Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 290

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 290 (NJ DDR 1988, S. 290); 290 Neue Justiz 7/88 Der Kommunistenprozeß von Ankara Am 8. Juni 1988 begann in Ankara vor dem Staatssicherheitsgericht der Türkei das Strafverfahren gegen die seit November 1987 inhaftierten Generalsekretäre der1Kommunistischen Partei der Türkei und der Türkischen Arbeiterpartei, Haydar Kutlu und Nihat S ar g in. Mitangeklagt sind weitere 14 Personen, darunter die Rechtsanwälte der Hauptangeklagten, Attila Coskun und Razim öz. Am ersten Tag der Hauptverhandlung waren weit über 100 ausländische Prozeßbeobachter anwesend, unter ihnen der Vizepräsident der Vereinigung der Juristen der DDR, Rechtsanwalt Dr. Friedrich W olf f, Berlin. Seine Beobachtungen und Bemerkungen geben wir nachstehend wieder. D. Red. Ein „Jahrhundertprozeß“ würde dieses Verfahren sein, Marxismus und Kommunismus würden in ihm verurteilt werden, hatte der Generalstaatsanwalt der Türkei, Nusret De-miral, vorhergesagt. Man denkt daran, wie oft der Kommunismus schon vor Gericht stand. Alle Urteile hielten das Rad der Geschichte nicht auf. Die Anklageschrift gegen Kutlu, Sargin und andere umfaßt 231 Seiten. Sie steht in der „Tradition“ antikommunistischer Prozesse. In ihrem Abschnitt „Allgemeine Darlegungen“ ist u. a. zu lesen: „Das marxistisch-leninistische Gedankengut und der dieses Gedankengut erklärende kommunistische Gedanke wurden in Gesetzen der türkischen Republik unter Strafe gestellt Der türkische Staat und die Republik Türkei wird bedroht durch den Marxismus-Leninismus und den in ihm formulierten kommunistischen Gedanken und von einer Bewegung, die entsprechend diesen Gedanken einen Staat gründen will. “ Es geht also um den Gedanken. Er ist nicht frei, er ist vielmehr als solcher strafbar, wenn er kommunistisch ist. Das war am Ausgang dieses Jahrhunderts nicht zu erwarten. Das widerspiegelt nicht den Geist von Nürnberg, den Geist von Helsinki, das neue politische Denken im gemeinsamen europäischen Haus. Die Anklage widerspricht sich selbst, wenn sie an anderer Stelle behauptet, daß die Verfassung in der türkischen Republik „den Menschenrechten und -freiheiten einen breiten Platz einräumt“. Entweder sind die Gedanken strafbar, wie die Anklage behauptet, dann gibt es keine Menschenrechte in der Türkei, oder es gibt Menschenrechte in der Türkei, dann ist auch der kommunistische Gedanke frei. Es ist jedoch nicht nur die Kriminalisierung des Denkens, die die Anklage charakterisiert. Es ist auch die Art der Argumentation. Sie tritt an die Stelle, an der der Jurist Beweisführung erwartet. So wird in den „Allgemeinen Darlegungen“ weiter ausgeführt: „Hier einige Angaben von Personen, die das kommunistische System bejahten und dessen Staatsleben erlebt haben: ,Das Prinzip des Kommunismus bedeutet für diejenigen Tod, die nicht mit uns zusammen sind; es gibt keinen Weg der Mitte.' ,Die Kommunisten halten sich nicht zurück, diejenigen Menschen auf jede Art zu foltern, die nicht so wie sie denken und nicht das tun, was sie von ihnen erwarten.'“ Als Jurist fragt man sich: Was für einen Wert können diese „Zitate“ in einem Gerichtsverfahren haben? Soll die Verteidigung nach dem gleichen Prinzip antworten und Erklärungen anonymer Personen zum Beweis des Gegenteils zitieren? Welches Urteil über die Gewährleistung der Menschenrechte, der Demokratie, der Rechtssicherheit, des Selbstbestimmungsrechts der Völker und auch der Kultur in der Türkei muß dieser Prozeß provozieren, wenn er im Stil der Anklage geführt werden sollte? Fragen nur wir uns das, fragt sich das keiner von denen, die in der Türkei politische und juristische Verantwortung tragen? Diese Fragen werden noch brennender, je tiefer man in die Anklageschrift eindringt. Sie behandelt jede Äußerung jedes Angeklagten als besondere Tat. Zu den Anklagepunkten gehört z. B. auch der Vorwurf, daß Sargin zusammen mit anderen „das Vergehen begangen hat, mit Veröffentlichungen Propaganda zu treiben, um die nationalen Gefühle zu beseitigen und zu schwächen“, indem er mit anderen in einer Schrift den „Osten und Südosten der Türkei als Kurdistan bewertet sowie erklärt (hat), daß die dort lebenden Menschen Kurden seien, die eine eigene Sprache sowie demokratische Rechte besitzen, und indem behauptet wird, daß innerhalb der Grenzen der Republik Türkei außer den türkischen Staatsbürgern noch ein eigenständiges kurdisches Volk lebt“. Die inkriminierte Behauptung findet sich nun allerdings auch in bekannten, absolut unkommunistischen Nachschlagewerken vieler kapitalistischer Länder. Der Satz, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, wird auch durch dieses Gerichtsverfahren nicht durchgesetzt werden können. Dem angeklagten Rechtsanwalt Razim öz wird u. a. vorgeworfen : „ Offene Anpreisung und Gutheißung von Haß und Feindschaft durch Betonung von Klassen-, Rassen-, Reli-gions-, Konfessions- oder Regionalunterschieden.“ Was darunter zu verstehen ist, erfährt man an anderer Stelle der Anklage: „Als Sargin und Kutlu am 5. Dezember 1987 von der Generalstaatsanwaltschaft ins Gefängnis übergeführt wurden, antwortete der Angeklagte Razim öz auf Äußerungen von Nihat Sargin wie ,wir wurden gefoltert', ,rettet die Demokratie', mit Parolen wie ,herzlich willkommen in unserem Land', ,mit unserem Kampf werden wir die Demokratie durchsetzen'. “ Ungeachtet aller Einschüchterungsversuche haben sich 420 Rechtsanwälte bereit erklärt, die Verteidigung der 16 Angeklagten zu übernehmen. Am ersten Tag der Hauptverhandlung wollten 175 Verteidiger mitwirken. Sie forderten für sich und alle diejenigen, die als Prozeßbeobachter zugegen waren, angemessene Bedingungen, d. h. einen größeren Verhandlungssaal. Den Anträgen der Verteidigung wurde nicht stattgegeben. Von den 175 Verteidigern wurden etwa 100 in den Saal hineingelassen, ohne jedoch entsprechende Arbeitsbedingungen zu finden. Von den Prozeßbeobachtern Juristen, Journalisten, Politiker gelangte ebenfalls nur ein Bruchteil in den Verhandlungssaal. Als die Verteidiger wegen dieser Tatsache am Nachmittag des 8. Juni 1988 die weitere Teilnahme an der Hauptverhandlung ablehnten, endete das Verfahren überraschend mit einer Vertagung. Ausländische Juristen aus Belgien, der BRD, Dänemark, der DDR, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Holland, Kanada, Schweden und der Schweiz gaben daraufhin eine Erklärung ab, in der sie ihre tiefe Betroffenheit über die Verzögerung der Eröffnung des Gerichtsverfahrens, die Versagung des Zutritts für die Öffentlichkeit, die Versagung angemessener Arbeitsmöglichkeiten für alle türkischen Rechtsanwälte, den Einsatz eines Militärrichters unter den drei Richtern und eines Militärstaatsanwalts als Vertreter der Staatsanwaltschaft sowie über die Vertagung des Prozesses äußerten. Weiter wurde hervorgehoben, „daß der ganze Prozeß den Standards eines legalen Verfahrens und des Rechts in ganz Europa“ sowie der (West-)Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. In der Erklärung der ausländischen Juristen wurde u. a. gefordert: 1. Die Freilassung Kutlus und Sargins sowie aller anderen politischen Gefangenen, die auf der Grundlage der Art. 141 und 142 des türkischen StGB angeklagt sind. 2. Die Einstellung dieses Prozesses sowie aller Prozesse vor dem Staatssicherheitsgericht und vor Militärgerichten sowie die Abschaffung dieser Gerichte. 3. Die Aufhebung der Art. 141 und 142 des türkischen StGB. 4. Die Beendigung der Folter und die Respektierung der internationalen Konvention gegen Folter von 1984, die von der Türkei unterzeichnet wurde. 5. Die Untersuchung der Anschuldigung, daß Kutlu und Sargin in der Haft gefoltert wurden, und die Bestrafung aller an den Folterungen Beteiligten. 6. Die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei. Das Staatssicherheitsgericht hat mit der Vertagung des Prozesses auf den 17. Juni 1988 Gelegenheit bekommen, die Situation in Ruhe zu überdenken. Die gleichen Möglichkeiten bestehen für alle Verantwortlichen in der Türkei. Die Freilassung der Angeklagten stellt sich als die einzige Möglichkeit dar, gleichermaßen die Interessen der Angeklagten, der Türkei und der ganzen Menschheit zu wahren.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 290 (NJ DDR 1988, S. 290) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 290 (NJ DDR 1988, S. 290)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Auf der Grundlage der Erfassung und objektiven Bewertung Pritsche idiings Situationen nuß der ürjtorsi;chiingsfüiirer unter Einschluß anderer Fähigkeiten, seiner Kenntnisse und bereits vorliegender Erfahrungen in der Untersuclrungsarbcit in der Lage sein, diese in der eigenen Arbeit umzusetzen und sie den anzuerziehen zu vermitteln. Dabei geht es vor allem um die Kenntnis - der Beschlüsse und Dokumente von Partei und Regierung und das konkrete und schöpferische Umsetzen in die tägliche Aufgabenerfüllung die konsequente Einhaltung der gesetzlichen, Bestimmungen, der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel vor allem für die Schaffung, Entwicklung und Qualifizierung dieser eingesetzt werden. Es sind vorrangig solche zu werben und zu führen, deren Einsatz der unmittelbaren oder perspektivischen Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte in abgestimmter Art und Weise erfolgt. Durch die Zusammenarbeit von Diensteinheiten des Ministeriums, der Bezirks- Verwaltungen und der Kreisdienststellen ist zu sichern, daß die operative Beobachtung rechtzeitig geplant und sinnvoll in die gesamten Maßnahmen zur Vorgangsbearbeitung eingegliedert wird. Die Beobachtung muß durch ein richtig aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken der verschiedenen operativen Kräfte, Mittel und Methoden, die Einleitung vorbeugender, schadensverhütender und gefährenabwendender Maßnahmen und die zweckmäßige Leitung und Organisierung des politisch-operativen Zusammenwirkens mit den anderen staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen und Kräften zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen auf der allgemein sozialen Ebene leistet Staatssicherheit durch seine Ufront-lichkeitsarbcit. Unter Beachtung der notwendigen Erfordernisse der Konspiration und Geheimhaltung durchzuführen; die ständige Erschließung und Nutzung der Möglichkeiten der Staatsund wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräfte zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge ist mit dem Einsatz der und zweckmäßig zu kombinieren hat Voraussetzungen für den zielgerichteten Einsatz der und zu schaffen.

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