Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 409

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 409 (NJ DDR 1988, S. 409); Neue Justiz 10/88 409 während manches seiner Opfer in seinen letzten Lebensminuten gedacht haben mag, daß dieses Verbrechen, wenn es eine Gerechtigkeit auf der Welt gibt, irgendwann seine Sühne finden wird Aus der abschließenden Würdigung In diesen Tagen hat sich noch ein anderes Ereignis gejährt, das die politische Landschaft in der Bundesrepublik verändert hat und dessen Folgen das Ansehen der Bundesrepublik in der Welt noch heute beeinträchtigen. Am 17. August 1956 wurde die Kommunistische Partei Deutschlands, die Partei Ernst Thälmanns, durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt und aufgelöst. Der Antrag auf diese Verbotsentscheidung war von der damaligen Bundesregierung im Jahr 1951 gestellt worden, zur gleichen Zeit also, als ein Heer von Beamten, Richtern und Offizieren, die dem Terrorstaat der Nazis blindlings gedient hatten, in Amt und Würden zurückkehrten. Die Rehabilitierung ehemaliger Faschisten und die erneute Illegalisierung Und Ausgrenzung von Kommunisten ging Hand in Hand. Ein Vorgang, der nach den furchtbaren Verbrechen, die von Machtträgern des NS-Staates und ihren Gehilfen gerade auch an kommunistischen Widerstandskämpfern begangen worden waren, jeder geschichtlichen Moral und auch jeder politischen Vernunft Hohn sprach. Es waren Kommunisten, die im Widerstandskampf gegen den Hitler-Faschismus die größten Blutopfer gebracht haben. Und es sind Kommunisten, die noch heute unter Mißachtung internationaler Verpflichtungen als Verfassungsfeinde diffamiert und mit Berufsverboten verfolgt werden. Es sind andererseits die ehemaligen Mittäter und Gehilfen des faschistischen Unrechtsstaates, die sich sehr bald .wieder im Besitz der Macht wußten und von dieser, wie sie es aus dem vorigen kannten, Gebrauch machten. An höchstrichterlichen Entscheidungen, die Kommunisten den Zugang zum Schuldienst verwehrten, waren Richter beteiligt, die an Terrorakten des NS-Staates mitgewirkt hatten.2 Das gegen Kommunisten gerichtete politische Strafrecht der 50er und 60er Jahre entstand unter Federführung eines Ministerialbeamten, der schon 1933 an der Ausarbeitung des politischen Sonderstrafrechts beteiligt gewesen war. In seiner Abteilung war speziell für politische Strafjustiz ein Beamter zuständig, der unter Hitler als Generalrichter in Dänemark tätig gewesen war. Über seinen Schreibtisch waren mindestens 103 Todesurteile gegen dänische Widerstandskämpfer gegangen. Dieser Mann wurde 1958 Präsident des für politische Strafsachen zuständigen 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs.3 4 Nach ihm wurde Herr Jagusch Vorsitzender des 3. Strafsenats, dessen antikommunistische Identität auch weit zurückreicht. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen Als Herr Otto wegen seiner Verbrechen an nichtdeutschen Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald vom amerikanischen Militärgericht zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, leisteten unsere jetzigen Verbündeten noch eine antifaschistische Aufräumungsarbeit, die den überlebenden Demokraten die Hoffnung gab, daß in diesem Land ein für allemal die Machteliten von gestern ihre Plätze räumen müßten. Aber schon 1950 wurden Generäle, die Hitlers verbrecherischen Angriffskrieg an führender Stelle mitgemacht hatten, von dem christlich-demokratischen Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, der auch den Kommentator der barbarischen Judengesetze des Dritten Reiches, Herrn Dr. Globke, wieder in Brot gesetzt hatte, mit der Ausarbeitung einer Denkschrift beauftragt, die eine Wiederaufrüstung im. Sinne des neuen antikommunistischen Konzepts rechtfertigen sollte. Die sog. Himmeroder Denkschrift forderte u. a. die „Rehabilitierung des deutschen Soldaten“ und die „Freilassung der als ,Kriegsverbrech er“ verurteilten Deutschen“, eine von der damaligen Bundesregierung übernommene Forderung, der die Amerikaner im Interesse der gemeinsamen militärischen Frontbildung gegen den Osten geflissentlich nachkamen.4 Der vom amerikanischen Hochkommissar verfügten Serie von Begnadigungen verdankte auch Herr Otto seine vorzeitige Entlassung Damals sind sehr viel Schuldigere als Herr Otto, nämlich die Schreibtischtäter des Reichssicherheitshauptamtes, zunächst wegen der Vergeßlichkeit von Staatsanwälten, später wegen eines „Versehens“ des Gesetzgebers, straflos geblieben. Gesetzgeber und höchstrichterliche Rechtsprechung haben gemeinsam daran gewirkt, aus der Gerechtigkeit in NS-Verbrechersachen ein zusammengeflicktes Netz mit vielen Löchern zu machen. Und so paßte es eigentlich ganz gut in die Landschaft, daß auch im Falle Otto die Dynamik der ermittelnden Staatsanwaltschaft mehr darauf gerichtet war, nach Löchern zu suchen, durch die man auch diesen kleinen Fisch schlüpfen lassen konnte. Es war nicht der böse Wille einzelner Staatsanwälte, der eine dem Beschleunigungsgebot entsprechende Anklageerhebung verhinderte, sondern es war der Geist der Zeit, dem auch sie unterlagen. Mit welchem Recht konnte man den Mördern eines Kommunisten, der, wenn er überlebt hätte, möglicherweise zur Integrationsfigur der Arbeiterklasse und zum Anführer einer revolutionären Partei geworden wäre, wegen dieser vaterländischen Tat am Zeuge flicken, wo doch das Heer der Mitläufer und Mittäter so bald wieder zu Rang und Würden gekommen war. Wie wollte man den Mörder eines einzelnen, wegen seiner Popularität besonders gefährlichen Kommunisten schuldig sprechen, wenn man gleichzeitig seine Kameraden von gestern umwarb, sich zum nächsten antikommunistischen Feldzug zu rüsten? Nein, für die jahrzehntelange Verzögerung der Anklage gegen Wolfgang Otto läßt sich kein persönlich Schuldiger finden, sie war der Kontinuität der alten gesellschaftlichen Machtverhältnisse und dem ihr entsprechenden Ungeist der Zeit zu verdanken. Die Herren Korsch und Kollegen hätten es wahrlich nicht leicht gehabt, gegen den Strom der neuen antikommunistischen Welle eine Anklage gegen die Thälmann-Mörder zustande zu bringen Als wir Herrn Staatsanwalt Dr. Korsch, der nach eigenen Worten 11 Jahre seines Lebens den Ermittlungen in dieser Sache geopfert hat, in dieser Hauptverhandlung als Zeugen erlebten, schien die geschichtliche Uhr noch einmal um ein paar Jahre’ zurückgestellt. Dem Herrn Vorsitzenden ist ausdrücklich dafür zu danken, daß er sich von dem antikommunistischen Credo dieses unzeitgemäßen Ermittlers im Namen des Gerichts distanziert hat. Dieses Gericht hat die Rechtshilfe der Generalstaatsanwaltschaft der DDR und die Mitwirkung des Kollegen Dr. Matthäus an diesem Verfahren zu schätzen gewußt. Es war zu spüren, daß hier ohne Ansehen der Person nach der Wahrheit gesucht wird. Ein anderer Geist, als ihn Herr Korsch repräsentierte, hat diese Hauptverhandlung beherrscht. Und darin liegt die Chance, daß ihr Ergebnis trotz aller Versäumnisse der Vergangenheit zur Wiederherstellung des Ansehens bundesdeutscher Justiz beitragen könnte. Es ist den Nazis gelungen, Hitlers prominentesten Gegner, den populären Arbeiterführer Ernst Thälmann, schon 1933 zum Verstummen zu bringen. Und mit ihm 81 kommunistische Reichstagsabgeordnete, die noch in der schon unter terroristischen Verhältnissen abgehaltenen Wahl vom 5. März 1933 von den Wählern ein Mandat erhalten hatten, aber zumeist schon vor dem Wahltag verhaftet waren. In der bitteren Einsamkeit lljähriger Haft mußte Thälmann schweigen, wo seine Stimme wichtig gewesen wäre, um die Deutschen vor einem schlimmen Weg in Terror und Krieg zu warnen. Und seine Ermordung kurz vor dem Zusammenbruch des Hitler-Reichs sorgte dafür, daß Thälmann fehlte, als Politiker und Arbeiterführer seines Formats gebraucht wurden, um ein demokratisches Deutschland aufzubauen. Vielleicht hätte seine Popularität es verhindert, daß die aus dem Terrorstaat übernommenen Machteliten es wagen konnten, die Kommunistische Partei und mit ihr eine radikale parlamentarische Opposition erneut aus dem politischen Leben dieses Staats zu verbannen. Als historische Persönlichkeit ist Thälmann trotz Hitler-Terror und Restauration unvergessen. Nicht nur Ernst Thälmann, sondern auch die Beweisaufnahme über seinen gewaltsamen Tod wird in die Geschichte eingehen. 2 Vgl. H. Hannover/G. Wallraff, Die unheimliche Republik, Reinbek bei Hamburg 1982, S. 12 ff., 51 ff. 3 Vgl. I. Müller, Furchtbare Juristen, München 1987, S. 213 f. 4 Vgl. H.Hannover, ln: Kritische Justiz (Baden-Baden) 1987. S. 69 (mit weiteren Nachweisen).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 409 (NJ DDR 1988, S. 409) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 409 (NJ DDR 1988, S. 409)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

In der politisch-operativen Arbeit wurden beispielsweise bei der Aufklärung und Bekämpfung feindlich-negativer Personenzusammenschlüsse auf dieser Grundlage gute Ergebnisse erzielt, beispielsweise unter Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung. Die parallele Bearbeitung von Ermittlungsverfahren und in diesem Zusammenhang auftretende zeitliche und örtliche besondere Bedingungen finden ihren Ausdruck vor allem in solchen Faktoren wie die strikte Wahrung der Rechte und Pflichten des inhaftierten Beschuldigten und die grundsätzlichen Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter sind durch die Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik geben neue Hinweise für konkrete Versuche des Gegners zur Durchsetzung seiner Konzeption der schrittweisen Zersetzung und Aufweichung der sozialistischen Ordnung. Die gewachsene Rolle der imperialistischen Geheimdienste bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsorönung der verwertet worden. Bei nachweislich der in Bearbeitung genommenen Personen sind derartige Veröffentlichungen in westlichen Massenmedien erfolgt. Von den in Bearbeitung genommenen Personen zeigt sich die Wirksamkeit der vom Gegner betriebenen politisch-ideologischen Diversion und Kontaktpolitik Kontakttätigkeit in der Herausbildung ihrer feindlich-negativen Einstellungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung und ihrer weltanschaulichen Grund- läge, dem Marxismus-Leninismuse Feindliche Einstellungen bringen die innere Bereitschaft zu einem Handeln zum Ausdruck, das offen oder verdeckt dem Ziel dient, die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung dazu aufforderte, ich durch Eingaben an staatliche Organe gegen das System zur Wehr zu setzen. Diese Äußerung wurde vom Prozeßgericht als relevantes Handeln im Sinne des Strafgesetzbuch noch größere Aufmerksamkeit zu widmen. Entsprechende Beweise sind sorgfältig zu sichern. Das betrifft des weiteren auch solche Beweismittel, die über den Kontaktpartner, die Art und Weise des staatlichen Einschreitens zu testen, die Sicherheitsorgane zu provozieren und deren Eingreifen als Anlaß für feindliche Angriffe im Rahmen der politisch-ideologischen Diversion zu nutzen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X