Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 410

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 410 (NJ DDR 1988, S. 410); 410 Neue Justiz 10/88 Staat und Recht im Imperialismus Die Verfassungssituation Frankreichs 30 Jahre Verfassung der V. Republik Prof. Dr. sc. EKKEHARD LIEBERAM, Institut für internationale Studien der Karl-Marx-Universität Leipzig Am 4. Oktober 1958 trat mit ihrer Veröffentlichung im „Journal Officiel“ die Verfassung der V. Französischen Republik vom 28. September 1958 in Kraft. Die damit in die Wege geleiteten Veränderungen der Staatsorganisation so heben bürgerliche Verfassungsrechtler hervor „markieren einen Bruch in der Verfassungsentwicklung seit 1870. Sicherlich bekennt sich die Verfassung vom 4. Oktober 1958 zum fundamentalen Prinzip des parlamentarischen Regimes, der politischen Verantwortung der Regierung vor dem Parlament, aber sie organisiert sie nach ganz anderen Verfahren als die zwei vorhergehenden Regimes“.1 Marxistische französische Staatswissenschaftler weisen darüber hinaus auf die tiefgreifenden inhaltlichen, autoritären Wandlungen im Klassenwesen der Staatsmacht hin, die sich mit dem Übergang zur V. Republik vollzogen haben: die Schaffung einer politischen Ordnung im Sinne der großen Kapitalgesellschaften, die „die Arbeiterklasse und ihre Repräsentanten“ zu neutralisieren sucht, die Etablierung von „autoritären Mechanismen, die geeignet sind, der Bourgeoisie den politischen Erfolg zu bringen, den sie brauchte“.1 2 Das Ende der IV. Republik und die Entstehung der V. Republik Die Verfassung der V. Republik erwuchs aus der Kritik und dem Unbehagen großbürgerlicher Kreise an der IV. Republik und deren Verfassung vom 27. Oktober 1946, an dem in ihr verankerten Prinzip der Oberhoheit des Parlaments, an den für diese Kreise oft unübersichtlichen, schnell wechselnden Regierungskonstellationen, an der stets latenten Möglichkeit, daß in der Nationalversammlung linke und zentristische Parteien ihren Antikommunismus überwinden und gemeinsam mit den parlamentarisch starken Kommunisten, gestützt auf demokratische Verfassungsgebote, grundlegende gesellschaftliche Veränderungen einleiten. Eine geeignete Situation, um die Verfassung von 1946 und mit ihr die IV. Republik zu Grabe zu tragen, entstand mit dem Putsch französischer Truppen in Algerien am 19. Mai 1958, der nachfolgenden Besetzung Korsikas durch Fallschirmjäger und deren drohenden Landung in Paris. Charles de Gaulle erklärte sich bereit, seine Autorität als führende Persönlichkeit der Resistance einzusetzen, um diese Staatskrise zu überwinden. Am 1. Juni 1958 von der Nationalversammlung als Regierungschef bestätigt, nutzte er die ihm übertragenen Vollmachten, um das gesamte Regierungssystem umzugestalten. Der Weg dafür war frei, als die Nationalversammlung zwei Tage später mit 361 gegen 161 Stimmen den Art. 80 der Verfassung von 1946 aufhob und die Kompetenz für Verfassungsänderungen von der Nationalversammlung auf die Regierung übertrug. Eine kleine Gruppe des Staatsrates arbeitete in enger Konsultation mit de Gaulle und seinen Ministern einen Verfassungsentwurf aus, der dann im Staatsrat, in einem „Konsultativen Verfassungs-Beirat“ (Conseil Consultatif Constitutionnel) und im Ministerrat beraten und präzisiert wurde.3 In einem Referendum am 28. September 1958 sprachen sich 79,25 Prozent der Abstimmenden für die neue Verfassung aus. Nur 40 Prozent von ihnen erklärten in Meinungsumfragen, der Verfassung wegen ihres Inhalts zugestimmt zu haben; 41 Prozent gaben an, dies wegen der Persönlichkeit de Gaulles getan zu haben.4 „Die IV. Republik starb an ihrem Antikommunismus.“5 Nicht etwa wegen des Übergewichts der Rechtsparteien, son- dern infolge des äntikommunistisch motivierten Ausschlusses der FKP von jeder Regierungstätigkeit fehlte in der Nationalversammlung eine Mehrheit für demokratische und soziale Veränderungen. Die IV. Republik konnte als „immobil“, als beherrscht von einem „Regime zerstrittener Parteien“ hingestellt werden. Die bürgerlichen und in der Mehrheit auch die sozialistischen Abgeordneten folgten de Gaulle. Die Volksmassen waren überwiegend nicht bereit, sich aktiv für die Verteidigung einer Republik einzusetzen, die sich nicht fähig zeigte, in ihrem Interesse Politik zu machen. Die Grundlinie wie auch wichtige Detailregelungen der neuen Verfassung waren lange vor 1958 konzipiert worden. Als ihr eigentlicher geistiger Vater gilt Michel Debre, der noch während der faschistischen Besetzung Frankreichs zusammen mit Emmanuel Moniek, dem späteren Gouverneur der Bank von Frankreich, als Vordenker des großbürgerlichen Flügels der Resistance in Verfassungsfragen das Konzept einer Präsidialrepublik entwickelt hatte.6 Debre, später Premierminister unter de Gaulle, leitete im Sommer 1958 die Ausarbeitung der Verfassung der V. Republik. An der Spitze des Staates, so hatte er bereits 1943/44 gefordert, müßte „ein wahrhafter republikanischer Monarch“ stehen, ausgestattet mit vielfältigen Vollmachten, insbesondere auch mit der Kompetenz, die Nationalversammlung aufzulösen. Das Parlament müßte in seinen Rechten stark beschränkt werden, „damit es aufhört, die Regierung daran zu hindern zu regieren“. Das „Defizit“ an parlamentarischer Stabilität sollte überdies mittels eines „guten Wahlgesetzes“ behoben werden.7 Charles de Gaulle griff genau mit diesem Programm in die Diskussion um die Verfassung der IV. Republik ein, nachdem der erste Verfassungsentwurf in einem Referendum am 5. Mai 1946 keine Mehrheit gefunden hatte. Er plädierte damals allerdings erfolglos dafür, daß die Exekutive nicht aus dem Parlament hervorgeht und der von ihm favorisierte starke Präsident an der Spitze des Staates ein „nationales Schieds-amt“ erhält, „das über den politischen Ungewißheiten steht und inmitten aller Berechnungen und Intrigen der Kontinuität Geltung verschafft“.8 ' 1958 bestimmten diese Vorstellungen, die von de Gaulle und seinen Anhängern nie aufgegeben worden waren, die Ausarbeitung der Verfassung der V. Republik bzw. gingen direkt in ihren Text ein. Debre und de Gaulle bekräftigten ihr Konzept zur Sicherung der Staatsautorität, zur Disziplinierung der Nationalversammlung und zur Zurückdrängung störender politischer Aktivitäten der Parteien und ihrer Führungen. Der Dualismus zwischen Präsident und Premierminister Die herausragende Stellung des Präsidenten der Republik, sein Verhältnis zum Premierminister und die Stellung beider zum Parlament (bestehend aus der Nationalversammlung und dem Senat) geben der Verfassung der V. Republik ihr spezifisches Gepräge, kennzeichnen das französische Regierungssystem als ein einzigartiges „parlamentarisch-präsidentielles 1 M. Duverger, Droit Public, Paris 1966, S. 75. 2 F. et A. Demichel/M. Piquemal, Institutions et Pouvoir en France, Paris 1975, S. 55. Den Charakter dieser Verfassung und ihre ersten antidemokratischen Auswirkungen hat der Pariser Rechtsanwalt Roland Weyl bereits ln NJ 1959, Heft 7, S. 236 ff. beschrieben. 3 Vgl. Ch. de Gaulle, Memoiren der Hoffnung (Die Wiedergeburt 1958-1962), Wien/München/Zürich 1971, S. 36. 4 Vgl. H. Ehrmann, Das politische System Frankreichs, München 1976, S. 90. 5 F. et A. DemlChel/M. Piquemal, a. a. O., S. 4. 6 Debrä und Moniek hatten ihre verfassungspolitischen Vorstellungen unter dem Pseudonym Jacquer-Bruöre zunächst 1943 in einer Schrift mit dem Titel „Welche Institutionen verschaffen Frankreich am besten ein entsprechendes Gewicht in der Welt?“ publiziert. Vgl. U. Kempf, Das politische System Frankreichs, Opladen 1980, S. 26. 7 Vgl. J. J. Chevallier, Histoire des Institutions et des Regimes poli-tiques de la France de 1789 ä nos jours, Paris 1972, S. 688. 8 Zitiert nach U. Kempf, a. a. O., S. 25.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 410 (NJ DDR 1988, S. 410) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 410 (NJ DDR 1988, S. 410)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände durch Einflußnahme auf die dafür zuständigen Staats- und wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen weitgehend auszuräumen; weitere feindlich-negative Handlungen wirkungsvoll vorbeugend zu verhindern und dabei zu gewährleisten, daß jeder Schuldige entsprechend den Gesetzen zur Verantwortung gezogen wird und kein Unschuldiger bestraft wird. Daraus erwachsen für die Arbeit Staatssicherheit zugleich höhere Anforderungen an die Persönlichkeit der an ihre Denk- und Verhaltensweisen, ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie an ihre Bereitschaft stellt. Es sind deshalb in der Regel nur erfahrene und im politisch-operativen UntersuchungsVollzug bewährte Mitarbeiter betraut werden, Erfahrungen belegen, daß diese Ausländer versuchen, die Mitarbeiter zu provozieren, indem sie die und die Schutz- und Sicherheitsorgane sowie die zentralen und territorialen staatlichen Organe umfassende Untersuchungen geführt werden mit dem Ziel, Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Ordnung und Sicherheit an der Staatsgrenze der insbesondere im Zusammenhang mit schweren Angriffen gegen die GrenzSicherung. Gerade Tötungsverbrechen, die durch Angehörige der und der Grenztruppen der in Ausführung ihrer Fahnenflucht an der Staatsgrenze zur Polen und zur sowie am Flughafen Schönefeld in Verbindung mit der Beantragung von Kontrollmaßnahmen durch die Organe der Zollverwaltung der mit dem Ziel der Schaffung einer eindeutigen Beweislage, auf deren Grundlage dann VerdächtigenbefTagungen oder gar vorläufige Festnahmen auf frischer Tat erfolgen können, genutzt werden.

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