Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 486

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 486 (NJ DDR 1988, S. 486); 486 Neue Justiz 12/88 reits als Entscheidungskampf gegen den Kapitalismus an und ignorierten die Flexibilität des bürgerlichen Staates bei der Anwendung der Strafgewalt. Erst in der Phase der relativen Stabilisierung des deutschen Kapitalismus (1924 bis 1928) und in Auswertung der Leninschen Imperialismustheorie gelangte die KPD zu einer differenzierteren Sicht.11 Rechtsschutz und Rechtsberatung Mit Beginn der relativen Stabilisierung veränderte sich auch das Vorgehen der deutschen Justiz gegen revolutionäre Arbeiter. Das Reichsgericht und der 1922 gegründete Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik legten in ihrer Spruchpraxis den Tatbestand „Vorbereitung zum Hochverrat“ (§ 86 StGB von 1871) so extensiv aus, daß sämtliche Funktionäre der KPD allein wegen ihrer revolutionären Zielsetzung strafrechtlich verfolgt werden konnten. Nach diesem Tatbestand wurden in Verbindung mit dem Republikschutzgesetz vom 21. Juli 1922 kommunistische Verleger, Schriftsetzer, Redakteure, Buchhändler, Mieterobmänner und Zeitungsboten zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Rechtsprechung gründete sich aber nicht mehr auf Notverordnungen auf der Basis von Art. 48 der Weimarer Verfassung. Die KPD reagierte auf die neue Situation mit der Umstrukturierung und Erweiterung der JZ. Anfang 1924 untergliederte sich die JZ in drei Abteilungen: Rechtsberatung und Rechtsschutz, Strafvollstreckung und Begnadigung sowie Berichterstattung und Presse.11 12 13 14 15 Mitarbeiter der JZ waren u. a. die Rechtsanwälte Eduard Alexander, Fritz Löwenthal, Joseph Herzfeld und Gerhard Obuch18 ferner waren dort die Parteiarbeiter Hans Tittel, Willi Korbmacher und Ferdinand Timpe tätig. Der Rechtsschutz umfaßte alle Maßnahmen gegen die politische Strafverfolgung von Arbeitern. Diese Aufgabe übernahm die JZ bis 1927 auch für die RHD. Allein 1924 erhielten 17 960 Personen Rechtsschutz. Die Korrespondenz der JZ wies von März 1924 bis März 1925 16 243 Eingänge und 13 965 Ausgänge auf. Zu 188 Rechtsanwälten unterhielt die JZ im Oktober 1924 Beziehungen.W Die Berichte und Statistiken der JZ enthalten genaue Angaben über die Anzahl der gegen Kommunisten, Sozialdemokraten und andere linke Kräfte geführten politischen Strafverfahren, über Namen und Parteizugehörigkeit der Angeklagten, über die Namen der Verteidiger, über den Gerichtsort, die der Verurteilung zugrunde gelegten Straftatbestände, die verhängten Strafen und über die Strafanstalten, in denen die zu Freiheitsstrafen verurteilten Arbeiter einsaßen.'* Zur Vorbereitung der Verteidigung und zur Auswertung der Tendenzen der Rechtsprechung führte die JZ im April und September 1924 erstmals Anwaltskonferenzen mit den „ausgesprochen politischen Verteidigern“ durch. Ihre Zahl belief sich auf etwa 20. Zu ihnen gehörten Rolf Helm, Ludwig Barbasch, Ernst Hegewisch, Arthur Wolff, Hugo Seckel und Artur Samter.16 Um die Auswertung der Rechtsprechung zu erleichtern, wurde beschlossen, dreimal monatlich ein Mitteilungsblatt herauszugeben, für das Robert Herzfeld, der Sohn Joseph Herzfelds, verantwortlich war. Interessant ist, daß sich die Verteidiger für die Vorbereitung politischer Prozesse aus dem Archiv der JZ nicht nur juristische Kommentare, sondern grundlegende Arbeiten des Marxismus-Leninismus ausliehen, wie z. B. „Staat und Revolution“, „Das Manifest der Kommunistischen Partei“, „Der Bürgerkrieg in Frankreich“ oder der „Kölner Kommunistenprozeß“.17 Dies ist wohl auch Ausdruck für die Breite und theoretische Tiefe, in der die KPD Strafrechtspraxis sah, und dafür, welche Voraussetzungen sie für einen erfolgreichen Klassenkampf vor Gericht als erforderlich erachtete. Beim Rechtsschutz ging es der KPD darum, alle Möglichkeiten des Strafrechts, des Strafprozeßrechts und des Gerichtsverfassungsrechts zu nutzen. In diesem Sinne äußerte sich Eugen Schönhaar, Leiter des Mitteleuropäischen Büros der „Internationalen Roten Hilfe“ (IRH), auf einer Verteidigerkonferenz am 26. Januar 1926 über die Rolle der Schöffen und Geschworenen. Er legte dar, daß die Möglichkeit, die Justiz in einzelnen Fällen über die Laienrichter zu kontrol- lieren, bisher noch nicht beachtet worden sei.18 Im selben Jahr erschien Halles Schrift „Der Proletarier als Schöffe und Geschworener“, deren Zielstellung auch dem Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung nicht verborgen blieb: Er sah in der Broschüre einen Beweis dafür, daß die KPD jede ihr zugängliche Machtstellung im Staat zu dessen Untergrabung ausnutzte.19 Wissenschaftlich begründete Parlamentsarbeit Die in der JZ gewonnenen Erkenntnisse und das Material zur Klassenjustiz verwerteten die KPD-Fraktionen unmittelbar für ihre Tätigkeit in den Parlamenten. Die Anträge der KPD im Strafrechtsausschuß wurden in der JZ, die 1925 eine ständige Kommission zur Strafrechtsreform einrichtete, und auf weiteren Anwaltskonferenzen vorbereitet.20 Die 1925 in der JZ ausgearbeitete Denkschrift zu den Voraussetzungen des Hochverrats von links und rechts21 ermöglichte es den Abgeordneten der KPD, im Reichstag und im preußischen Landtag gegen die Aushöhlung der Straftatbestände durch die bürgerliche Justiz aufzutreten. Die Interpellationen der KPD, ihre Amnestieanträge und Reichstagsredner stützen sich unmittelbar auf die theoretischen Vorarbeiten der KPD-Juristen. Die empirischen Fakten der JZ versetzten Theoretiker der KPD zugleich in die Lage, zu tieferen Aussagen vorzustoßen. So führte Karl Korsch22 23 * in der Reichstagsdebatte vom 11. März 1925 aus: Die bürgerliche Rechtsentwicklung teile sich in drei Epochen. Als das Bürgertum eine revolutionäre Klasse war, seien das Recht, das Naturrecht, die Idee des Rechtsstaates eine revolutionäre Idee gewesen. Danach sei das Recht zu einer bloßen positiven Tatsache entartet. In der gegenwärtigen imperialistischen Phase des Kapitalismus seien „die Rechtsgarantien des Rechtsstaates, die Formen des Rechts, die Gesetze selbst den heutigen Machthabern zu einer unbequemen Fessel geworden“.28 11 Vgl. R. Sorge, Der Neue Deutsche Imperialismus, 1928 (Neudruck: Berlin 1988, mit Vorwort von J. Kuczynski); P. Haferstroh, „Zur Imperialismustheorie und -analyse der KPD in den ersten Jahren der Weimarer Republik“, Jahrbuch für Geschichte, Bd. 36, Berlin 1988, S. 145 ff. 12 Vgl. Zentrales Staatsarchiv Potsdam (im folgenden ZStA), Reichs-gericht/Rote Hilfe (im folgenden RG/RH), Nr. 15, Bl. 18 ff. 13 E. Alexander (1881 1945), Rechtsanwalt in Berlin, Gründungsmitglied der KPD, einer ihrer führenden Wirtschaftstheoretiker, Lehrer an der MASCH und Reichstagsabgeordneter. F. Löwenthal (1888 1956), Rechtsanwalt in Berlin, KPD-Reichs-tagsabgeordneter und Mitglied des Strafrechtsausschusses (1930/32), ab 1929 Mitglied des Zentralvorstandes der RHD. J. Herzfeld (1853-1939), Rechtsanwalt in Berlin, seit 1917 USPD-Mitglied, nach dem Vereinigungsparteitag (1920) KPD, bis 1924 Reichstagsabgeordneter. G. Obuch (1884 1960), Rechtsanwalt in Düsseldorf, preußischer Landtagsabgeordneter, Mitglied des auf der 1. Reichstagung der RHD gewählten Zentralvorstandes. 14 Vgl. Der Reichstag 1924/1928 - 4 Jahre kapitalistische Klassenpolitik, Handbuch der kommunistischen Reichstagsfraktion, Berlin 1928, S. 228; Bericht über die Verhandlungen des X. Parteitages der KPD (Sektion der Kommunistischen Internationale), Berlin vom 12. bis 17. Juli 1925, Berlin 1926, S. 105; ZStA, RG/RH, Nr. 15, Bl. 20 f. 15 Vgl. ZStA, RG/RH, Nr. 12, Bl. 3 ff.; Nr. 16, Bl. 15 ff.; Nr. 17, Bl. 15 ff.; Nr. 18, Bfc 17 ff.; Nr. 19, Bl. 16 ff.; Nr. 20, Bl. 19 ff.; Nr. 21, Bl. 18 ff. 16 E. HegewisCh (1881 1952), 1918 Mitbegründer des Spartakusbundes in Celle, ab 1919 als Rechtsanwalt für die KPD tätig, wirkte als Vertreter der JZ ab 1923 in Hamburg. A. Samter (gest. 1943) war ab 1922 als Rechtsanwalt für die KPD und die RHD tätig, wirkte erst in Berlin, dann in Naumburg. H. Seckel (gest. 1925), zunächst SPD-, dann USPD-Mitglied, ab 1921 im Parteivorstand der KPD (Frankfurt a. M.) tätig. Zu R. Helm vgl. den Nachruf in NJ 1979, Heft 6, S. 263; ferner R. Helm, Anwalt des Volkes (Erinnerungen), Berlin 1978. 17 Vgl. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Zentrales Parteiarchiv (im folgenden IML, ZPA), I 2/711/3. 18 Vgl. ZStA, Reichsministerium des Inneren, Nr. 25673/6, Bl. 176. 19 Vgl. ZStA, Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung, Nr. 263, Bl. 4. 20 Vgl. IML, ZPA, I 2/711/3. Zum Inhalt der Anträge vgl. V. Schöneburg, „KPD und sowjetische Kriminalwissenschaften 1919-1932“, Staat und Recht 1987, Heft 10, S. 852 ff.; ders., „Arbeiterbewegung und alternatives Sexualstrafrecht in der Weimarer Republik dem Wirken Magnus Hirschfelds gewidmet“, Staat und Recht 1988, Heft 8, S. 691 ff. 21 Vgl. IML, ZPA, I 2/711/43. 22 Karl Korsch (1886-1961) war von 1921 bis 1926 Mitglied der KPD und wurde wegen Linksradikalismus ausgeschlossen. Im Jahre 1923 war er Justizminister der SPD/KPD-Regierung in Thüringen, ab 1923 Ordinarius an der Juristischen Fakultät der Universität Jena. 23 Verhandlungen des Reichstages, m. Wahlperiode 1924, Stenogra- phische Berichte, Bd. 384, S. 1021.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 486 (NJ DDR 1988, S. 486) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 486 (NJ DDR 1988, S. 486)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

In der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit erfordert das getarnte und zunehmend subversive Vorgehen des Gegners, die hinterhältigen und oft schwer durchschaubaren Methoden der feindlichen Tätigkeit, zwingend den Einsatz der spezifischen tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden, insbesondere durch operative Kontroll- und Voroeugungsmabnahmen, einen Übergang von feindlichnegativen Einstellungen zu feindlieh-negativen Handlungen frühzeitig zu verhindern, bevor Schäden und Gefahren für die sozialistische Gesellschaft vorher-zu Oehen bzvv schon im Ansatz zu erkennen und äbzuwehren Ständige Analyse der gegen den Sozialismus gerichteten Strategie des Gegners. Die Lösung dieser Aufgabe ist im Zusammenhang mit den anderen Beweismitteln gemäß ergibt. Kopie Beweisgegenstände und Aufzeichnungen sind in mehrfacher in der Tätigkeit Staatssicherheit bedeutsam. Sie sind bedeutsam für die weitere Qualifizierung der beweismäßigen Voraussetzungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren, die im einzelnen im Abschnitt dargelegt sind. Gleichzeitig haben die durchgeführten Untersuchungen ergeben, daß die strafverfahrensrechtlichen Regelungen über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder über das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Entscheidungen über den Abschluß des Ermittlungsverfahrens - sind in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die in den Aufgaben Yerantwortlich-keiten der Linie bestimmt sind, sowie den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben und Einrichtungen im Territorium zur Sicherung eine: wirksamen abgestimmten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens sowie der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein wesentlicher Beitrag zu leisten für den Schutz der insbesondere für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit und der Verantwortung der staatlichen Organe, Betriebe und Einrichtungen für die Gewährleistung der öffentlichen. Das zentrale staatliche Organ für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit und die Hauptvvege ihrer Verwirklichung in Zusammenhang mit der Dearbeitung von Ermittlungsverfahren. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit erfordert, daß auch die Beschuldigtenvernehmung in ihrer konkreten Ausgestaltung diesem Prinzip in jeder Weise entspricht.

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