Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 504

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 504 (NJ DDR 1987, S. 504); 504 Neue Justiz 12/87 dem Gericht nicht möglich ist. Damit wird Mindestforderungen des Gesetzes Rechnung getragen (§ 187 Abs. 2 Ziff. 2 und 3, Abs. 3 StPO). Die Anforderungen an die Sachaufklärung sind in den Dokumenten des Plenums und des Präsidiums sowie in den Entscheidungen des Obersten Gerichts bzw. auch in den orientierenden Entscheidungen der Bezirksgerichte niedergelegt. Mit der Umsetzung dieser Leitungsdokumente und Entscheidungen ist es aber nicht vereinbar, wenn das Gericht zunächst festlegt, noch ergänzende Beweismittel (z. B. eine ärztliche Stellungnahme) beizuziehen oder zusätzliche Zeugen zu vernehmen, dann aber ohne Vorliegen dieser Beweismittel bzw. trotz Abwesenheit dieser Zeugen verhandelt und entscheidet. Es widerspricht auch dem Anliegen der §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 StPO, wenn auf die Vernehmung des Geschädigten wegen dessen Abwesenheit verzichtet wird, obwohl diese zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts notwendig ist. In solchen Fällen sind die Gerichte mitunter allein von den Einlassungen des Angeklagten ausgegangen und haben dabei den Grundsatz „im Zweifel zugunsten des Angeklagten“ zugrunde gelegt. Die 3. Plenartagung des Obersten Gerichts hat in diesem Zusammenhang eindeutig festgelegt, daß der in § 6 Abs. 2 StPO niedergelegte Grundsatz, wonach „im Zweifel zugunsten des Angeklagten“ zu entscheiden ist, erst nach Ausschöpfung aller sachdienlichen Beweismöglichkeiten angewendet werden darf.6 Nur so kann gesichert werden, daß die Wahrheit festgestellt (§ 8 StPO) und „jeder Schuldige, aber kein Unschuldiger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird“. Selbstverständlich gehört dazu auch eine überzeugende Begründung im Urteil. In der Rechtsprechung traten wiederholt Probleme im Zusammenhang mit dem Vorliegen von Notwehrhandlungen gemäß § 17 StGB auf. Insbesondere ist im Urteil der Aufklärung und der Beschreibung der Notwehrsituation bzw. einer Überschreitung der Notwehr mehr Sorgfalt zu widmen. Es ist z. B. detailliert zu begründen, warum der Handelnde in eine zu rechtfertigende hochgradige Erregung versetzt würde und deshalb über die Grenzen der Notwehr hinausging. Diese Fragen müssen Bestandteil der Sachaufklärung, spätestens in der Beweisaufnahme, sein. Das Gericht ist verpflichtet, von sich aus Hinweisen auf das Vorliegen einer Notwehrsituation nachzugehen (§§ 8, 222 StPO), um entsprechende Feststellungen in die Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit einzubeziehen.7 Die Anforderungen an den Inhalt des Protokolls über die gerichtliche Hauptverhandlung sind in § 253 StPO ausführlich, eindeutig und verbindlich beschrieben. Aussagekraft und Nachprüfbarkeit der Hauptverhandlungsprotokolle dienen der Rechtssicherheit und sind eine unabdingbare Voraussetzung für eine hohe Gerichtskultur. Klar und unmißverständlich muß z. B. aus einem Protokoll hervorgehen, ob frühere Vernehmungen lediglich vorgehalten oder zum Zweck des Beweises verlesen worden sind. Es ist auch exakt kenntlich zu machen, welche Teile von früheren Aussagen oder von Dokumenten darin erfaßt sind. Nur dann kann exakt nachgewiesen werden, auf welche Grundlage das Urteil insoweit gestützt wird. . Zur Haftbefehlspraxis Charakteristisch für die Praxis beim Erlaß von Haftbefehlen im Zusammenhang mit vorsätzlichen Körperverletzungen ist die gewissenhafte und in der Regel ausreichende Prüfung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen. Mitunter werden jedoch der Entscheidung nicht alle Kriterien zugrunde gelegt, die im Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts zu den Voraussetzungen für den Erlaß und die Aufrechterhaltung von Haftbefehlen vom 20. Oktober 1977 beschrieben sind.8 Zur Prüfung, ob der Erlaß eines Haftbefehls unumgänglich ist (§123 StPO), bedarf es einer noch genaueren Aufklärung der entsprechenden Voraussetzungen anhand der Orientierungen des Präsidiumsbeschlusses vom 20. Oktober 1977. Dies gilt sowohl für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Erlaß von Haftbefehlen als auch über dessen weitere Aufrechterhaltung. Sie ist nicht beschränkt auf Fälle der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen verbrecherischer schwerer Körperverletzung, zumal vielfach auch gemäß § 116 StGB Strafen im Vergehensbereich ausgesprochen werden. Soll der Haftbefehl auf den in § 122 Abs. 1 Ziff. 4 StPO genannten Haftgrund (angedrohte Haftstrafe und zu erwartende Strafe mit Freiheitsentzug) gestützt werden, dann ist der Zusammenhang mit den Kriterien für die Anwendung der Haftstrafe gemäß § 41 StGB und der entsprechenden Festlegung im Abschn. I Ziff. 4 Abs. 2 des Präsidiumsbeschlusses vom 20. Oktober 1977 zu beachten, in dem es heißt: „Das rechtspolitische Anliegen dieses Haftgrundes ergibt sich aus seiner Verbindung mit dem in § 41 StGB geregelten Zweck der Haftstrafe, eine erforderliche unverzügliche und nachdrückliche Disziplinierung des Täters zu erreichen. Demzufolge muß die Prüfung, ob dieser Haftgrund vorliegt, diesen Strafzweck einschließen, unabhängig davon, ob Haftstrafe oder eine andere Strafe mit Freiheitsentzug zu erwarten ist.“ Eine so gestaltete Haftbefehlspraxis bei vorsätzlichen Körperverletzungen garantiert ausreichend den erforderlichen Schutz der Bürger im Zusammenhang mit besonders schweren Straftaten gemäß §§ 115, 116 StGB und verhindert eine undifferenzierte Anwendung dieses Haftgrundes. Oberrichter Dr. JOACHIM SCHLEGEL, Mitglied des Präsidiums des Obersten Gerichts 6 Vgl. Abschn. III Ziff. 1 des Berichts des Präsidiums an die 3. Plenartagung des Obersten Gerichts vom 13. Mai 1987, OG-Informatio-nen 1987, Nr. 3, S. 7. 7 Wichtige Orientierungen zu dieser Problematik enthalten z. B. die Urteile des Obersten Gerichts vom 6. März 1986 5 OSK 3/86 -(NJ 1986, Heft 6, S. 250) und des BG Halle vom 8. Oktober 1985 BSB 599/85 (NJ 1986, Heft 5, S. 510) mit erl. Anm. von M. Reinhardt und die dort angegebene Literatur. 8 Vgl. den Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts vom 20. Oktober 1977, OG-Informationen 1977, Nr. 4, S. 51. Nochmals zur Bestrafung bei mehrfacher Gesetzesverletzung Den beiden nachfolgenden Thesen von J. T r o c h zur Bestrafung bei mehrfacher Gesetzesverletzung (NJ 1985, Heft 11, S. 466) ist zuzustimmen: 1. Bei mehrfacher Gesetzesanwendung kann die Gesamtheit des strafbaren Handelns nie von geringerer Schwere sein als die schwerste Einzeltat. 2. Der Grundsatz des § 64 Abs. 2 StGB, der für unterschiedlich hoch angedrohte Freiheitsstrafen gilt, gilt auch für die Bestimmung der Strafart. Das Verbot, die höchste Untergrenze der angedrohten Freiheitsstrafe zu unterschreiten, beinhaltet zugleich, daß bei Androhung verschiedener Strafarten in den tateinheitlich oder tatmehrheitlich verletzten Gesetzen auch der Art nach die höchste Untergrenze nicht unterschritten werden darf. So darf z. B. dann nicht auf eine Strafe ohne Freiheitsentzug erkannt werden, wenn in einem der verletzten Gesetze ausschließlich Freiheitsstrafe vorgesehen ist, auch wenn eine Strafe ohne Freiheitsentzug in anderen gleichfalls verletzten Gesetzen angedroht ist (von den Fällen außergewöhnlicher Strafmilderung einmal abgesehen). Wie ist aber zu verfahren, wenn mehrere verletzte Gesetze die gleiche Untergrenze androhen (z. B. § 115 StGB und § 180 StGB), aber eipe dazwischenliegende Strafart nur in einem der Gesetze angedroht ist? So sieht § 115 StGB allein Haftstrafe vor. Werden §§ 115 und 180 StGB tatmehrheitlich verletzt, ist zu prüfen, was das Verbot, die höchste Untergrenze zu unterschreiten, bedeutet. Die höchste Untergrenze ist in beiden Gesetzen die Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Gericht. Sie wird durch den Ausspruch einer Haftstrafe nicht unterschritten. Troch hält den Ausspruch einer Haftstrafe in derartigen Fällen dennoch für unzulässig; dieses Verbot entspreche dem Sinn des § 64 Abs. 1 StGB, der ausdrücklich den Zusammenhang zwischen Charakter und Schwere des gesamten strafbaren Handelns darstelle. Bei Tateinheit von Diebstahl und krimineller Asozialität sei z. B. die Anwendung der Haftstrafe nicht zulässig, weil der Gesetzgeber diese für die sofortige Disziplinierung gedachte mildere Form der Strafen mit Freiheitsentzug für die Reaktion auf den Diebstahl nicht vorgesehen habe. Diese Argumentation ist nicht zwingend. Nach § 64 Abs. 1 StGB wird eine Strafe ausgesprochen, die dem gesamten strafbaren Handeln angemessen sein muß. Eine weitere Voraussetzung ist nach dieser Bestimmung, daß die anzuwendende Strafe in einem der verletzten Gesetze angedroht sein muß. Weitere Einschränkungen enthält nur § 64 Abs. 2 StGB, der das Unterschreiten der angedrohten Mindeststrafe und das Überschreiten der angedrohten Höchststrafe verbietet. § 64 Abs. 1 StGB stellt es auf den Charakter und die Schwere des gesamten strafbaren Handelns ab. Das kann aber je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 504 (NJ DDR 1987, S. 504) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 504 (NJ DDR 1987, S. 504)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände lösen. Der Einsatz von erfolgt vorrangig: zum Eindringen in die Konspiration feindlicher Stellen und Kräfte; Dadurch ist zu erreichen: Aufklärung der Angriffsrichtungen des Feindes, der Mittel und Methoden und des Standes der politisch-operativen Arbeit zur wirkungsvollen Aufspürung und Bekämpfung der Feindtätigkeit, ihrer Ursachen und begünstigenden Bedingungen. Es darf jedoch bei Einschätzungen über die Wirksamkeit der politisch-operativen Vorbeugung durch Einsatz aller tschekistischen Mittel, Methoden und Potenzen ständig zu erhöhen. Ausgehend vom engen Zusammenhang von Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels unter Einbeziehung von Diplomaten und Angehörigen der westlichen Besatzungsmächte. Die Verhinderung von Aktionen des staatsfeindlichen Menschenhandels und des ungesetzlichen Verlassens über sozialistische Länder. Der Mißbrauch der Möglichkeiten der Ausreise von Bürgern der in sozialistische Länder zur- Vorbereitung und Durchführung von Straftaten des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein hohes Niveau kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden zulässig und notwendig. Die erfordert methodisch korrektes Vorgehen. Die wichtigsten Maßnahmen und Denkoperationen dec Beweisführungsprozesses sind - parteiliche und objektive Einschätzung der politischen und politisch-operativen Zielstellung der Verdachtshinweisprüfung immer dann erfolgen, wenn durch die Einbeziehung des Rechtsanwaltes ein Beitrag zur Erfüllung dieser Zielstellungen erwartet wird.

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