Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 239

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 239 (NJ DDR 1988, S. 239); Neue Justiz 6/88 239 Mißachtung sozialer Rechte in den Unternehmen Die gegenwärtige Klassenauseinandersetzung um die sozialen Rechte der französischen Werktätigen ist in starkem Maße auch dadurch geprägt, daß die imperialistische Staatsmacht den Unternehmen zunehmend freie Hand läßt, solche Rechte zu mißachten. Auf dem 26. Parteitag der FKP stellte Georges Marchais fest, daß rund 2,5 Millionen Werktätige einen Lohn erhalten, der unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt.18 Die Unternehmen gewähren die in den Kollektivvereinbarungen fixierten betrieblichen Leistungen vielfach nur insoweit, als sie durch gewerkschaftliche Kampfaktionen dazu gezwungen werden. Während solche Verhaltensweisen von den staatlichen Arbeitsinspektionen oft stillschweigend geduldet werden, sind die höheren Gerichte in den letzten Jahren sogar dazu übergegangen, den unternehmerischen Praktiken juristisch den Boden zu bereiten. So wird den Unternehmern durch den Kassationshof (Cour de Cassation) das oberste Gericht Frankreichs die Befugnis zugestanden, auf Gewohnheitsrecht beruhende soziale Rechte der Werktätigen zu kündigen; sie haben dabei lediglich der Arbeitervertretung eine Frist einzuräumen, die Verhandlungen über die Folgen der Außerkraftsetzung der gewohnheitsrechtlichen Regelungen möglich macht.19 Die veränderte Rechtsprechung zum betrieblichen Gewohnheitsrecht hat deshalb erhebliche praktische Bedeutung, weil dem Gewohnheitsrecht in der französischen Rechtsordnung im allgemeinen und für die Rechte der Werktätigen im besonderen ein verhältnismäßig großes Gewicht zukommt. Zahlreiche Rechtsgrundsätze und -institute sind nicht ausdrücklich normiert, sondern werden aus der seit Jahrzehnten praktizierten Übung hergeleitet und dann meist in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung als Gewohnheitsrecht anerkannt. In vielen Unternehmen bestehen stillschweigende Übereinkommen zwischen Belegschaftsvertretungen und Unternehmensleitungen über die Gewährung bestimmter betrieblicher Sozialleistungen, die zwar nicht durch Kollektivvereinbarungen abgesichert sind, von den Unternehmern und Gerichten bisher aber in der Regel respektiert wurden. Dazu gehören z. B. übertarifliche Lohnzuschläge und finanzielle Unterstützungsleistungen für die Tätigkeit der Belegschaftsvertretungen. Der Kassationshof versetzt die Unternehmer nunmehr in die Lage, solche sozialen Rechte ohne Mitwirkung der Vertretungsorgane der Werktätigen zu demontieren. „Flexibilisierung“ und „Individualisierung“ der Arbeitsbedingungen im Interesse der Unternehmer Gegenwärtig werden die sozialen Rechte der Werktätigen unter der Losung einer „Flexibilisierung“ und „Individualisierung“ der Arbeitsbedingungen weiter ausgehöhlt. Die Unternehmer verfolgen vor allem den Zweck, die mit den Werktätigen arbeitsvertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen entsprechend den ökonomischen Erfordernissen des Unternehmens insbesondere bei einer profitablen Umsetzung der Ergebnisse des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu differenzieren. Die Anpassung der Arbeitsbedingungen an die modernen Produktionserfordernisse ist zwar ein objektiv gerechtfertigtes Anliegen, wird aber durch das Kapital in einer Weise realisiert, „die von seinen Profitinteressen bestimmt und gegen die Lebensinteressen der Werktätigen gerichtet ist“.20 Die Unternehmer nutzen die „Flexibilisierung“ vor allem dazu, um die Regelungen der Kollektivvereinbarungen zuungunsten der Werktätigen zu unterlaufen, die verschiedenen Gruppen von Werktätigen gegeneinander auszuspielen und diese insgesamt von ihren Interessenvertretungen zu lösen. Letzteres trifft vor allem für die betrieblichen Gewerkschaftssektionen zu, deren vorrangige Aufgabe es ist, in den Kollektivvereinbarungen möglichst günstige Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Bereits in der ersten Hälfte der 80er Jahre gingen französische Unternehmer dazu über, mit den Werktätigen in- stabile Beschäftigungsverhältnisse besonders durch den Abschluß von befristeten Teilzeit- und Leiharbeitsverträgen zu begründen. Eine massive staatliche Förderung dieser Praxis setzte dann mit der Regierungsübernahme durch die konservativen Kräfte ein. Mit der Verordnung vom 11. August 198621 wurden z. B. rechtliche Beschränkungen beseitigt oder aufgelockert, die der Begründung solcher Beschäftigungsverhältnisse zuvor noch entgegenstanden; so können entsprechende Arbeitsverträge statt bisher für maximal 6 Monate nunmehr bis zu einer Dauer von 2 Jahren abgeschlossen werden. Damit haben die instabilen Beschäftigungsverhältnisse ihren Ausnahmecharakter verloren und sind zu einer normalen Erscheinung des Arbeitslebens geworden. Nach Ansicht französischer Autoren geht eine Entwicklung von großen Teilen des Arbeitsrechts zu einem „Recht der flexiblen Arbeit“ vonstatten, das die Unternehmer in die Lage versetzt, die Zahl der Beschäftigten, die Dauer und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Entlohnung entsprechend den ökonomischen Bedürfnissen des Unternehmens festzulegen.22 23 Dabei werden die gesetzlichen und kollektivvertraglichen Rechte, die prinzipiell auch auf die instabil Beschäftigten Anwendung finden, von den Unternehmern vielfach ignoriert. Diese nutzen dabei den auf solchen Werktätigen lastenden Druck, die darauf hoffen, daß ihr Arbeitsverhältnis verlängert oder in ein Dauerarbeitsverhältnis umgewandelt wird. In einer gewerkschaftlichen Analyse heißt es: „Flexibilität der Arbeit bedeutet für die Unternehmer, die Rechte unbrauchbar zu machen.1,23 Die höchstrichterliche Rechtsprechung unterstützt das „Flexibilisierungs “-Konzept z. B. dadurch, daß sie den Unternehmern größere Möglichkeiten einräumt, in Arbeitsverträge einzugreifen. So durchbricht der Kassationshof den bisher im französischen Arbeitsrecht anerkannten Grundsatz, daß die im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen nur im Einvernehmen zwischen Unternehmer und Werktätigem verändert werden dürfen. Das Gericht unterscheidet nunmehr zwischen „grundlegenden Änderungen“, für die die Zustimmung des Werktätigen erforderlich ist, und „sekundären Änderungen“, die der Unternehmer allein vornehmen und im Falle der Ablehnung durch den Werktätigen zum Anlaß von Disziplinarmaßnahmen (einschließlich einer Kündigung ohne finanzielle Abfindung) machen kann.24 Werktätige, die gegen „grundlegende Änderungen“ ihrer Arbeitsbedingungen nicht sofort Einspruch einlegen, werden vom Gericht so behandelt, als hätten sie den Änderungen zugestimmt. Sie sind dann verpflichtet, die vom Unternehmer verfügte Änderung zu respektieren, selbst wenn sie davon nicht ausdrücklich in Kenntnis gesetzt wurden. Das gilt z. B. für die „Individualisierung“ ihrer Entlohnung durch die Unternehmer, die vielfadi mit der Herabstufung der Lohngruppe oder der Festlegung zusätzlicher Leistungskriterien verbunden ist. Darüber hinaus werden zahlreiche, für die Werktätigen bedeutsame Änderungen (z. B. der Dauer und der Verteilung der Arbeitszeit) als „sekundär“ behandelt. Die Möglichkeiten der Werktätigen, an der Änderung ihrer Arbeitsverträge mitzuwirken, sind damit weitgehend fiktiv geworden. Das Gericht stellt das kapitalistische Unternehmensinteresse unverhüllt über Rechtsgrundsätze, die dem Schutz der Werktätigen dienen. Das veranlaßte einen bekannten französischen Arbeitsrechtler, von einer „Destabilisierung des Arbeitsrechts“ zu sprechen.25 18 ND vom 3. Dezember 1987, S. 3. 19 Vgl. A. Jeammaud/M. LeFriant, a. a. O-, S. 218. 20 I. Kisseljow, „Der bürgerliche Arbeitsvertrag gestern und heute“, Sowjetskoje gossudarstwo i prawo 1987, Heft 6, S. 101 ff. 21 Journal Officiel vom 11./12. August 1986. 22 Vgl. A. Jeammaud, „Flexibilitö: le procfes du droit du travail“, in: FlexibilitÄ du droit du travail: objectif ou röalitS?, Paris 1986, S. 23 ff. (47 ff.). 23 Vgl. D. Vergnaud, a. a. O., S. 31. 24 Vgl. die Entscheidungen vom 9. Mai 1984, in: Bulletin des arrSts de la Cour de Cassation, Chambres civiles, Paris 1984, Teil 5, S. 139 f„ und vom 9. April 1986, in: Droit social 1986, Heft 12, S. 869 f. 25 J.-J. Dupeyroux, „Da dästabilisation du droit du travail“. Droit social 1986, Heft 12, S. 827.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und seiner Organe und der Bekundung einer Solidarisierung mit gesellschaftsschädlichen Verhaltensweisen oder antisozialistischen Aktivitäten bereits vom Gegner zu subversiven Zwecken mißbrauchter Ougendlicher. Die im Rahmen dieser Vorgehensweise angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen geführt; werden. Die in der gesellschaftlichen Front Zusammenzuschließenden Kräf- müssen sicherheitspolitisch befähigt werden, aktiver das Entstehen solcher Faktoren zu bekämpfen, die zu Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen frühzeitig zu erkennen und unwirksam zu machen, Aus diesen Gründen ist es als eine ständige Aufgabe anzusehen, eins systematische Analyse der rategischen Lage des Imperialismus und der ihr entsprechenden aggressiven revanchistischen Politik des westdeutschen staatsmonopolistischen Kapitalismus und der daraus resultierenden raffinierteren feindlichen Tätigkeit der Geheimdienste und anderer Organisationen gegen die Deutsche Demokratische Republik und andere sozialistische Länder dazu beizutragen, Überraschungshandlungen zu verhindern; entsprechend den übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Maßnahmen für den Verteidigungszustand vorzubereiten und durchzusetzen; Straftaten, insbesondere gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, gegen den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte sowie von Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik eine hohe politisch-operative Bedeutung.

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