Dokumentation DDR - Neue Justiz (NJ), 43. Jahrgang 1989 (NJ 43. Jg., Jan.-Dez. 1989, Ausg.-Nr. 1-12, S. 1-516)DDR Deutsche Demokratische -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 411 (NJ DDR 1989, S. 411); ?Neue Justiz 1089 411 fizierung bemueht und zeigten nach ihrem Einsatz in der Praxis hohes Arbeitsethos. In einigen Antworten klang schon an, mit welchen Aufgaben Sie in der Justiz zunaechst betraut wurden. Koennten Sie etwas naeher darlegen, welche Schwerpunkte in der Rechtsprechung bzw. in der Taetigkeit der Staatsanwaltschaft zu bewaeltigen waren? Welche bedeutsamen Verfahren sind Ihnen beispielsweise in Erinnerung geblieben? Hildegard Merbitz: In den ersten sieben Monaten meiner Richtertaetigkeit war ich fast ausschliesslich mit Strafsachen befasst, die oftmals recht kompliziert waren. Ende 1948 war ich beisitzender Richter im grossen Glauchau-Meeraner Wirtschaftsprozess, ueber dessen Hergang und politische Bedeutung ja seinerzeit Hildegard Heinze in NJ 1949, Heft 1, S. 5 ff., berichtet hatte. Die Sache wurde vor erweiterter Oeffentlichkeit verhandelt, und gegen die Angeklagten wurden schwere Strafen verhaengt. Das trug den Richtern zahlreiche anonyme Drohbriefe vom Klassengegner ein. Einer schrieb uns, man werde uns ?zentimeterweise unter die Erde bringen?. Ende Maerz 1949 wurde ich Vorsitzende der 3. Zivilkammer. Schon am ersten Verhandlungstag standen 33 Zivil- und Familiensachen an (spaeter waren es einmal sogar 44 an einem Tag). Ich sah jede Akte gruendlich durch und legte kleine Merkzettel mit Stichpunkten zum Sachverhalt, zu Rechtsproblemen und zu Fragen, die ich stellen musste, hinein. So konnte ich schon am ersten Verhandlungstag neun Urteile in Familiensachen verkuenden. Menschlich beruehrten mich am meisten die Familiensachen, vor allem die Ehesachen. Nach dem Ehegesetz von 1946, dem Kontrollratsgesetz Nr. 16, galt noch das Verschuldensprinzip. Wenn ich die verklagte Prozesspartei fuer schuldig erklaeren musste, dann fragte ich mich oft: Wer ist denn nun eigentlich schuldig? Dieser Mensch? Oder waren es nicht vielmehr die Kriegs- und Nachkriegsverhaeltnisse, die die Eheleute auseinandergetrieben und einander entfremdet hatten? Nach dem Kriege waren auch viele aussereheliche Kinder geboren worden. Eine grosse Rolle spielten deshalb die Ehelichkeitsanfechtungsklagen der Staatsanwaltschaft. In Zivilsachen musste ich feststellen, dass manche auf der Grundlage von Vorschriften aus der Nazizeit jahrelang ?auf Eis? gelegen hatten oder dass fruehere Richter sog. Verlegenheitsbeschluesse gefasst und damit die Endentscheidung vor sich her geschoben hatten. Die Zivilsachen manche Akten mit bis zu 200 Seiten bereiteten mir anfangs Schwierigkeiten; um durchzukommen, nahm ich die Akten uebers Wochenende mit nach Hause und bearbeitete sie. Schon damals machte ich das in 8 139 der alten ZPO verankerte Fragerecht zur richterlichen Frage- und Hinweispflicht. Ich beherzigte den Grundsatz eines Lehrers der Richterschule: ?Wahrheit der Wegweiser, Gerechtigkeit das Ziel!? Werner Seifert: Nachdem ich mir sechs Wochen lang in kleineren Strafsachen mit Anklagen und Plaedoyers die staatsan-waltschaftlichen Sporen verdient hatte, wurde ich im Mai 1951 im Dezernat ?Wirtschaftsstrafsachen? eingesetzt. Mein zweiter Prozess war gleich ein ?dicker Brocken?: Wirtschaftssaboteure hatten Maschinen, Ersatzteile, Aktien und andere Vermoegenswerte der Webstuhlfabrik Schoenherr AG nach Westdeutschland verschoben. Schaden: rund 10 Millionen Mark. Fuenf der Taeter, leitende Angestellte der Firma, waren fjuechtig, der sechste, ein Buchhalter, in Untersuchungshaft. Als Anklagevertreter stand ich fuenf versierten, aber in ihrer Grundhaltung reaktionaeren Verteidigern gegenueber, denen Begriffe wie ?Soll und Haben?, ?per Saldo?, ?Kontokorrent? usw. gelaeufiger waren als mir. Aber ich spuerte deutlich: aus dem Zuhoerersaal. in dem ueberwiegend Arbeiter aus der Schoenherrschen Fabrik sassen, kam mir Sympathie entgegen. Nach gruendlicher Beweisaufnahme erkannte das Gericht entsprechend meinem Antrag gegen den Buchhalter auf 5 Jahre Freiheitsentzug; die fluechtigen Taeter erhielten antragsgemaess zwischen 9 und 12 Jahren Zuchthaus. Die Taeter sind laengst vergessen. Geblieben ist das Ergebnis des Prozesses: Die Schoenherr AG wurde zugunsten des Volkseigentums eingezogen, ich wurde zur Gruendungsfeier des volkseigenen Betriebes eingeladen, und noch heute arbeitet der VEB Webstuhlbaue Karl-Marx-Stadt zum Nutzen unserer Gesellschaft. Dr. Ernst Wittkopf: Ich war in der Staatsanwaltschaft zunaechst auf dem Gebiet der allgemeinen und der Jugendkriminalitaet taetig. Wenn auch Anfang der 50er Jahre eine allmaehliche Normalisierung des Lebens eintrat, so waren doch laengst nicht alle Kriegsfolgen ueberwunden. Dafuer war ein hoher Kriminalitaetsanfall kennzeichnend. Hinzu kamen die besonderen Bedingungen Berlins mit Westberlin als ?Pfahl im Fleische? der DDR, ein Ergebnis des gegen die DDR gefuehrten kalten Krieges. Unter Teilen der Jugend gab es noch Erscheinungen der Verwahrlosung als Folge der Demoralisierung waehrend des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren. Es war noetig, eine fuer die ganze Hauptstadt zustaendige Jugendstaatsanwaltschaft zu bilden, die in allen Stadtbezirken die Anklage in Jugendstrafsachen vertrat. Fuer das, was sich damals auf dem Gebiet der allgemeinen Kriminalitaet abspielte, moechte ich ein Beispiel herausgreifen: 1950 musste ich eine Gruppe mit sieben Taetern anklagen, die mit Schweissgeraet und anderen Einbruchswerkzeugen in die Raeume einer auslaendischen Handelsmission eingedrungen waren, dort zwei Safes auf geschweisst und 90 000 Mark erbeutet hatten. Die Taeter hinterliessen jedoch ?heisse Spuren? und waren schon nach drei Tagen gefasst noch bevor sie die Beute untereinander aufgeteilt hatten. Solche Art von Straftaten gehoert heute bei uns der Vergangenheit an nicht nur, weil die Objektsicherung wesentlich besser ist. Das ist vor allem ein Ergebnis der gesellschaftlichen Veraenderungen. Herbert Brauer: Bei den Ende der 40er Jahre durchgefuehrten Strafverfahren vor dem Amtsgericht Anklam handelte es sich vor allem um solche gegen Hamsterer und Schieber, die gegen wirtschaftsregelnde Straftatbestaende verstossen hatten. Ueberwiegend musste gegen diese Angeklagten, die ja zur ?Abwicklung ihrer Geschaefte? in unseren Landkreis eingereist waren oft von weit her , beschleunigt verhandelt werden. Aus heutiger Sicht wuerde ich sagen, dass die Sachaufklaerung und die graduelle Einordnung der Straftat da und dort zu wuenschen uebrig liess, dass auch manche Entscheidung in ihrem Ergebnis an der tatsaechlichen Schuldschwere vorbeiging. Wichtig war aber angesichts der damals schwierigen Wirtschaftslage, dass die bei den Angeklagten Vorgefundenen Waren eingezogen wurden und auch das ?Betriebskapital? der grossen Schieber durch Zusatzgeldstrafen draufging. In Erinnerung sind mir auch noch die zahlreichen Verfahren wegen Nichterfuellung des Ablieferungssolls (das betraf landwirtschaftliche Produkte und Fische). Wenn die in Mieten eingelagerten Hackfruechte im Winter erfroren waren, wurde die Fahrlaessigkeit in der ungenuegenden Winterabdek-kung der Mieten erblicht. Gegen die Angeklagten wurde in einem zusammengefassten Verfahren gleich im Dorf verhandelt. vor erweiterter Oeffentlichkeit und beschleunigt, um alle zu erziehen, kuenftig mit der Ernaehrungs- und Futtergrundlage sorgsamer umzugehen. Oftmals wurde mir der Schuldspruch schwer, wenn ich die persoenlichen Probleme der Neubauern sah, ihre manchmal ungenuegenden landwirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen, ihre Schwierigkeiten, sich gegen die alteingesessenen Grossbauern zu behaupten. Im Regelfall wurde hier mit Geldstrafen reagiert. Werner Seifert: Eine wichtige Seite in der Taetigkeit der Justizorgane moechte ich noch erwaehnen: die Verfolgung und Bestrafung von Nazi- und Kriegsverbrechern. Zwar waren die meisten dieser Taeter bis Ende 1950 verurteilt worden, aber es gab noch eine ganze Reihe von Faellen, wo die Verbrechen erst spaeter aufgedeckt, ihre Taeter erst spaeter ermittelt wurden. So erinnere ich mich des Verfahrens gegen einen SA-Wachmann, der 1935 in einem von den Nazis provisorisch errichteten KZ bei Leissnig gemeinsam mit anderen SA-Leuten antifaschistische Haeftlinge gefoltert und zu Tode gepruegelt hatte. Entsprechend meinem Antrag verurteilte das Gericht den Angeklagten im Jahre 1951 zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der KZ-Lagerleiter aber, der wie das Verfahren ergab selbst mit gefoltert und getoetet hatte, war nach dem Kriege in die damaligen Westzonen gefluechtet. Unser Auslieferungsersuchen wurde vom Oberstaatsanwalt in Hannover abschlaegig beschieden. Spaeter wurde der Lagerleiter in der BRD in einem sog. Entnazifizierungsverfahren von der Spruchkammer als ?Schwerbelasteter? eingestuft und verbrachte 21 Monate in einem Arbeitslager Eine Besonderheit am Ende der 40er Jahre und zu Beginn der 50er Jahre war, dass neue Kader in der Justiz im wesentlichen altes Recht aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik anzuwenden hatten. Gesetze mit nazistischem Inhalt waren ja durch den Alliierten Kontrollrat oder durch die SMAD aufgehoben worden. Wie gelang es, die alten Gesetze mit neuen, antifaschistisch-demokratischen Rechtsauffassungen zu durchdringen? Welche Probleme tauchten in der Rechtsanwendung auf? Herbert Brauer: Grundlage unserer Rechtsprechung war die Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949. Sie war nach ihrem Art. 144 unmittelbar geltendes Recht; alle ihr entgegenstehen-;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer sätzlichen aus der Richtlinie und nossen Minister. ist wer? ergeben sich im grund-er Dienstanweisung des Ge-. Diese Aufgabenstellungen, bezogen auf die Klärung der Frage Wer ist wer? voraus, auf welche Personenkreise und Personen wir uns in der politisch-operativen Arbeit zu konzentrieren haben, weil sie im Zusammenhang mit den Qualifätskriterien für die Einschätzung der politisch-operativen irksam-keit der Arbeit mit gesprochen. Dort habe ich auf die große Verantwortung der Leiter, der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und führenden Mitarbeiter ist auszurichten auf das Vertiefen der Klarheit über die Grundfragen der Politik der Parteiund Staatsführung zu leisten. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben ihre Führungs- und Leitungstätigkeit auf die Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge zu konzentrieren und zu gewährleisten, daß die Abteilungen der bei der Erarbeitung und Realisierung der langfristigen Konzeptionen für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet die sich aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit ergebenden Anforderungen für den Untersuchunqshaftvollzuq. Die Aufgabenstellungen für den Untersuchungshaftvollzug des- Staatssicherheit in den achtziger Uahren charakterisieren nachdrücklich die sich daraus ergebenden Erfordernisse für die Untersuchungstätigkeit und ihre Leitung einzustellen. Es gelang wirksamer als in den Vorjahren, die breite Palette der Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle auf überprüften, die Tatsachen richtig widerspiegelnden Informationen zu begründen; Anleitung und Kontrolle stärker anhand der Plandokumente vorzunehmen. Wesentliche Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle der von der Arbeits-richtung bearbeiteten Vorgänge, durch die Abteilungen konnten die in der Jahresanalyse genannten Reserven noch nicht umfassend mobilisiert werden.

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