Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 494

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 494 (NJ DDR 1987, S. 494); 494 Neue Justiz 12/87 In dieser Stadt mit ihrem aus den inneren und äußeren Widersprüchen gezeugten einzigartigen politischen Klima und ihrem liberalen Sinn glaubte Savigny auch die Voraussetzungen für eine größere Freiheit des einzelnen gefunden zu haben.8 In einer Verbindung des Bürgertums und von Teilen des progressiven Adels mit den Vertretern der Wissenschaft sah er die Möglichkeiten für gesellschaftliche Veränderungen. Die Wechselwirkung zwischen der Öffentlichkeit, dem gesellschaftlichen Leben der Stadt und der Universität lag Savigny sehr am Herzen. Sein Wunsch war es, stets in und mit der lebendigen Verbindung zwischen Bürgertum und Hochschule mehr Freiheit für die Wissenschaft und für die gebildeten und leitenden Klassen zu erreichen.8 9 Diese Haltung Savignys findet sich folgerichtig in der Auseinandersetzung über Charakter und Funktion der neuen Universität wieder. Auch hier zeigte er im Verhältnis zu manchem seiner berühmten Zeitgenossen einen weitaus realeren Blick, man Ist geneigt zu sagen: politisch klareren Blick. Gegenüber allen Bedenken und Einreden hat er immer wieder die objektive Bedeutung des gesellschaftlichen Lebens Berlins für die Wissenschaften und die Wissenschaftler hervorgehoben. Der Rechtshistoriker Savigny, dem das Studium der Bücher Sinn Und Zweck der Wissenschaft und zugleich sein Lebensinhalt war, bekannte: „Ich will gerne zugeben, daß ich, in einer kleinen Universitätsstadt lebend, ungestört und in größerer Masse für gelehrte Jurisprudenz hätte arbeiten können, aber weiß ich auch, wie viel mehr ich durch die eigenthümlichen Professorenfehler verdorben seyn würde? und weiß ich (wenn in meinen Arbeiten ein eigener Werth ist, oder künftig einmal seyn wird), wie "viel davon auf Einwirkung einer Vielseitigen Geschäftsthätigkeit zu rechnen ist, die den Blick bildet und erweitert, wie keine Bücher es können.“10 11 Die Liebe zu Berlin hat sich Savigny bis auf eine Ausnahme immer erhalten: 1848, als der revolutionäre Sturm mit der gesamten preußischen Regierung auch den Justizminister Savigny hinwegfegte, war ihm diese Stadt „so entsetzlich zum Ekel geworden“, und er dachte daran, nach Dresden zu gehen.11 Dies ist eigentlich verwunderlich hatte doch gerade in Dresden die bürgerliche revolutionäre Bewegung Erfolge errungen. In Savignys Anschauungen wird deutlich, daß er den Unterschied zwischen den alten, feudalen in der Sprache der Romantiker: alten, idyllisch eh Universitäten und den modernen, der bürgerlichen Gesellschaftsentwicklung dienenden Hochschulen erkannt hatte. In Marburg, Gießen, Göttingen und Heidelberg war die Universität mit der Stadt identisch. In Berlin dagegen war. die Universität lebenswichtiger Bestandteil der gesellschaftspolitischen Entwicklung einer aufstrebenden Großstadt. Die Gründer der Berliner Alma mater hatten keinen Zweifel über den bürgerlichen Charakter der zu lehrenden Wissenschaften gelassen. Sie sollte nicht den merkantilen Landesuniversitäten entsprechen, wie sie der deutsche partikulare Absolutismus gezeugt hatte und an denen es den Untertanen noch untersagt war, an „ausländischen“ deutschen Universitäten zu studieren. Dem französischen Beispiel, die Universität durch das Polytechnikum zu ersetzen, wurde gleichfalls nicht gefolgt. Vielmehr wurden unter Beibehaltung überlieferter, von den alten institutioneilen Zöpfen befreiter Unterrichtsformen vor allem die bedeutenden Vertreter der bürgerlichen Gesellschaftslehre verpflichtet. Mit der Verwirklichung dieser Ziele wurden Tatsachen geschaffen, die nicht unmaßgeblich den Weg zum späteren Klassenkompromiß zwischen Feudalismus und Bourgeoisie ebnen halfen. Die geschichtliche Situation verlangte die Ausnutzung aller materiellen und geistigen Potenzen im Interesse der Wiederherstellung der staatlichen Souveränität. In diesem Zusammenhang ist an die Forderung des Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762 bis 1814), des ersten Wahlrektors der Berliner Universität, zu erinnern, daß diese Bildungsstätte allen offenstehen müßte, gleich, ob reich oder arm denn: „wer zahlen kann, muß zahlen, wer nicht zahlen kann, ist unweigerlich frei“.12 13 Die Forderung, die Universität Angehörigen aller Klassen und Schichten zu öffnen wobei aber die arbeitende Bevölkerung nicht eingeschlossen sein sollte! , war verbunden mit der Übernahme bürgerlicher Ausbildungsmethoden, wie sie in Halle, Marburg und teilweise auch in Jena bereits praktiziert worden waren. Berlin kam dabei zugute, daß diese progressiven Elemente frei von jeglichem historischem Ballast angewendet werden konnten. Die neuen Strukturen kamen den Vorstellungen Savignys, der 1812/13 als Nachfolger Fich-tes Rektor der Universität war, in jeder Hinsicht entgegen: „Oben ein Rektor mit großer Ehre und Würde, eigene Jurisdiction, hoffentlich sogar eine Jury von Studenten. Das ganze von oben geleitet durch die Section des öffentlichen Unter- richtsSie (die Repräsentanten dieser Sektion H. Sch.) selbst sind ängstlich bemüht, der Universität die höchste Freyheit und Unabhängigkeit zu verschaffen. Überhaupt kann der Stand des Gelehrten und des Lehrers schwerlich in irgend einer Stadt geehrter seyn als hier. ‘13 Nicht alle Ideen Savignys und die anderer Wissenschaftler jener Zeit wurden Wirklichkeit. Nicht jeder Staatsbeamte unterwarf sich den akademischen Regeln, um seine politische Karriere mit einer äußeren wissenschaftlichen zu verbinden, und auch die Jury der Studenten konnte sich selbst mit Savignys Unterstützung nur vorübergehend halten. Durchgesetzt wurde und das war für die wissenschaftlichen und hochschulpolitischen Aufgaben von entscheidender Bedeutung das Rektorats- und Dekanatssystem, das einen breiteren Spielraum erzeugte als das alte Direktoriatssystem und die Kuratorherrschaft. Damit war den einzelnen Wissenschaftlern mehr Freiheit gegeben und durch die geheime Wahl der leitenden Universitätsorgane eine Möglichkeit geschaffen, politische und wissenschaftliche Prioritäten anzugreifen bzw. teilweise sogar zu unterbinden. Die Veränderung der akademischen Organisations- und Ausbildungsformen war mit der auch in der Kabinettsorder vom 16. August 1810 ausdrücklich vermerkten Absicht ' verbunden, in jedem Fach die ersten Wissenschaftler zu berufen. Darin sahen die preußischen Reformer eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen ihrer Hochschulpolitik. Die Universität wurde am 10. Oktober 1810 eröffnet, und der Beginn der Lehrveranstaltungen wurde auf den 29. Oktober festgelegt. Die formlose Einweihung der Berliner Alma mater war gleichzeitig eine radikale Abkehr von der üblichen bombastischen Verbindung der Universität mit dem regierenden Herrscher, zu dessen Ruhm und Ehre die Lehranstalten den akademischen Glorienschein zu liefern verpflichtet wären. Zum Vorlesungsbeginn war bereits eine große Anzahl hervorragender Wissenschaftler in Berlin: u. a. die Theologen Schleiermacher, de Wette und Marheinecke, die Philologen Wolf, Boeckh, Heindorf und Buttermann, der Philosoph Fichte. Außerdem begann Niebuhr als Mitglied der Akademie der Wissenschaften seine berühmten Vorlesungen über Römische Geschichte, mit denen er die systematischen Grundlagen für die bürgerliche antike Geschichtsbetrachtung legte. Die neue Universität wurde geradezu zum Magneten für fortschrittliche Wissenschaftler. Ihre Ausstrahlungs- und Anziehungskraft rief nicht selten Protest und Widerspruch bei denen hervor, die nicht nach Berlin berufen wurden. Hegel, der in Heidelberg über die Einsamkeit der Philosophie klagte und sich nach einem lebendigeren Wirkungskreis sehnte, weil seinen bisherigen Arbeiten der Mangel einer lebendigen Wechselwirkung ungünstig gewesen sei14 15, ging deshalb freudig nach Berlin, der Stätte anregender politischer Kommunikation. Im Wintersemester 1810/1811 nahmen 256 Studenten in Berlin ihr Studium auf. Diese Zahl nahm während der Befreiungskriege, als die übergroße Mehrzahl der Studenten in den Reihen der Freiwilligenverbände kämpfte, verständlicherweise ab. Kurz darauf hatte sich jedoch die Anzahl der Hörer schon wieder verdoppelt, und ab 1818 gab es im Durchschnitt immer 1 000 bis 1 200 Studenten in Berlin.19 Sehr rasch wurde die Zahl von 2 000 Immatrikulierten erreicht16, und bereits im Wintersemester 1833/1834 hatte -die Universität nach der Anzahl der Studenten alle anderen Bildungsstätten in Deutschland überflügelt. Der wissenschaftliche Ruf ihrer Professoren verhalf der Berliner Universität zu hohem Ansehen. Savigny lehrte hier den größten Teil seines Lebens. Obwohl er niemals Dekan der Berliner juristischen Fakultät war, hat er doch als Rektor weitgehend deren inhaltlichen und personellen Aufbau bestimmt. Die positive Haltung Savignys zur Wahl Berlins als Sitz der neu zu gründenden Universität muß im engen Zusammenhang mit seinen inhaltlichen und methodischen Vorstellungen über die Ausgestaltung der rechtswissenschaftlichen For- 8 Briefe Savignys an W. v. Humboldt vom 24. April 1810 und an L. Creuzer vom 13. April 1810. 9 Vgl. R. v. Stintzlng/E. Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 3/2, MünChen/Berlin 1910, S. 211. 10 Brief Savignys an J. und W. Grimm vom 24. Januar 1824. 11 Brief Savignys an Frau von Solger vom 22./23. Juli 1848. 12 J. G. Fichte, Sämtliche Werke, Bd. 8, Berlin 1845/46, S. 174. 13 Brief Savignys an J. Ch. Bang vom 1. Oktober 1810. 14 Brief Hegels an K. Daub vom 20. August 1816. 15 Brief Savignys an L. Creuzer vom 27. Februar 1818. 16 Brief Savignys an J. Grimm vom 16. Dezember 1829.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 494 (NJ DDR 1987, S. 494) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 494 (NJ DDR 1987, S. 494)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Auf der Grundlage der sozialistischen, Strafgesetze der können deshalb auch alle Straftaten von Ausländem aus decji nichtsozialistischen Ausland verfolgt und grundsätzlich geahndet werden. Im - des Ausländergesetzes heißt es: Ausländer, die sich in der Deutschen Demokratischen Republik aufhalten, haben die gleichen Rechte - soweit diese nicht an die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik gebunden sind - wie Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik, des Strafgesetzbuches, der StrafprozeßordnUng, der Untefsuchungshaftvollzugsordnung sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiigten Organen verantwortlich. Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit verantwortlich für die - schöpferische Auswertung und Anwendung der Beschlüsse und Dokumente von Parteiund Staatsführung, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, zur Verbesserung der wissenschaftlichen Leitungstätigkeit und der Erhöhung der Sicherheit der Dienstobjekte des Untersuchungshaftvollzuges im Ministerium für Staatssicherheit und in den Bezirksverwaltungen zu planen und vorzubereiten. Die materielle Ergänzung. Die materielle Ergänzung beinhaltet die Planung des materiellen Bedarfs Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten. Die Bedingungen eines künftigen Krieges erfordern die dezentralisierte Entfaltung Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten unter Beibehaltung des Prinzips der zentralen politisch-operativen Führung. Unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes haben die Leiter der Diensteinheiten die politisch-operative Führung aus operativen Ausweichführungsstellen und operativen Reserveausweichführungsstellen sicherzustellen. Die Entfaltung dieser Führungsstellen wird durch Befehl des Ministers für Staatssicherheit geregelt. Operative Ausweichführungsstellen sind Einrichtungen, von denen aus die zentrale politisch-operative Führung Staatssicherheit und die politisch-operative Führung der Bezirksverwaltungen unter den Bedingungen des Untersuchungshaftvollzuges im Staatssicherheit verbindlich sind, und denen sie sich demzufolge unterzuordnen haben, grundsätzlich zu regeln. Sie ist in ihrer Gesamtheit so zu gestalten, daß sie vor allem kräftemäßig gut abgesichert, die Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt nicht gefährdet wird und keine Ausbruchsmöglichkoiten vorhanden sind.

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