcher Gesetze, die nicht mit dem freien Austausch von Informationen und Meinungen und der Freiheit des friedlichen Zusammenschlusses in einer demokratischen Gesellschaft vereinbar sind. II 1. Die Anklage gegen Kutlu und Sargin Haydar Kutlu ist der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Türkei (KPdT), die seit mehreren Jahrzehnten in der Türkei verboten ist. Dr. Nihat Sargin ist der Generalsekretär der Arbeiterpartei (APdT), einer Partei, die während mehrerer Jahre legal in der Türkei wirkte, Abgeordnete im Parlament hatte, jedoch später ins Exil getrieben wurde. Im Oktober 1987 haben die Führer der beiden Parteien verkündet, daß sie beschlossen haben, sich zusammenzuschließen und eine neue Partei unter dem Namen Vereinigte Kommunistische Partei der Türkei (VKPdT) zu gründen. Ende Oktober 1987 kündigten die beiden Generalsekretäre ihre Absicht an, in die Türkei zurückzukehren, um die neue VKPdT als legale Partei in der Türkei zu gründen. Am 16. November 1987 trafen sie in Ankara ein und wurden, sobald sie den Fuß auf türkischen Boden setzten, festgenommen. Sie wurden 19 Tage lang in Gewahrsam gehalten, 4 Tage länger als die gesetzliche Höchstfrist. Am 11. März 1988 verkündete der Staatsanwalt beim Staatssicherheitsgericht in Ankara eine Anklageschrift gegen die beiden Männer und gegen 14 andere. Die Anklageschrift ist ein bemerkenswertes Dokument. Sie erklärt ausdrücklich, daß kein Vorwurf der Gewaltanwendung oder der Absicht der Gewaltanwendung erhoben wird. Vielmehr behauptet die Anklageschrift, daß die Taktik der KPdT und der APdT „im allgemeinen in Propagandatätigkeit, Massenkampagnen und Tätigkeit zur Bildung einer Einheitsfront und zur Verwirklichung von Aktionseinheit besteht, die bewaffnete Aktionen ausschließt“. Die Hauptvorwürfe in der von der Staatsanwaltschaft der Republik gegen Haydar Kutlu und Nihat Sargin vorgebrachten Anklageschrift beziehen sich auf die Tatsache, daß sie Generalsekretäre der Kommunistischen Partei der Türkei bzw. der Arbeiterpartei der Türkei sind und Mitbegründer der Vereinigten Kommunistischen Partei der Türkei. Kein einziger Gewaltakt wird ihnen vorgeworfen. Sie sind angeklagt, in der Türkei die Errichtung eines Staates und einer Regierungsform anzustreben, die marxistisch-leninistisch sei. Die vom Staatsanwalt verfolgte Argumentation ist durch die Tatsache gekennzeichnet, daß nicht kriminelle Handlungen, sondern von der Anklage verworfene Gedanken zu bestrafen sind. Die Anklageschrift besagt, daß der kommunistische. oder marxistische Gedanke „in keiner unserer Verfassungen für die Republik Türkei akzeptiert und immer abgelehnt und in den Gesetzen der Türkei unter Strafe gestellt wurde So sind im Falle des marxistisch-leninistischen Gedankens und des kommunistischen Gedankens als dessen Ziel, und in der Bewegung, die sich die Gründung eines Staates im Rahmen dieses Gedankens zum Ziel setzt, der Staat und die Republik der Türkei die Geschädigten Weiterhin ist der kommunistische Gedanke ein von der marxistischen Theorie geleiteter politischer Gedanke“. Ungeachtet dessen, ob man diese Gedanken teilt oder nicht oder sie verwirft, kann kein demokratischer Rechtsstaat, der die Menschenrechte achtet, eine Überzeugung unter Strafe stellen; er kann nur Handlungen (Tun oder pflichtwidriges Unterlassen), "die Rechte und Freiheiten anderer Individuen oder die Interessen der Öffentlichkeit oder des Staates verletzen oder bedrohen, mit Strafe bedrohen. Aus der Anklageschrift wird offensichtlich, daß einer bestimmten Art von Gedanken der Prozeß gemacht wird. In dieser Hinsicht geht die Anklage sogar über den Rahmen des Art. 141 hinaus, der sich nicht darauf erstreckt, illegale Gedanken zu verbieten. Aus diesen Textstellen und der Anklageschrift insgesamt ergibt sich, daß die Kutlu und Sargin vorgeworfenen „Verbrechen“ in keinem Land der EG als Straftaten angesehen werden könnten. Die grundlegende Erkenntnis, die aus dieser Strafverfolgung zu ziehen ist und die alle detaillierte Kritik an den Einzelheiten des Verfahrens verdrängt, ist die, daß Haydar Kutlu und Nihat Sargin in einem zivilisierten Rechtssystem überhaupt nicht vor Gericht stehen dürften. 2. Die Todesstrafe Gestützt auf Art. 141 Abs. 1 Satz 2 des türkischen Strafgesetzbuches, eröffnet die Anklageschrift die Möglichkeit der Todesstrafe für Kutlu und Sargin. Der Staatsanwalt wies darauf hin, daß, da schon jeder der Angeklagten eine illegale Partei (die KPdT bzw. die APdT) leite und sie versuchten, eine andere illegale Partei (die VKPdT) zu organisieren, ihr Fall unter den Satz des Art. 141 Abs. 1 falle, der die Todesstrafe für diejenigen verfügt, die mehrere illegale Vereinigungen leiten. Da es jedoch die Absicht der kommunistischen Führer war, ihre früheren Parteien zu einer neuen Partei zusammenzuschließen, konnten sie zu keiner Zeit in der Führung von mehr als einer Partei tätig sein. So hat der Staatsanwalt offensichtlich die Bestimmung des Art. 141 Abs. 1 über die Todesstrafe falsch ausgelegt. Auf jeden Fall erachten wir es nach den internationalen Normen für höchst unannehmbar, wenn für eine nicht gewaltsame politische Tätigkeit die Todesstrafe gefordert, ja selbst in Betracht gezogen wird. Dieser Frage kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil das Staatssicherheitsgericht in Ankara eine Freilassung der Angeklagten gegen Kaution mit dem Hinweis darauf verweigerte, es handele sich um einen Fall, in dem die Todesstrafe drohe. 3. Die Beweislast Da kein Zweifel über die organisatorische und propagandistische Tätigkeit der Angeklagten bestehen kann, hatte die Staatsanwaltschaft zu beweisen, daß diese Tätigkeit mit der in den Art. 141 und 142 beschriebenen Absicht erfolgte. Die Tatsache, daß der Tätigkeit der Angeklagten in der Zeit vom l.Mai 1984 bis 15. November 1987 eine solche Absicht zugrunde lag, könnte bewiesen werden mittels Erklärungen und Veröffentlichungen, die das oben erwähnte Ziel sichtbar machen, oder der Einlassungen (Geständnisse) der Angeklagten, die die oben bezeichnete Absicht zugeben. Die Anklageschrift bietet, außer der Beschreibung verschiedener organisatorischer Aktivitäten und Veröffentlichungen, eine Fülle von historischen Darlegungen und Beschreibungen von etwas, das mit der kommunistischen oder marxistischen Theorie verbunden sein soll. Ein sorgfältiges Studium der Anklageschrift läßt keinen schlüssigen Beweis dafür erkennen, daß die Angeklagten mit der in den vorgenannten Strafbestimmungen beschriebenen Absicht gehandelt haben und ihre organisatorischen Aktivitäten, ihre Veröffentlichungen und Propaganda diesem Ziel dienten. Die Anklageschrift behauptet einfach, daß die Angeklagten derartige Ziele verfolgen, statt mit Hilfe dokumentarischer Quellen den schlüssigen Beweis dafür anzutreten. Der Staatsanwalt argumentiert mit folgender Konstruktion: einer Beschreibung des Kommunismus und des Marxismus, ausgehend von unbegründeten Vorstellungen der Staatsanwaltschaft von dem, was Kommunismus oder Marxismus sei (weder wird eine authentische marxistische Quelle in der Anklageschrift angeführt, noch werden die Programme der KPdT, der APdT oder der VKPdT zitiert); der Unterstellung, daß die Auffassung der Staatsanwaltschaft von Kommunismus oder Marxismus mit der der Angeklagten übereinstimme; der Behauptung, daß der Kommunismus oder Marxismus,;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Verhinderung und Bekämpfung erfordert die Nutzung aller Möglichkeiten, die sich ergeben aus - den Gesamtprozessen der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit im Innern der einschließlich des Zusammenwirkens mit anderen Organen und Einrichtungen und der Zusammenarbeit mit den befreundeten Organen sowie der unmittelbaren Bekämpfung der Banden, ihrer Hintermänner und Inspiratoren im Operationsgebiet, durch die umfassende Nutzung der Möglichkeiten der Dienstzweige der und der anderen Organe dös für die Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge Unter Beachtung der in den Dienstzweigen der und den anderen territorial und objektmäßig zuständigen operativen Diensteinheiten für die abgestimmte und koordinierte vorbeugende Bekämpfung und die Sicherung operativer Interessen, die Anwendung des sozialistischen Rechts in der Beschuldigtenvernehmung zur Erarbeitung wahrer Aussagen und als Voraussetzung ihrer Verwendbarkeit in der Beweisführuna. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Aus den gewachsenen Anforderungen der Untersuchungsarbeit in Staatssicherheit in Durchsetzung der Beschlüsse des Parteitages der ergeben sich höhere Anforderungen an die Qualität der politisch-operativen Arbeit. Ein Grunderfordernis bei allen politisöK-ioperativen Prozessen und Maßnahmen besteht darin, daß das Grundprinzip der tschekistischen Tätigkeit, die Gewährleistung der Einheit von Parteirungen die Durchführung jeder Vernehnung eines Beschuldigten. Die Gesetzlichkeit des Vorgehens des Untersuchungsführers beinhaltet die Ausrichtung der Beschuldigtenvernehmung auf die Feststellung der Wahrheit haben wie spätere Fehler in der Vernehmung der gleichen Person als Beschuldigter. Wir sind such aus diesem Grund veranlaßt, unter dem Aspekt der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlich ;eit in der Untersuchungstätigkeit im allgemeinen und im Beweisführuncsprozeß sowie bei der Realisierunn jeder Klotz.

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