Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 119

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 119 (NJ DDR 1988, S. 119); Neue Justiz 3/88 119 portation aller Insassen nach Auschwitz und räumte ein, daß auf die von seinem Referat ausgearbeiteten Schutzhaftanträge hin mindestens 48 Menschen in Konzentrationslager verbracht wurden und weitere 4 nach Festnahme im Polizeigefängnis zu Tode kamen. Erstmals vor dem Senat hat der Angeklagte die Anzahl der von ihm selbst begangenen Mißhandlungen konkretisiert. Daß er dabei eine Peitsche benutzte, konnte im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit zweifelsfreier Sicherheit festgestellt werden. Die Aussagen des Angeklagten stehen in allen wesentlichen Fragen mit den Aussagen der vom Senat vernommenen Zeugen, die selbst Opfer der faschistischen Willkür waren, in Übereinstimmung und auch nicht in Widerspruch zu den Aussagen der weiteren Zeugen A., K. und W. Gleiches gilt hinsichtlich weiterer Zeugenaussagen, die verlesen wurden. Als Aufzeichnungen verlesen bzw. vorgehalten hat der 1 Senat auch Auszüge und Schriftstücke aus den VdN-Unter-lagen von Opfern bzw. deren Angehörigen, soweit sie für das Verfahren Bedeutung hatten. Auch hieraus ergaben sich keine beachtlichen Widersprüche zu den eigenen Einlassungen des Angeklagten, jedoch wurden viele Tatumstände dadurch konkretisiert. Diese Aussagen der Zeugen und die verlesenen und J vorgehaltenen Aufzeichnungen und andere Beweismittel waren zugleich in sich eindeutig und begründen keine Zweifel an der Wahrheit der damit vermittelten Tatsachen. Der Sachverhalt beruht weiterhin auf verlesenen Schriftstücken bzw. deren beglaubigten Kopien, in denen Anweisungen der faschistischen Machthaber, insbesondere des RSHA und Aktivitäten der Staatspolizeileitstelle belegt sind. Weiterhin wurden verlesen: notwendige Auszüge aus Gesetzen und Verordnungen sowie Erlassen und anderen Festlegungen der faschistischen Machtorgane. Entsprechendes gilt für Hinweise und Informationen, die von den zuständigen Vertretern der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ an jüdische Menschen übermittelt werden mußten. Besondere Bedeutung für die Feststellung des Sachverhalts hatten schriftliche Auskünfte des staatlichen Museums von Oswigeim (VR Polen), deren deutsche Übersetzung verlesen wurde, und das mit Hilfe der tschechoslowakischen Regierungskommission zur Verfolgung von Nazi-Kriegsverbre-chen erstattete Gutachten des Museums Terezin. Zur Person des Angeklagten wurden Dokumente zu seiner Entwicklung sowie auch Weisungen und Dokumente der faschistischen Gestapo-Führung in der Hauptverhandlung gemäß § 51 StPO zur Kenntnis gebracht. Gleichermaßen wurden Personaldokumente zum Leben und Verhalten des Angeklagten nach 1945 zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht. Der Senat verlas in der Hauptverhandlung Auszüge aus dem Urteil des Internationalen Militärgerichtshofes gegen die Hauptkriegsverbrecher und aus den Urteilen des Obersten Gerichts gegen Globke und Fischer. Durch den festgestellten Sachverhalt ist die Teilnahme des Angeklagten an den verbrecherischen Maßnahmen des faschistischen deutschen Staates zur Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung bewiesen. Der Angeklagte ist demnach schwerer, vorsätzlich und mehrfach sowie im Rahmen des faschistischen Systems der Massenvernichtung arbeitsteilig begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig. Die Handlungen des Angeklagten erfüllen den Tatbestand des Art. 6 Buchst, c des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof (IMT-Statut) vom 8. August 1945. Dieses Statut enthält die für die Beurteilung der Handlungen des Angeklagten anzuwendenden völkerrechtlich verbindlichen Normen, die für die Rechtsprechung der Gerichte der DDR auf der Grundlage der Verfassung der DDR unmittelbar geltendes Recht sind und demnach die materiellen Tatbestände enthalten, die zur rechtlichen Einschätzung der verbrecherischen Tätigkeit des Angeklagten heranzuziehen sind. Das IMT-Statut hat entsprechend dem erklärten Willen der Völker, Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unnachsichtig zu bestrafen, in seinen Tatbeständen die bereits vorher völkerrechtlich anerkannten Verbote des Aggressionsverbrechens, des Völkermordes, des Mordes und der Mißhandlungen von Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung zu Verbrechenstatbestän- den ausgestaltet. Damit sind die zur Kennzeichnung und Aburteilung solcher staatlich organisierten Massenverbrechen, wie sie der deutsche Faschismus in Verfolgung der Ziele jener imperialistischen Kreise, die ihn an die Macht brachten und die auf die Ausrottung und Ausräubung ganzer Völker und Bevölkerungsteile ausgerichtet waren, begangen hat, erforderlichen strafrechtlichen Tatbestände definiert und für jene Staaten, die sich völkerrechtlich zum IMT-Statut bekennen, auch in ihrer Anwendung verbindlich festgelegt worden. Diese Tatbestände erfassen völkerrechtlich bereits zuvor als verbrecherisch erkannte Aggressions- und Terrorhandlungen und widersniegeln anerkannte humanitäre Auffassungen über die Achtung grundsätzlicher Rechte des Menschen auf Frieden, Leben, Gesundheit und Freiheit. Die Tatbestände des IMT-Statuts sind durch Entschließungen der Vereinten Nationen vom 11. Dezember 1946 und vom 21. November 1947 in ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeit bestätigt worden. Die daraus resultierende Pflicht aller Staaten, derartig charakterisierte Verbrechen unnachsichtig aufzudecken und die Täter entsprechend dem individuellen Maß ihrer Schuld abzuurteilen, und zwar ständig und unabhängig vom Zeitablauf seit der Begehung des Verbrechens, hat die DDR uneingeschränkt erfüllt und entspricht dieser Verpflichtung auch jetzt und in Zukunft. Auf der Grundlage der völligen Beseitigung des Faschismus und Militarismus und seiner politischen und ökonomischen Wurzeln, nämlich der Herrschaft des deutschen Imperialismus, auf dem Boden der DDR und angesichts der hier erfolgten Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ist die Wiederholung derartiger Verbrechen in Übereinstimmung mit der Staatsdoktrin, daß nie wieder von deutschem Boden ein Krieg ausgehen darf, unmöglich gemacht. Es entspricht zugleich dem Willen der friedliebenden Bevölkerung der DDR, im Interesse des Friedens der Menschheit und zur Warnung vor derartigen gegen ganze Menschengruppen gerichteten terroristischen Verbrechen jeden strafrechtlich zu verfolgen, der an den faschistischen Verbrechen mitgewirkt hat, auch wenn diese Verbrechen, wie im Falle des Angeklagten, 40 Jahre und mehr zurückliegen. Dem liegt das in Art. 8 der Verfassung der DDR erklärte Prinzip zugrunde, daß die allgemein anerkannten, dem Frieden und der friedlichen Zusammenarbeit der Menschen dienenden Regeln des Völkerrechts für die Staatsmacht und jeden Bürger der DDR verbindlich sind. Daraus ist in Art. 91 der Verfassung der DDR ausdrücklich die Bestimmung abgeleitet, daß die allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts über die Bestrafung von Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen unmittelbar geltendes Recht sind und derartige Verbrechen auch keiner Verjährung unterliegen. Damit wird die DDR der UNO-Konvention vom 26. November 1968 über die Nichtverjährbarkeit derartiger Verbrechen gerecht. Dem entspricht die ständige Rechtsprechung der Gerichte der DDR. Hiervon ausgehend, bestimmt sich die Verantwortlichkeit des Angeklagten Henry Schmidt aus der unmittelbaren Anwendung der im IMT-Statut genannten Tatbestände als materielles Strafrecht. Das ist in § 1 Abs. 6 EGStGB/StPO ausdrücklich und in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht geregelt. Die Handlungen des Angeklagten sind daher in Beachtung der vom Internationalen Militärgerichtshof selbst zur Anwendung dieser Tatbestände gegebenen und in der ständigen Rechtsprechung der Gerichte der DDR hervorgehobenen Auslegungen rechtlich zu würdigen. Seine Schuld war in Beachtung der vom Internationalen Militärgerichtshof vorgenommenen Verurteilung der Gestapo als verbrecherische Organisation streng individuell an den in Art. 6 Buchst, c IMT-Statut beschriebenen Begehungsweisen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu prüfen. Der Angeklagte hat in seiner dienstlichen Tätigkeit als Kriminalkommissar bei der Staatspolizeileitstelle Dresden also einer Gestapo-Dienststelle und zugleich als SS-Führer maßgeblich an der von den faschistischen Machthabern ersonnenen und in massenhafter und grausamer Weise durchgeführten Verfolgung und Ausrottung von jüdischen Menschen teilgenommen. Die Verfolgung dieser Menschen erfolgte;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 119 (NJ DDR 1988, S. 119) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 119 (NJ DDR 1988, S. 119)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte und Ausübung der Kontrolle ihrer Einhaltung; alle Unregelmäßigkeiten in den Verhaltensweisen der Inhaftierten und Strafgefangenen festzustellen und sofort an den Wachschichtleiter zu melden. Die Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes haben gegenüber den Inhaftierten und Strafgefangenen Weisungsrecht. Das Weisungsrecht bezieht sich auf - die Durchsetzung dieser Dienstanweisung, die Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung und - die Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln sowie die Nichtbefolgung der Weisungen der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten, zürn Beispiel das Nichtauf-stehen nach der Nachtruhe, das Nichtverlassen des Verwahrraumes zur Vernehmung, zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht erteilt. Das erfolgt auf der Grundlage von Konsularvertrg auch nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wird unter Beachtung der Ziele der Untersuchungshaft sowie fürdie Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt erwachsen können. Verschiedene Täter zeigen bei der Begehung von Staatsverbrechen und politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität - dringend verdächtigt gemacht haben. Die Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit bedeutet für alle Angehörigen der Linie den politisch-operativen Untersuchungshaft Vollzug auf der Grundlage der zentralen Orientierungen und Weisungen, den Maßnahmen der Vorbeugung, Schadensverhütung und der Öffentlichkeitsarbeit in allen gesellschaftlichen Bereichen noch mehr Aufmerksamkeit beizumessen.

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