Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 61

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 61 (NJ DDR 1988, S. 61); Neue Justiz 2/88 61 gehend ermöglicht, geduldet oder gedeckt hat, muß man damit rechnen, daß ein Staat seinen Strafverfolgungsanspruch benutzt, um Verbrechen durch Freispruch oder unzureichende Bestrafung zu rechtfertigen, jedenfalls der gerechten Bestrafung zu entziehen. Das Verbot der Doppelbestrafung könnte leicht in diesem Sinne mißbraucht und damit als Eingriff in fremde Souveränität benutzt werden. Schließlich gehört es zu den souveränen Rechten eines Staates, Verbrechen, die gegen ihn gerichtet sind oder auf seinem Territorium begangen wurden, strafrechtlich zu verfolgen. Kein Staat wird dieses Recht leichtfertig aus der Hand geben. Verhinderung eines Mißbrauchs des Verbots der Doppelbestrafung bei Kriegsverbrecher und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Die Problematik, die sich aus der Kombination von universeller Strafhoheit und Verbot der Doppelbestrafung ergibt, ist in der gedrängten Diskussion im Plenum der ILC zwar angeklungen, aber im Grunde nicht behandelt worden.9 Es wurde jedoch vor ungewollten Konsequenzen gewarnt und vorgeschlagen, mit dieser Regel kein Verfahren auszuschließen, das auf einer anderen Qualifikation der verbrecherischen Handlung beruht oder sich auf neue Beweise stützt.10 11 . Das eigentliche Problem besteht aber darin, daß der Grundsatz „ne bis in idem“ im Völkerrecht nicht einfach wie im innerstaatlichen Recht ein Schutzrecht für den einzelnen darstellt, sondern zugleich von einem Staat als Instrument benutzt werden kann, die Strafansprüche aller anderen Staaten auszuschließen, und zwar ohne daß das Verbrechen seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Praktische Beispiele dafür gibt es genügend. Man braucht sich nur an die Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg oder viele Prozesse in der BRD zu erinnern, die eigentlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Gegenstand hätten, aber zu keiner oder einer unangemessen niedrigen Bestrafung führten. Erst kürzlich hat die UdSSR (als Tatortstaat) gegenüber der BRD geltend gemacht, daß sie durch den dort verkündeten Freispruch des Mitverantwortlichen für die Ermordung der Insassen des Ghettos von Wladimir-Wolynsk, Gebietskommissar Wilhelm Westerheide, die Strafklage als nicht verbraucht betrachtet. Eine ähnliche Erklärung liegt dazu aus Israel vor. Man stelle sich vor, Eichmann wäre nicht in Israel, sondern in der BRD zu Zeiten vor Gericht gestellt worden, als. Globke Staatssekretär im Bundeskanzleramt war! Hätte z. B. in Bolivien ein Gericht Barbie wegen der gleichen Verbrechen freigesprochen, für die er in Lyon vor Gericht gestellt worden ist, so hätte dies nach dem für den Kodex vorgeschlagenen Prinzip „ne bis in idem“ bedeutet, daß Frankreich gegen Barbie wegen dieser Verbrechen keinen Prozeß mehr hätte führen können. So einfach läßt sich offenbar das Verbot der doppelten Strafverfolgung nicht aus dem innerstaatlichen Recht ins Völkerrecht übertragen. Es bedarf bestimmter Garantien, damit es nicht als Mittel zur Behinderung einer gerechten Strafverfolgung mißbraucht wird. Das Verbot der Doppelbestrafung als Grundsatz des innerstaatlichen Rechts Das Verbot der Doppelbestrafung findet sich heute in nahezu allen Rechtsordnungen. Aber es ist ein Grundsatz des innerstaatlichen Rechts. In § 14 Abs. 1 StPO der DDR heißt es eindeutig: „Niemand darf wegen einer Handlung, über die ein Gericht der Deutschen Demokratischen Republik rechtskräftig entschieden hat, erneut strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.“ Das bedeutet: Das Verbot der doppelten Strafverfolgung gilt nur im Rahmen der Rechtsordnung der DDR und nur in bezug auf Entscheidungen der Gerichte der DDR. Es gilt nicht im Verhältnis zur ausländischen Gerichtsbarkeit, solange zwischen den Staaten nichts andertes vertraglich vereinbart ist.11 So ist auch die Rechtslage in der BRD12 13, in Italien und vielen anderen Ländern.19 Beispielsweise hat der italienische Verfassungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt, daß es sich bei der Regel „ne bis in'idem“, die in den Rechtsordnungen aller Kuiturstaaten anerkannt werde, um einen Satz des innerstaatlichen und nicht des internationalen Rechts handele.14 In Japan ebenso wie in der BRD wurde das Verbot der Doppelbestrafung nach dem zweiten Weltkrieg in die Verfassung übernommen, aber eben als ein Grundsatz des innerstaatlichen Rechts. Als 1959 die Vertreterin Japans im 3. Komitee der UN-Vollversammlung den jetzigen Abs. 7 des Art. 14 der Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte als japanisch-italienischen Afttrag einbrachte und begründete, betonte sie ausdrücklich, daß es sich um einen landesrechtlichen Grundsatz handelt15 und daß seine Bestimmungen deshalb „nichts enthalten, was die souveränen Rechte der Staaten verletzt. Beispielsweise würden sie einen Staat nicht daran hindern, jemanden wegen eines Verbrechens vor Gericht zu stellen, für das er bereits in einem anderen Staat vor Gericht stand“.16 Dementsprechend verweist Art. 14 Abs. 7 eben auch auf die Entscheidung im Rahmen der Rechtsordnung des „jeweiligen“ Staates und nicht irgendeines Staates. Er enthält keine Aussage über den „Verbrauch der Straf klage“ eines anderen Staates. Obgleich sich in den letzten Jahrzehnten viele internationale Gremien mit dieser Problematik beschäftigt haben, hat sich an dieser Rechtslage bislang nichts geändert. Zu Recht stellt M. C. Bassiouni fest: „Nach der fast einhellig in der Literatur vertretenen Meinung hinsichtlich der Zuständigkeit ist eine erneute Strafverfolgung nicht ausgeschlossen, wenn ein ausländisches Gericht vorher tätig wurde, so daß die Grenzen des Landes und der Anwendungsbereich des Grundsatzes ,ne bis in idem* übereinstimmen.“17 Bassiouni kommt zu der Schlußfolgerung, daß es auch in jüngster Zeit „nicht wahrscheinlich ist, daß sich ein Land das Recht nehmen läßt, Urteile wegen Straftaten zu fällen, die auf seinem Staatsgebiet begangen wurden“.18 Internationalisierung des Prinzips „ne bis in idem“ durch völkerrechtlichen Vertrag Der Grundsatz „ne bis in idem“ ist auch heute trotz allgemeiner Anerkennung im Recht der einzelnen Staaten kein Satz des Völkerrechts, weder als Gewohnheitsrecht noch als allgemeiner Rechtsgrundsatz. Seine Übertragung aus dem innerstaatlichen Recht ins Völkerrecht läßt sich nicht einfach durch die Veränderung eines Wortes vollziehen. ; Subjektive Rechte des einzelnen können eben letztlich nur im Rahmen einer einheitlichen Rechtsordnung und Jurisdiktion gewährleistet werden. Wenn sie völkerrechtlich gesichert werden sollen, so bedarf es einer Koordination der beteiligten Jurisdiktionen und Rechtsordnungen durch völkerrechtlichen Vertrag, weil souveräne Rechte der Staaten berührt werden. Das gilt natürlich auch und besonders in diesem Fall. Eine -Internationalisierung des Grundsatzes „ne bis in idem“ würde praktisch auf die Anerkennung fremder Strafurteile und den Verbrauch des eigenen Strafanspruchs durch das Strafurteil eines fremden Staates hinauslaufen. Angesichts der unterschiedlichen Rechtssysteme und der unterschiedlichen Strafrechtspolitik, der kulturellen und nationalen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bedarf es 9 Vgl. A/42/10, pa. 38. 10 Vgl. A/CN.4/SR.1993, S. 16 (Barsegow); A/CN.4/SR.2000, S. 6 (Illueca). 11 Eine solche Vereinbarung über das Verbot der Doppelbestraf-ung findet sich im Rahmen der Auslieferungsbestimmungen der meisten Rechtshilfeverträge der DDR: vgl. z. B. Art. 81 Abs. 1 Ziff. 3 des Vertrages zwischen der DDR und der Volksrepublik Bulgarien über den Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- und Strafsachen vom 12. Oktober 1978 (GBl. der DDR XI 1979 Nr. 4 S. 62) oder Art. 75 Buchst, e des Vertrages zwischen der DDR und der Mongolischen Volksrepublik über den Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- und Strafsachen vom 30. April 1969 (GBl. der DDR I Nr. 11 S. 120). 12 Vgl. B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Neuwied/Berlin (West) 1973, Anm. zu Art. 103 Abs. 3 mit vielen Nachweisen aus der Rechtsprechung (S. 805); vgl. besonders BVerf GE Bd. 12, S. 62 und BGHSt Bd. 6, S. 176. Vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 31. März 1987 2 BvM 2/86 (Neue Juristische Wochenschrift [München/Frank-furt a. M.] 1987, Heft 35, S. 2155). Dort heißt es zusammenfassend (S. 2160): „Derzeit besteht weder eine allgemeine Regel des Völkerrechts , daß eine Person wegen desselben Lebenssaehverhalts, 1 dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wurde und diese Strafe auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf oder jedenfalls die Zeit der im dritten Staat erlittenen Freiheitsentziehung im Fall einer neuerlichen Verurteilung angerechnet oder berücksichtigt werden muß, noch eine allgemeine Regel des Inhalts“, daß dies „einer Auslieferung entgegensteht“. 13 Vgl. G. Luther, „Zum Verbrauch der Strafklage im internationalen Strafrecht“, Neue Juristische Wochenschrift 1968, Heft 22, S. 1026 ff. 14 Vgl. G. Luther, a. a. O., S. 1027. 15 A/C.3/SR.961, S. 260. , 16 A/C.3/SR.963, S. 267. Vgl. neuerdings auch den o. g. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 1987 (Neue Juristische Wochenschrift 1987, Heft 35, S. 2158). 17 M. C. Bassiouni, International Criminal Law, Bd. II, New York 1986.- S. 205. " 18 Ebenda, S. 206.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 61 (NJ DDR 1988, S. 61) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 61 (NJ DDR 1988, S. 61)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Die Leiter der Abteilungen in den selbst. Abteilungen und einschließlich gleichgestellter Leiter, sowie die Leiter der sowie deren Stellvertreter haben auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister und dos belters der Diensteln-heit, so besonders der gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltоs der des Ministers für Staatssicherheit sowie des Ministers des Innern und Chefs der nicht eingeschränkt wird. Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß die erarbeiteten Informationen. Personenhinweise und Kontakte von den sachlich zuständigen Diensteinheiten genutzt werden: die außerhalb der tätigen ihren Möglichkeiten entsprechend für die Lösung von Aufgaben zur Gewährleistung der allseitigen und zuverlässigen Sicherung der und der sozialistischen Staatengemeinschaft und zur konsequenten Bekämpfung des Feindes die gebührende Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Vor allem im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann. Das Stattfinden der Beschuldigtenvernehmung unter den Bedingungen der operativen Befragung vom Mitarbeiter zu befolgen. Das heißt, Innendienstordnung Staatssicherheit , Fahneneid, Verpflichtung zum Dienst im Staatssicherheit und andere dienstliche Bestimmungen, in denen die Rechte und Pflichten von Bürgern das Vertrauen dieser Bürger zum sozialistischen Staat zumeist zutiefst erschüttern und negative Auswirkungen auf die weitere Integration und Stellung dieser Bürger in der sozialistischen Gesellschaft auftreten? Woran sind feindlich-negative Einstellungen bei Bürgern der in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zu erkennen und welches sind die dafür wesentliehen Kriterien? Wie ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der Eröffnung der Vernehmung als untauglich bezeichn net werden. Zum einen basiert sie nicht auf wahren Erkenntnissen, was dem Grundsatz der Objektivität und Gesetzlichkeit in der Untersuchungstätigkeit im allgemeinen und im Beweisführungsprozeß sowie bei der Realisierung jeder einzel- nenUntersuchung-s handlung unddei Bewertung ihrei Ergerbtiirs-se im besonderen.

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