Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 248

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 248 (NJ DDR 1988, S. 248); 248 Neue Justiz 6/88 Erfahrungen aus der Praxis Probleme der Schuld bei Anwendung der arbeitsrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit im sozialistischen Einzelhandel Die unserer Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Grundmittel so effektiv wie möglich zu nutzen und das den Werktätigen anvertraute Vermögen zu schützen und zu mehren ist eines der unabdingbaren Erfordernisse, um die Weiterführung der Wirtschafts- und Sozialpolitik in ihrer Einheit weiter erfolgreich zu realisieren. Eine herausragende Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die schadensvorbeugende Tätigkeit in den Betrieben. Daraus leiten sich höhere Ansprüche an die Disziplin, Zuverlässigkeit und Wachsamkeit der Werktätigen ab. Dazu gehören ebenso eine gute Arbeitsorganisation, die eindeutige Abgrenzung der Verantwortungsbereiche und die Durchsetzung der rechtlichen Anforderungen.! Wurden dem sozialistischen Eigentum Schäden zugefügt, obliegt den jeweilig verantwortlichen betrieblichen Leitern gemäß § 252 Abs. 1 AGB die Pflicht, unverzüglich die hierfür maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen unter Mitwirkung der Werktätigen aufzudecken und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung sowie zur Vermeidung künftiger Schäden festzulegen.1 2 Führt die Überprüfung eines Schadensereignisses zu der Feststellung, daß der Schaden durch schuldhafte Arbeitspflichtverletzungen eines Werktätigen herbeigeführt wurde, ist gegen ihn grundsätzlich die arbeitsrechtliche materielle Verantwortlichkeit geltend zu machen. Von den insoweit zu prüfenden rechtlichen Voraussetzungen soll im folgenden auf einige Aspekte der Schuldproblematik näher eingegangen werden. Sie ergaben sich aus Untersuchungen im sozialistischen Einzelhandel, sind als Anregung für weitere Überlegungen gedacht und dienen dem Ziel, auf bestimmte Schwerpunkte und Besonderheiten der subjektiven Seite der arbeitsrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit in diesem Bereich hinzuweisen. Zur Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewußten Fahrlässigkeit In den Handelsbetrieben werden häufig meist im Zusammenhang mit entstandenen Inventurminusdifferenzen Arbeitspflichtverletzungen unterschiedlichster Art festgestellt. Die Verletzung von Arbeitspflichten äußert sich u. a. in folgenden Erscheinungsformen: Manipulierung von Inventurergebnissen, Unterlassen bzw. fehlerhafte Vornahme der Ermittlung, Erfassung und Abrechnung von Erlösen, Unterlassen von berechtigten Reklamationen und nicht ordnungsgemäße Weiterbearbeitung von Ersatzansprüchen des Betriebes, Nichtvornahme von Wareneingangskontrollen sowie Zulassen des Verderbs von Waren. In der Praxis werden solche Arbeitspflichtverletzungen nicht selten fälschlicherweise einfach der schuldhaften Schädigung des sozialistischen Eigentums gleichgesetzt, für die die materielle Verantwortlichkeit entsprechend geltend zu machen ist. Die schuldhafte Arbeitspflichtverletzung ist aber nicht gleichbedeutend mit einer schuldhaften Schadenszufügung. Beides ist gesondert zu analysieren. Es kommt bei der Geltendmachung der arbeitsrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit vor allem darauf an, diejenigen Pflichtverletzungen herauszuarbeiten, die für den Eintritt des Schadens maßgeblich waren, d. h. die überhaupt zu einem Schaden führen konnten. Gerade in Fällen, in denen erhebliche Inventurfehlbeträge und damit verbundene Manipulationen ohne nachweisbare strafrechtliche Relevanz (z. B. beim Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 96 StPO) aufgedeckt werden, der Werktätige aber für den eingetretenen Schaden arbeitsrechtlich einstehen soll, erlangt die Schuldprüfung besondere Bedeutung, da von der Entscheidung, ob der Schaden bedingt vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wurde, der Umfang der Schadenersatzverpflichtung abhängt. Die Beurteilung der Schuld ist immer an die konkrete Verantwortung des Werktätigen im Arbeitsprozeß gebunden. Zunächst wird die Frage zu klären sein, ob der Werktätige die Rechtspflichten, die sich für ihn aus seinem Arbeitsrechtsverhältnis ergeben, objektiv und subjektiv erfüllen konnte. Hat er diese Möglichkeit, obwohl sie gegeben war, nicht genutzt und sich aus bestimmten, von ihm zu vertretenden Umständen zu einem im Widerspruch zu seinen Arbeitspflichten stehenden Verhalten entschlossen, handelt er schuldhaft. Die das arbeitspflichtverletzende Verhalten des Werktätigen bestimmenden Beweggründe sind wiederum das maßgebliche Kriterium für die Bewertung der Schuldart. Die Prüfung, ob sich der Werktätige im jeweiligen Einzelfall bewußt zur Verletzung von Arbeitspflichten und zur Herbeiführung eines Schadens am sozialistischen Eigentum entschieden hat (unbedingter Vorsatz) bzw. ob er die Verletzung von Arbeitspflichten und die Herbeiführung eines Schadens am sozialistischen Eigentum bewußt in Kauf nahm (bedingter Vorsatz) oder ob er zwar erkannte, daß die Verletzung von Arbeitspflichten zupi Schaden führen könnte, er aber hofft, daß dies nicht ein treten werde (bewußte Fahrlässigkeit), kann daher nur dann zu einem richtigen Ergebnis führen, wenn die dem pflichtwidrigen Verhalten zugrunde liegenden Erkenntnisprozesse und Handlungsmotive genau untersucht werden. Hierbei können auch solche Faktoren eine Rolle spielen, die eine Arbeitspflichtverletzung begünstigten. In § 252 Abs. 3 und 4 AGB sind eigenständige Schuldarten definiert. In der Praxis bereitet bei der Anwendung der arbeitsrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewußten Fahrlässigkeit in bezug auf die Verursachung des Schadens nicht selten Schwierigkeiten. Beim bedingten Vorsatz ist das Verhalten (die Arbeitspflichtverletzung) des Werktätigen nicht unmittelbar auf die Schädigung des sozialistischen Eigentums gerichtet. Er sieht aber voraus, daß sein geplantes Handeln als Nebenfolge einen Schaden am sozialistischen Eigentum bewirken kann, findet sich mit seinem Eintritt bewußt ab und führt diesen als Folge seiner Arbeitspflichtverletzung herbei. Er ist in diesem Fall für den vorsätzlich verursachten Schaden in voller Höhe materiell verantwortlich (§262 Abs. 3 AGB). Das soll folgendes Beispiel verdeutlichen: Ein Mitarbeiter, zu dessen Arbeitsaufgaben es gehörte, die fristgemäße Begleichung von Forderungen aus Warenlieferungen zu kontrollieren, täuschte auf Grund der von ihm zugelassenen Versäumnisse bei den zu bearbeitenden Belegen Tagfertigkeit vor, indem er für den Betrieb eingehende Zahlungen willkürlich noch offenen Rechnungen zuordnete. Die dadurch entstandenen Differenzbeträge wies er unzulässig als Erlösschmälerung aus. Durch die so verursachte Unübersichtlichkeit konnten Forderungen, die wegen noch nicht erbrachter Leistungen gegenüber anderen Betrieben bestanden, nicht mehr beigetrieben werden.3 Bewußte Fahrlässigkeit liegt Vor, wenn der Werktätige erkannt hat, daß er im Ergebnis seines geplanten Verhaltens (Arbeitspflichtverletzung) als mögliche Folge einen Schaden am sozialistischen Eigentum herbeiführen kann. Obwohl er erkennt, daß schädliche Folgen eintreten können, entscheidet er sich für sein Vorgehen, weil er annimmt, daß die Auswir- 1 Vgl. Beschluß über die Verbesserung der Rechtsarbeit in der Volkswirtschaft vom 13. Juni 1974 (GBl. I Nr. 32 S. 313); vgl. auch die AO über Rechnungsführung und Statistik im sozialistischen Binnenhandel vom 6. Dezember 1985 (GBl.-Sdr. Nr. 827/1), die AO über die Durchführung von Inventuren vom 31. Oktober 1984 (GBl. I Nr. 33 S. 397), die Anweisung Nr. 9/85 über die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit sowie die Durchführung vorbeugender Kontrollen und Inventuren im sozialistischen Konsumgütereinzelhandel vom 26. April 1985, Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Handel und Versorgung vom 14. Juni 1985, Nr. 6, S. 65. Vgl. auch die AO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Leiter von Verkaufseinrichtungen des sozialistischen Einzelhandels und des Gaststätten- und Hotelwesens vom 3. Juli 1973 (GBl. I Nr. 34 S. 354) i. d. F. vom 26. September 1977 (GBl. I Nr. 31 S. 346) und die AO Nr. 2 dazu vom 30. Juni 1976 (GBl. I Nr. 25 S. 352). 2 Vgl. hierzu auch die Anweisung Nr. 12/86 zur Erhöhung von Ordnung, Disziplin und Sicherheit sowie zur Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit im Konsumgüterbinnenhandel vom 19. Dezember 1986, Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Handel und Versorgung vom 20. Januar 1987, Sonderdruck Nr. 45. 3 OG, Urteil vom 10. April 1987 - OAK 13/87 - (NJ 1987, Heft 9, S. 381).;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der politisch-operativen Zielstellung und daraus resultierender notwendiger Anforderungen sowohl vor als auch erst nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch das lifo gesichert werden. Die bisher dargestellten Möglichkeiten der Suche und Sicherung von Beweisgegenständen und Aufzeichnungen, die vom Täter zur Straftat benutzt oder durch die Straftat rvorqeb rach wurden. Im Zusammenhang mit der zu behandelnden Suche und Sicherung von Beweisgegenständen und Aufzeichnungen vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ergeben sich sowohl aus den den Staatssicherheit zur Verwirklichung seines Verfassungsauftrages, den Schutz der sozialistischen Ordnung und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten, übertragenen und in verfassungsrechtliehen und staatsrechtlichen Bestimmungen fixierten Befugnissen als auch aus den dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit auf der Grundlage der Strafprozeßordnung und des Gesetzes vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu konzentrieren, da diese Handlungsmöglichkeiten den größten Raum in der offiziellen Tätigkeit der Untersuchungsorgane Staatssicherheit , rechtspolitischer Prämissen, wie die Gewährleistung der Rechtssicherheit der Bürger durch einheitliche Rechtsanwendung sowie in Widerspiegelung tatsächlicher Ausgangs lagen erscheint die in der Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung wahrer Zeugenaussagen bedeutsam sind und bei der Festlegung und Durchführung von Zeugenvernehmungen zugrundegelegt werden müssen. Das sind die Regelungen über die staatsbürgerliche Pflicht der Zeuge zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge nachgewiesen ist. Dazu sind das Resultat des Wahrheitsnachweises sowie die Art und Weise seines Zustandekommens objektiv und umfassend zu dokumentieren.

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