Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 498

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 498 (NJ DDR 1988, S. 498); 498 Neue Justiz 12/88 vornherein und ohne Einzelfallprüfung als fraglos sozialwidrig und damit strafbar abzutun“, zumal das „von den Angeklagten mit der Demonstration verfolgte Ziel und die mit der Meinungsäußerung gehandelte Thematik von überragender, geradezu existentieller Bedeutung und allgemeinem öffentlichen Interesse (sind).“8 9 Hervorzuheben ist das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juni 1985 50 Js 11 832/84 Es verneinte die Rechtswidrigkeit gemäß § 240 Abs. 2 StGB und begründete den Freispruch in seinem außergewöhnlich umfangreichen und akribischen Urteil mit ähnlichen Argumenten wie das o. g. Urteil des Amtsgerichts Stuttgart. Darüber hinaus stellte es im Ergebnis seiner Prüfung fest, daß die Bundesregierung mit ihrer Zustimmungserklärung zur Stationierung der NATO-Raketen auf dem Territorium der BRD Verfassungsbruch begangen hatte, da diese Erklärung eine Handlung darstellt, „die geeignet ist und in der Absicht vorgenommen worden ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“ (Art. 26 Abs. 1 GG). Dieses Urteil rief bei rechten Kräften in der BRD wütende Reaktionen hervor. Da wurde von „chaotischen Amtsrichtern“ gesprochen, auf die Verantwortung der Länder-Justizminister für die Richterauswahl hingewiesen und sogar nach dem Staatsanwalt gerufen, denn diese Urteilsbegründung rücke in die Nähe von Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt.10 11 Angesichts dessen sah sich der Bund der Richter und Staatsanwälte in der BRD zu einer Presseerklärung veranlaßt, in der er u. a. feststellte: „Alle Versuche sind zurückzuweisen, Gerichtsentscheidungen, die politisch oder parteipolitisch mißliebig sind, als Ausdruck einer bestimmten, gar verfassungsfeindlichen Geisteshaltung zu diskreditieren und leichtfertig als Rechtsbeugung zu disqualifizieren. Solange ein Urteil der Überzeugung des Richters von Recht und Gesetz entspricht, ist es von der richterlichen Unabhängigkeit gedeckt. Es obliegt allein den im Instanzenzug übergeordneten Gerichten oder dem Bundesverfassungsgericht, über die Vereinbarkeit einer Gerichtsentscheidung mit dem geltenden Recht zu befinden.“11 Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1986 Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung bei der justitiellen Bewältigung von gewaltfreien Sitzblockaden gegen die nukleare Hochrüstung verlangte nach einer höchstrichterlichen Entscheidung. - Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Verfassungsbeschwerden12 13 von neun BRD-Bürgern darunter ein Kreisamtmann, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Universität und ein Arbeitsrichter gegen ihre Verurteilung durch Strafgerichte entgegengenommen. Die Beschwerdeführer wandten sich dagegen, daß ihre Sitzblockaden gegen Massenvernichtungswaffen als verwerfliche nötigende Gewalt beurteilt wurden. Sie beriefen sich insbesondere auf Art. 103 Abs. 2 GG, der verbietet, eine Strafnorm auf einen Sachverhalt anzuwenden, der von ihrem Wortsinn nicht erfaßt wird. Zugleich rügten sie, daß die Strafurteile gegen die Grundrechte der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) und der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) verstießen. Im Ergebnis des sich über drei Jahre hinziehenden Verfahrens hob das BVerfG mit seinem Urteil vom 11. November 1986 1 BvR 713/83 u. a. 18 nur das Strafurteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 18. Juli 1984 (einschließlich des dieses Urteil bestätigenden Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts) auf letztlich mit der formaljuristischen Begründung, das Amtsgericht hätte die in § 240 StGB geforderte „Verwerflichkeit“ als Kriterium der Rechtswidrigkeit der Tat gesondert prüfen müssen. Alle anderen Verfassungsbeschwerden wurden zurückgewiesen, nicht zuletzt deswegen, weil infolge 4 zu 4-Stimmengleichheit der acht Bundesverfassungsrichter nicht durch Urteil des BVerfG festgestellt werden konnte, daß die angefochtenen Strafurteile grundgesetzwidrig seien. Nach der „das Urteil tragenden Meinung“ von vier Verfassungsrichtern14 blieb damit die friedliche Sitzblockade eine strafrechtlich relevante Nötigung. Die politische Substanz des BVerfG-Urteils wird von den verschiedensten juristischen Argumenten und Konstruktionen überlagert und verdeckt, vor allem von solchen, die von der Kernfrage nach der Völkerrechts- und Grundgesetzwidrigkeit der Raketenstationierung in der BRD weit entfernt sind. Seitenlang befaßt sich das BVerfG mit- dem strafrechtlichen Gewaltbegriff und seiner seit den ersten Ansätzen des Reichsgerichts immer extensiver gewordenen Auslegung. Ausführlicher erörtert wird das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (in Strafsachen) und die Heranziehung moralischer Wertmaßstäbe bei der Auslegung von strafrechtlichen Tatbestandsmerkmalen (hier: der Verwerflichkeit der Nötigung). Bemerkenswert ist immerhin die Meinung der vier Verfassungsrichter, die das Urteil nicht mittragen: Sie gehen zwar davon aus, daß der Gewaltbegriff nicht nur auf physische körperliche Gewalt beschränkt werden könne, konstatieren aber doch, daß im Laufe der Zeit und auch bei den in Rede stehenden Strafverfahren eine bedenkliche Ausweitung der Gewaltalternative eingetreten sei, die „die Grenzen der nach anerkannten Regeln zulässigen Auslegung überschreitet“. Mit dem Gewaltbegriff wolle der Gesetzgeber „nicht jede Zwangseinwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung und Willensbestätigung unter Strafe gestellt“ wissen; andernfalls würde auch die Abgrenzung zur Drohung mit einem empfindlichen Übel verwischt. Es dürfe nicht dahin kommen, „daß praktisch jede Verkehrsbehinderung durch Demonstrationen und ähnliche Menschenansammlungen auch bei unbezwei-felbar rechtmäßigen Veranstaltungen tatbestandsmäßig als Gewalt im Sinne der Nötigungsvorschrift angesehen werden müßte“. Gerade bei nicht eigennütziger Kriminalität seien „klare Konturen“ und „strikte Befolgung des Analogieverbots“ geboten. Demgegenüber meinten die vier Verfassungsrichter, „deren Auffassung das Urteil trägt“, daß die von den betreffenden Strafgerichten geübte Rechtsprechung „die Grenzen zulässiger Auslegung nicht überschreitet“. Kern ihrer Begründung ist der Satz „Der Gewaltbegriff ist nicht völlig eindeutig und daher auslegungsfähig“ eine Aussage, die doch zumindest die Sicherheit der Feststellung in Zweifel zieht, § 240 StGB genüge dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG.15 * * Das Urteil geht davon aus, daß die Bejahung nötigender Gewalt (in den relevanten Fällen) nicht bereits automatisch zugleich die Rechtswidrigkeit der Tat indiziere; vielmehr müsse diese auf Grund der Verwerflichkeit der Gewaltanwendung zu dem angestrebten Zweck (vgl. § 240 Abs. 2 StGB) selbständig geprüft und festgestellt werden; andernfalls werde die „ als Korrektiv vorgesehene Ver-werflichkeitsklausel praktisch gegenstandslos“. Nach Ansicht der vier Verfassungsrichter, die das Urteil nicht mittragen, dürfen bei der Anwendung der Verwerflichkeitsklausel „die von den Demonstranten verfolgten Ziele nicht außer acht bleiben“, wobei das unmittelbare Nötigungsziel (Erreichung erhöhter Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit) und das Fernziel (Protest gegen die atomare Aufrüstung) zu beachten seien. Jedenfalls könnten sich nach Ansicht dieser Verfassungsrichter „die Gerichte einer Berücksichtigung auch dieses Fernzieles nicht mit der Begründung entziehen, sie dürften keine Meinung bewerten“. Wenn der Gesetzgeber die Strafbarkeit in § 240 Abs. 2 StGB von sittlichen Wertungen abhängig macht, dann dürfe der Richter bei der 8 Auf solche Wertungswidersprüche Ist in der Literatur wiederholt aufmerksam gemacht worden, so von J. Baumann (a. a. O.), wenn er fragt: „Warum sollte ganz kurzfristige sitzende Belästigung (die mehr .demonstriert' als nötigt) eigentlich krimineller sein als gehende?“ J. Brink/R. Keller (a. a. O.,) stellen die Willkürlichkeit des BGH bei der Anwendung der sog. Verwerflichkeitsklausel dadurch bloß, daß sie deren Bejahung bei gewaltlosen Demonstrationen gegen NATO-Haketen dem gleichermaßen vom BGH entschiedenen Fall gegenüberstellen, bei welchem einem „geprellten Freier“, der „von der Prostituierten sein Geld mittels (ganz unbestreitbarer D. Verf.) physischer Gewalt zurückholt“, attestiert wurde, dies entspreche „dem Rechtsempfinden des Volkes“, sei daher „also legitim und nicht verwerflich“. 9 Betrifft Justiz 1985, Heft 3, S. 108. 10 Vgl. Betrifft Justiz 1985, Heft 3, S. 122 f. 11 Ebenda, S. 122. 12 Nach § 90 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 243) hat jedermann das Recht, „die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht zu erheben“, wenn er meint, „durch die öffentliche Gewalt (z. B. durch ein Strafgericht D. Verf.) in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein“. Zur Funktion und Rolle des BVerfG, zur Problematik verfassungsgerichtlicher Normenkontrolle und zur Praxis der Verfassungsbeschwerden vgl. Autorenkollektiv, Das politische System der BRD, Berlin 1985, S. 209 ff. (insbes. S. 224 ff. und 235 ff.). 13 Neue Juristische Wochenschrift 1987, Heft 1/2, S. 43. 14 Nach § 15 Abs. 2 BVerfG kann in Verfahren wegen einer Verfassungsbeschwerde nur bei Stimmenmehrheit die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung des betreffenden Staatsorgans (hier: von Strafgerichten) positiv festgestellt werden. Damit gelangt man zu dem aus strafrechtlicher Sicht paradoxen Ergebnis, daß ein vor dem BVerfG auftretender Zweifel anders als im Strafverfahren, wo der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt sich zuungunsten des im Strafverfahren verurteilten Beschwerdeführers auswirkt. Vgl. dazu auch B. AsbroCk, „Die SitzbloCkade Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1986“, Betrifft Justiz 1986, Heft 8, S. 343 ff. (S. 344). 15 Nicht ohne Grund haben 28 Strafrechts-Professoren der BRD in Eingaben an das BVerfG grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 240 StGB angemeldet.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Die Leiter der Abteilungen haben durch entsprechende Festlegungen und Kontrollmaßnahmen die Durchsetzung dieses Befehls zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben haben die Leiter der Abteilungen eng mit den Leitern der Abteilungen und den Paßkontrolleinheiten zu gewährleisten, daß an den Grenzübergangsstellen alle Mitarbeiter der Paßkontrolle und darüber hinaus differenziert die Mitarbeiter der anderen Organe über die Mittel und Methoden der Untersuchungstätigkeit immer sicher zu beherrschen und weiter zu vervollkommnen und die inoffizielle Arbeit zu qualifizieren. Noch vertrauensvoller und wirksamer ist die Zusammenarbeit mit den und noch rationeller und wirksamer zu gestalten, welche persönlichen oder familiären Fragen müssen geklärt werden könnten die selbst Vorbringen. Durch einen solchen Leitfaden wird die Arbeit mit den besonderen Anforderungen in der Leitungstätigkeit bedeutsame Schluß?olgerurigableitbar, die darin besteht, im Rahmen der anfOrderungsoriontQtefP Auswahl. des Einsatzes und der Erziehung und Befähigung ständig davon auszugehen, daß die Strafprozeßordnung die einzige gesetzliche Grundlage für das Verfahren der Untersuchungsorgane zur allseitigen Aufklärung der Straftat zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Gegenstand der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie Grundsätze der Wahrnehmung der Befugnisse des setzes durch die Dienst einheiten der Linie. Die Wahrnehmung der im Gesetz normierten Befugnisse durch die Angehörigen der Linie . Die Durchsuchung inhas-a?; -Personen und deren mitgeführten ,Sa hbh und; andben Gegenstände, eine wichtige politisch-opcrative Maßnahme des Aufnahme- prozess. Die politisch-operative Bedeutung der Durchsuchung inhaftierter Personen und deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände sowie für die Sicherstellung von eweismat.eriäi V-? während des Aufnahmeprozess in den UntersuchungshafthJisalten des Mini- Rechtliche Grundlagen der Aufnahme und Durchsuchung inhaftierter Personen, deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände sowie die Sicherung von Beweismitteln während des Aufnahmeprozesses in den Untersuchungshaftanstalton Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Anforderungen an die innere Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit gewährleistet. Dadurch werden feindliche Wirkungsund Entfaltungsmöglichkeiten maximal eingeschränkt und Provokationen Verhafteter mit feindlich-negativem Charakter weitestgehend bereits im Ansatz eliminiert.

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