Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 329

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 329 (NJ DDR 1988, S. 329); Neue Justiz 8/88 329 daß er, ohne dazu verfassungsrechtlich verpflichtet zu sein, am 9. Mai 1988 seinen Rücktritt als Premierminister erklärte. Der Charakter des Regierungssystems Mit der Aufteilung der Kompetenzen im Regierungssystem nach der französischen Verfassung von 1958 war das im Frankreich der 80er Jahre und besonders auch nach dem 8. Mai 1988 offenbar werdende Spannungsverhältnis zwischen Präsident und Premierminister sowie zwischen Präsidialgewalt und Parlamentsmehrheit vorprogrammiert. Zwar räumt die Verfassung einerseits dem Präsidenten wesentliche Aufgabenbereiche im Regierungssystem ein, indem sie ihm den Vorsitz im Ministerrat überträgt. Andererseits legt sie aber auch fest, daß die Regierung und nicht der Präsident die Politik der Nation bestimmt und leitet (Art. 20) und daß der Premierminister die Tätigkeit der Regierung leitet und für die Ausführung der Gesetze sorgt (Art. 21). Man spricht oft von einer „janusköpfigen Exekutive“. Bedeutsam für die Funktionsweise des französischen Regierungssystems ist, daß es wie französische Politikwissenschaftler formulieren weder ein parlamentarisches noch ein prädidielles Regime ist („ni regime parlementaire, ni regime presidentiel“).9 10 11 Es wird deshalb häufig als „semiprä-sidielles System“ bezeichnet.!0 Wie in einem Präsidialsystem setzt der Präsident ohne vorherige Koalitionsverhandlungen oder Konsultationen mit den Parlamentsfraktionen den Premierminister ein. Wie in einem parlamentarischen System ist die Regierung der Nationalversammlung verantwortlich (Art. 20) und kann von dieser gestürzt werden (Art. 49 und 50). Wenn Präsidialgewalt und Parlamentsmehrheit auseinanderfallen, kommt dieser dualistische Charakter des französischen Regierungssystems offen zum Ausdruck. So entstand die „Cohabitation“, eine Art „Doppelherrschaft“ eines Präsidenten der Sozialistischen Partei mit einem Premierminister, der sich auf die bürgerlichen Parteien RPR und UDF und ihre Mehrheit in der Nationalversammlung stützen konnte. Dabei hatte die von Chirac geführte Regierung im Regierungssystem eindeutig die dominierende Stellung inne. Präsident Mitterrands Wege zur Schaffung einer Regierung seines politischen Zuschnitts Mitterrand stand nach seiner Wiederwahl vor dem Problem, wie er gestützt auf den zweithöchsten Stimmenanteil, den ein Präsident der V. Republik je erhalten hatte sein Gewicht im Regierungssystem erhöhen und die Cohabitation beenden könnte, um die von ihm vertretenen politischen Ziele trotz einer Mehrheit der bürgerlichen Parteien in der Nationalversammlung durchzusetzen. Nach der Verfassung konnte er auf drei Wegen zum Ziel gelangen: Erstens wäre es möglich gewesen, daß sich der Präsident auf einen Premierminister stützt, der lediglich eine Minderheitsregierung bildet. Indem er permanent mit der Parlamentsauflösung im Falle eines erfolgreichen Mißtrauensvotums der Nationalversammlung droht, erzwingt er die parlamentarische Duldung dieser Minderheitsregierung. Mitterrand schloß von vornherein eine solche Möglichkeit aus. Zweitens bestand die Möglichkeit, daß der von Mitterand ernannte Premierminister so viele Abgeordnete der bürgerlichen Parteien hinter sich hat, daß diese zusammen mit den Abgeordneten seiner eigenen Partei über eine Mehrheit in der Nationalversammlung verfügen und demzufolge ein Tadelsantrag gegen den Premierminister keine Mehrheit in der Nationalversammlung findet. Dieser Weg wurde zunächst von Mitterrand beschritten. Er erwies sich jedoch vor den Parlamentswahlen als zu unsicher, da sich keine namhaften Politiker des liberalen Zentrums (aus der UDF) bereitfanden, in die sozialistisch geführte Regierung unter Michel Rocard einzutreten.1! Drittens gab es die Möglichkeit, daß der Präsident die Nationalversammlung auflöst und Neuwahlen ansetzt (Art. 12). Voraussetzung dafür ist lediglich eine „Beratung“ mit dem Premierminister und den Präsidenten der Nationalversammlung und des Senats. Mit der Begründung, Rocard habe ihm mitgeteilt, es sei nicht gelungen, „die solide und stabile Parlamentsmehrheit zu vereinen, die jede Regierung benötigt“12, unterschrieb Mitterrand am 14. Mai 1988 das Dekret über die Auflösung der Nationalversammlung. Die Neuwahlen brachten bei einem Stimmenanteil von 37,4 Prozent im ersten Wahlgang der Sozialistischen Partei 48 Prozent der Mandate. Das neue Wahlgesetz, das gegen den Widerstand der sozialistischen und kommunistischen Abgeordneten am 22. und 24. Oktober 1986 von der Nationalversammlung bzw. vom Senat verabschiedet worden war, verschaffte so zwar der Partei Mitterrands eine überproportionale Vertretung, jedoch nicht die absolute Mehrheit. Mitterrand steht damit erneut vor dem Problem, wie er mit einer parlamentarischen Minderheit seiner Partei dennoch eine regierungsfähige Mehrheit zusammenbekommt. Zwei Dinge sind allerdings anders als vor den Wahlen zur Nationalversammlung: Zum einen verfügen Sozialisten und Kommunisten in der Nationalversammlung über eine eindeutige parlamentarische Mehrheit. Zum anderen ist das Recht des Präsidenten zur Parlamentsauflösung nunmehr beschränkt, denn in dem auf die Wahl folgenden Jahr darf keine erneute Auflösung der Nationalversammlung erfolgen (Art. 12). Wiedereinführung des Mehrheitswahlrechts Die Initiatoren der V. Republik sahen 1958 in der Beseitigung des zuvor geltenden Verhältniswahlrechts und der Einführung des absoluten Mehrheitswahlrechts ein wichtiges Mittel, um dem angeblichen „Regime der Parteien“ in der IV. Republik ein Ende zu setzen.13 14 15 Der einstige Führer der Sozialistäschen Partei, Jean Jaures, hatte schon zu Beginn dieses Jahrhunderts das absolute Mehrheitswahlrecht als ein „Wahlrecht von Dieben“1,1 charakterisiert. Bei den ersten Wahlen zur Nationalversammlung in der V. Republik am 23. November 1958 (erster Wahlgang) bekam die FKP, die damals 18,9 Prozent der Stimmen erhielt, lediglich 2,2 Prozent der Mandate, die damalige sozialistische Partei SFIO mit 15,4 Prozent der Stimmen 8,6 Prozent der Mandate, hingegen das Bündnis von Gaullisten und Konservativen bei einem Stimmenanteil von 37,6 Prozent rund 69 Prozent der Abgeordnetensitze. Wenn es auch im Zuge der gegenseitigen Unterstützung den Linksparteien gelang, die antidemokratischen Wirkungen des absoluten Mehrheitswahlrechts abzuschwächen, so blieb doch die Wiedereinführung des Verhältniswahlsystems ein zentraler Punkt ihrer Programmatik. Auch das 110 Punkte umfassende Wahlprogramm Mitterrands vom Jahre 1981 verlangte in Punkt 47: „Die proportionale Vertretung wird für die Wahlen zur Nationalversammlung eingeführt.“ Es dauerte dann allerdings etwa vier Jahre, bis ein verändertes Wahlgesetz13 in Kraft trat, das für die Parlamentswahlen 1986 Geltung erlangte. An Stelle von 491 Abgeordneten wurden danach 577 Abgeordnete gewählt. Eine proportionale Vertretung der Parteien in der Nationalversammlung brachte dieses Gesetz jedoch nicht, denn zahlreiche Detailregelungen sorgten dafür, daß viele Stimmen unter den Tisch fielen. Die Departements, die als Wahlkreise (für 2 bis 24 Abgeordnete) fungierten, waren zum Teil so klein, daß in ihnen nur wenige Mandate vergeben wurden. Eine Verrechnung der Stimmen, die Ohne Mandat blieben, erfolgte nicht. In den größeren Wahlkreisen galt außerdem die Sperrklausel, wonach Parteien, auf die weniger als 5 Prozent der Wählerstimmen entfielen, keinen Sitz im Parlament erhielten. Die unter dem Motto „Das Mehrheitswahlrecht ist das Fundament der V. Republik“16 betriebene Wiedereinführung des Mehrheitswahlrechts mit zwei Wahlgängen war dennoch ein deutlicher Rückschritt, dabei aber keine einfache Rückkehr zu der vorher bestehenden Situation. Das von dem gaullistischen Innenminister ausgearbeitete Wahlgesetz privilegierte nämlich gezielt die Parteigruppierung RPR-UDF, aber auch im besonderen Maße die PS. Eine raffinierte Wahlkreisgeometrie benachteiligte allein die FKP: „Die Städte wurden so in Stücke geteilt, daß Mehrheiten nach Maß für die Rechte 9 F. Goguel/A. Grosser, La Politique en France, Paris 1984, S. 184. 10 So z. B. von M. Duverger, “A New Political System Model: Semi-Presidential Gouvernment”, in: European Consortium for Political Research 1980, Nr. 8. S. 165 ff. 11 Die maßgebenden UDF-Politiker Val6ry Giscard d’Estaing, Raymond Barre und Simone Veil erteilten öffentlich eine „negative“ Antwort. Lediglich drei UDF-Politiker von geringerer Bedeutung - Duratour, Pelletier und Stol6ru - traten in die Regierung Ro-cards ein (vgl. Derniöres Nouvelles D’Alsac vom 14. Mai 1988, S. 3 und 4). 12 L’Humanitö vom 16. Mai 1988, S. 2. 13 In Einerwahlkreisen werden die Abgeordneten im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewählt. Im zweiten Wahlgang, an dem alle Kandidaten mit einem Stimmenanteil von über 12,5 Prozent teilnehmen können, genügt die relative Mehrheit. In der Regel (1988: in fast 95 Prozent der Wahlkreise) findet der zweite Wahlgang zwischen den beiden bestplazierten Kandidaten statt. 14 Zitiert nach L’Humanit6 vom 16. Mai 1988, S. 4. 15 Journal Officiel vom 11. Juli 1985. 16 So ein UDF-Abgeordneter am 22. Oktober 1985 in der Nationalversammlung (zitiert nach: Archiv der Gegenwart vom 23. Oktober bis 8. November 1986, S. 30408).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 329 (NJ DDR 1988, S. 329) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 329 (NJ DDR 1988, S. 329)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung ist für die konsequente Verwirklichung der unter Punkt genannten Grundsätze verantwortlich. hat durch eigene Befehle und Weisungen., die politisch-operative Dienstdurchführung, die innere und äußere Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaf tanstalt in ihrer Substanz anzugreifen sowie Lücken und bogünstigende Faktoren im Sicherungssystem zu erkennen und diese für seine subversiven Angriffe auszunutzen, Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die ordnungsgemäße Durchführung der gerichtlichen HauptVerhandlung auszuschließen und deren Beeinträchtigung weitgehend zu begrenzen. Die Rechte der Inhaftierten sind zu respektieren. Darunter ist insbesondere das Recht auf Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten. Durch eine vorausschauende, vorbeugende, politisch-operative Arbeit ist zu verhindern, daß feindliche Kräfte Inhaftierte gewaltsam befreien, sie zu Falschaussagen veranlassen können oder anderweitig die Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung zu gewährleisten. Festlegungen über die Zusammensetzung des Vorführ- und Transportkommandos. Die Zusammensetzung des Transportkommandos hat unter Anwendung der im Vortrag. Zu einigen wesentlichen Aufgabenstellungen bei der Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche und Bearbeitung der politisch-operativen Schwerpunkte, genutzt werden. Dabei ist stets auch den Erfordernissen, die sich aus den Zielstellungen für die Vorgangs- und personenhezögeheyArbeit im und nach dem Operationsgebiet Die wirkunggy; punkten vorhatnäi unter ekampfung der subversiven Tätigkeit an ihren Ausgangs-ntensive Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Strafrechts, die unter Beachtung rechtspolitischer Erfordernisse sachverhaltsbezogen bis hin zu einzelnen komplizierten Entscheidungsvarianten geführt wird, kam es den Verfassern vor allem darauf an, die damit verbundenen persönlichen Probleme der und deren Ehegatten zu erkennen, sie zu beachten und in differenzierter Weise zu behandeln.

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