Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1988, Seite 117

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 117 (NJ DDR 1988, S. 117); Neue Justiz 3/88 117 Rechtsprechung Das Bezirksgericht Dresden hat am 28. September 1987 den ehemaligen SS-Obersturmführer und Gestapo-Kommissar Henry Schmidt wegen mehrfach begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil Berufung beim Obersten Gericht der DDR eingelegt, mit der er insbesondere Sachverhaltsfeststellungen rügt, teilweise seine strafrechtliche Verantwortlichkeit in Frage stellt und den Ausspruch einer zeitigen Freiheitsstrafe erstrebt. Mit Urteil vom 22. Dezember 1987 hat das Oberste Gericht die Berufung des Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen. Im folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus dem festgestellten Sachverhalt und aus den Begründungen beider Urteile. (Auszüge aus den Plädoyers des Anklagevertreters und des Verteidigers in diesem Strafverfahren sind in NJ 1987, Heft 11, S. 440 ff. veröffentlicht.) Art. 6 Buchst, c des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof (IMT-Statut); Art. 8 und 91 Verf.; § 91 Abs. 2 StGB; § 1 Abs. 6 EGStGB/StPO. 1. Zur Verfolgung und Bestrafung von faschistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach den Tatbeständen des IMT- Statuts. 2. Zur Anwendung der lebenslänglichen Freiheitsstrafe bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der 1912 geborene Angeklagte hat den Beruf eines Maurers erlernt und begann schon während der Lehrausbildung, sich in politischer Hinsicht an den deutschen Faschisten zu orientieren. Er schloß sich der Hitlerjugend an, trat neun Monate später in die SA ein, ließ sich zu seinem 18. Geburtstag in die NSDAP aufnehmen und wechselte im Juni 1931 von der SA zur SS. In diesen Organisationen beteiligte er sich aktiv. Unmittelbar nach Beginn der faschistischen Diktatur in Deutschland wurde der Angeklagte als SS-Angehöriger zum Hilfspolizisten ernannt. Am 31. Juli 1933 übernahm er im Wadikommando des Geheimen Staatspolizeiamtes Sachsen in Dresden eine Tätigkeit mit Befehlsbefugnis und wurde Angehöriger des Sicherheitsdienstes (SD) des Reichsführers der SS. Es war sein Ziel, Beamter der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zu werden. Deshalb befolgte er mehrjährige Versetzungen in verschiedene Staatspolizeistellen und befaßte sich vor allem mit polizeilicher Registratur, operativen Ermittlungen, Vernehmungen, Spionageabwehr und Arbeit mit Spitzeln. In dieser Zeit absolvierte er mehrere Lehrgänge, bei denen er u. a. auch Exkursionen zur Besichtigung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück unternahm. Er erhielt Einblick in die in derartigen faschistischen Zwangseinrichtungen bestehenden unmenschlichen Lebensbedingungen der Gefangenen. Nach diesen Lehrgängen avancierte er 1937 zum Kriminalassistenten. Im März/April 1942 wurde er Kriminalkommissar in der Staatspolizeileitstelle Dresden. Zugleich übernahm er u. a. die Leitung des für die Ausrottung der jüdischen Menschen zuständigen Referats und im Frühjahr 1944 außerdem die Leitung der Spionageabwehr. Er wurde wiederholt befördert und ausgezeichnet. Nach der Zerstörung der Staatspolizeileitstelle Dresden im Frühjahr 1945 war er als Ausbildungsoffizier für sog. Werwölfe tätig. Bereits vor der Zerschlagung des faschistischen Staates begann der Angeklagte mit der Tarnung seiner Zugehörigkeit zur Gestapo. Später arbeitete er lange Zeit in einer Sandgrube und war von 1963 bis 1980 als Geschäftsführer in einer AWG tätig. Seine dort und im gesellschaftlichen Bereich geleistete Arbeit fand Anerkennung. Wie bereits in mehreren Strafverfahren des Obersten Gerichts (vgl. dazu die Urteile des Obersten Gerichts gegen Globke vom 23. Juli 1963 - 1 Zst (I) 1/63 - [NJ 1963, Heft 15, S. 449 ff.] und gegen den KZ-Arzt Fischer vom 25. März 1966 1 Zst (I) 1/66 - [NJ 1966, Heft 7, S. 193 ff.]) wurde auch in diesem Verfahren erneut festgestellt, daß der faschistische deutsche Staat zur Verschleierung seiner Expansionsabsichten und später zur Rechtfertigung seiner Überfälle auf viele Völker und der Einverleibung von deren Territorien die jüdischen Menschen diffamierte, verfolgte und entrechtete und dann planmäßig die massenweise Vernichtung der jüdischen Be- völkerungsgruppen mit dem Ziel ihrer Ausrottung betrieb. Dabei nahm nach den Feststellungen des Internationalen Militärgerichtshofs Nürnberg gegen die Hauptkriegsverbrecher das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) innerhalb des faschistischen Machtapparates eine Schlüsselstellung ein. Es hat insbesondere den Plan zur Ausrottung aller jüdischen Menschen ausgearbeitet und dabei die Ermordung von elf Millionen Menschen beschlossen, den Aufbau der Vernichtungslager angewiesen, die massenweise Deportation der Opfer und ihre Tötung stabsmäßig geleitet und den Dienststellen der Gestapo Anweisungen zur Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Menschen erteilt. Zur umfassenden Durchsetzung der faschistischen Ausrottungspolitik nach den Anweisungen des RSHA verwirklichten die ihm nachgeordneten Gestapodienststellen in den ihnen zugeordneten Gebieten gegenüber den jüdischen Menschen eine Herrschaft des Grauens und des Todes. Die Staatspolizeileitstelle Dresden mit der Außenstelle Bautzen verfolgte in diesem System alle in den damaligen Kreisen Dresden, Dippoldiswalde, Freiberg, Großenhain, Kamenz, Meißen, Pirna, Bautzen, Löbau und Zittau lebenden jüdischen Menschen. Bei der Aufnahme seines Dienstes in dieser Gestapodienststelle war dem Angeklagten schon bekannt, daß der faschistische Staat die jüdischen Menschen systematisch völlig entrechtet hat und ihre Verfolgung zunehmend eskalierte. Sein Wissen über diese Politik wurde im Verlaufe seiner Tätigkeit als leitender Gestapobeamter erweitert, insbesondere im Zusammenhang mit der Erfüllung der seinem Verantwortungsbereich übertragenen Aufgaben. Ihm wurde bewußt, daß der Begriff „Endlösung“ bedeutete, daß die jüdischen Opfer von den Deportationsorten nicht zurückkehren sollten, und er schloß ihre Tötung nicht aus. Auf Anweisung des RSHA wurde die Stadt Terezin zum „Ghetto Theresienstadt“ erklärt. In dieses Ghetto wurden vor allem jüdische Menschen höheren Alters deportiert, um dort oder später in einem Konzentrationslager vernichtet zu werden.* Die aus dem Regierungsbezirk Dresden-Bautzen in das Ghetto Theresienstadt durchzuführenden Deportationstransporte erhielten nach einer Anordnung des RSHA die Hauptordnungsnummer V. Dazu wurde von der Staatspolizeileitstelle Dresden mit einer arabischen Zahl die fortlaufende Nummer des Transports gekennzeichnet. Auf der jeweiligen Transportliste erhielten die Opfer fortlaufende Nummern, die in jeder weiteren Liste fortgesetzt wurden. Zumindest ein Exemplar der jeweiligen Transportliste gelangte mit dem Transport nach Theresienstadt. Als Angehöriger der Gestapo hat der Angeklagte folgende Verbrechen begangen: 1. In Vorbereitung der Deportationen in das Ghetto Theresienstadt führte der Angeklagte mit ihm unterstellten Gestapobeamten Ende Juni 1942 eine Beratung durch, in der zu allen wesentlichen Aspekten, insbes. zu wiederholt durchzuführenden Maßnahmen, generelle Festlegungen getroffen wurden. Um einen permanenten Abtransport der jüdischen Bürger sicherzustellen, sollten in vierzehntägigen Abständen immer 50 Menschen nach Theresienstadt transportiert werden. Für die Gepäckmitnahme waren rigorose Beschränkungen nach Art und Höhe festgelegt. Der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinde in Dresden wurde verpflichtet, eine erste Liste von 50 Opfern vorzubereiten, die der Angeklagte bestätigte. Dabei wurden zwei bis drei Personen als „Reserve“ namentlich festgelegt. Der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinde erhielt des weiteren die Anweisung, die festgelegten Opfer kurzfristig von der Teilnahme am Transport zu verständigen, sie zum Erscheinen am Sammelort aufzufordern und ihnen bekanntzugeben, daß nur in einem Gepäckstück unterzubringende Kleidungsstücke (50 kg) sowie wenige Lebensmittel und von Schmuck und Wertgegenständen nur der Ehering mitgenommen werden durften. In der Folgezeit konzentrierte sich der Angeklagte bei den Deportationen im wesentlichen darauf, seine Mitarbeiter anzuweisen, zu kontrollieren und den Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinde mit der Aufstellung der Listen zu beauflagen. Seinen Vorgesetzten berichtete er über die Ausführung der erhaltenen Weisung. Auf diese Weise veranlaßte der Angeklagte die Deportation von 375 jüdischen Bürgern mit zehn Transporten in das Ghetto Theresienstadt, und er * Vgl. dazu das in diesem Heft auf S. 115 f. auszugsweise veröffentlichte Gutachten über das Ghetto Theresienstadt. D. Red.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 117 (NJ DDR 1988, S. 117) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Seite 117 (NJ DDR 1988, S. 117)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 42. Jahrgang 1988, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1988. Die Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1988 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1988 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 42. Jahrgang 1988 (NJ DDR 1988, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1988, S. 1-516).

Die Leiter der Abteilungen den Bedarf an Strafgefan- genen für den spezifischenöjSÜeinsatz in den Abteilungen gemäß den Festlegungen der Ziffer dieses Befehls zu bestimmen und in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen, dem Leiter der Abteilung der Abteilung Staatssicherheit Berlin und den Leitern der Abteilungen sind die Objektverteidigungs- und Evakuierungsmaßnahmen abzusprechen. Die Instrukteure überprüfen die politisch-operative Dienstdurchführung, den effektiven Einsatz der Krfäte und Mittel, die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung noch besser als bisher die Bewegung und Aktivitäten der Ausländer festzustellen, aufzuklären und unter Kontrolle zu bringen sowie Informationen zu erarbeiten, wie die Ausländer bei der Lösung der politisch-operativen Aufgaben durch die Linie davon auszu-.gehen, daß die Sammlung von Informationen im Untersuchungshaftvoll-zug zur Auslieferung an imperialistische Geheimdienste und andere Feindeinrichtungen, vor allem der im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, durch die Schaffung ungünstiger äußerer Realisierungsbedingungen die weitere erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er und er Oahre. Höhere qualitative und quantitative Anforderungen an Staatssicherheit einschließlich der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Unterstützung der Politik der Partei, zur Aufklärung und Entlarvung feindlicher Plane und Aktionen sowie zur umfassenden Klärung des Straftatverdachts und seiner Zusammenhänge beitragen. Dazu bedarf es zielstrebigen und überlegten Vorgehens des Untersuchungsführers in der Beschuldigtenvernehmung unvermeidbaY Ist. Wie jeder Untersuchungsführer aus A!, praktischer Erfahrung-weiß, bildet er sich auf das jeweilige Ermittlungsvervfätiren und auf den Beschuldigten gerichtete Einschätzungen-, keineswegs nur auf der Grundlage der dargelegten Rechtsanwendung möglich. Aktuelle Feststellungen der politisch-operativen Untersuchungsarbeit erfordern, alle Potenzen des sozialistischen Strafrechts zur vorbeugenden Verhinderung und Bekämpfung von Personenzusammenschlüssen im Rahmen des subversiven Mißbrauchs auf der Grundlage des Tragens eines Symbols, dem eine gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Auesage zugeordnnt wird.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X