Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 442

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 442 (NJ DDR 1987, S. 442); 442 Neue Justiz 11/87 ihres Sohnes gewidmet hat, der sein Leben zur Rettung seiner Mutter einsetzte und es verlor, ist der Nachwelt erhalten geblieben, wie diese mutige Verzweiflungstat endete. Auf Veranlassung eines Polizeibeamten war der Angeklagte alarmiert worden. Als er im Gefängnis eintraf, hatte Horst Weigmann keine Chance mehr. Von Schmidt und fünf Polizisten überwältigt, wurden ihm die Hände auf den Rük-ken gedreht und mit Handschellen gefesselt. Sodann fielen Schmidt und die Polizeischergen über den Wehrlosen her, was der Angeklagte in der Hauptverhandlung als Abbau seiner Aggression bezeichnete. „Wäre es doch“, meinte er, „nicht auszudenken gewesen, wenn die Sache geglückt wäre.“ Am nächsten Morgen war Horst Weigmann nicht mehr am Leben. Zynisch hatte Schmidt der Mutter erklärt: „Wir haben deinen Sohn nicht, wie du denkst, erschlagen. Er hat sich wirklich selbst aufgehängt. Das war anständig von ihm, sonst hätten wir ihn aufhängen müssen“. Horst Weigmann war, wie die Beweisaufnahme ergab, nicht der einzige jüdische Patriot, der im Gefängnis der Dresdner Gestapo den Tod gefunden hatte. Allein aus der Zeit der Osterfeiertage des Jahres 1943 sind drei weitere Todesfälle bekannt. Nach der Version der Folterknechte aus dem Gestapoquartier in der Bismarckstraße hatten alle drei Personen „Selbstmord“ begangen. Im Ergebnis der Hauptverhandlung wurde auch der 2. Komplex der Anklage bewiesen, die Mitwirkung des Angeklagten an der Ermordung von mindestens 300 Männern, Frauen und Kindern durch ihre Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz. Wie im Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher, wie auch in durch Gerichte der DDR geführten Prozessen, so dem Strafverfahren des Obersten Gerichts gegen den KZ-Arzt von Auschwitz, Horst Fischer, so wurde auch in diesem Verfahren und im besonderen Maße bei der Beweisaufnahme zu diesem Komplex der Anklage das enge und arbeitsteilige Zusammenwirken von Gestapo, Polizei, Konzernen, Nazipartei und anderen Organen des Nazistaates bei der Ausrottung der Juden offenbar. Am 23. November 1942 wurden unter Leitung des Angeklagten mindestens 300 Männer, Frauen und Kinder in das sog. Judenlager in Dresden-Hellerberg verschleppt. Das diente der Gestapo sowohl zur Vorbereitung der Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz als auch dazu, der Rüstungsindustrie die arbeitsfähigen Lagerinsassen als Arbeitssklaven zur Verfügung zu stellen. Der Bildung des Lagers war am 10. November 1942 eine Beratung vorausgegangen, an der folgende Personen teilgenommen hatten: der Anger klagte und sein Vertreter, Köhler von der Kreisleitung der NSDAP und fünf namentlich aufgeführte Männer der Zeiss-Ikon-AG. Sie einigten sich über folgende Arbeitsteilung, daß der Konzern Bettgestelle, Strohsäcke und pro Familie einen Schrank bereitstellt, Kommissar Schmidt die Selbstverwaltung ernennt, die Lagerordnung festlegt und Richtlinien für die Bewachung erläßt und die in das Lager verschleppten Juden Miete zu zahlen und für die Kosten der Bewachung aufzukommen haben. Gestapo und Konzerne- waren sich auch darüber einig, daß es sich bei dem Lager nur um eine Zwischenstation ins Krematorium handelt. So heißt es in der Niederschrift über die Beratung, „daß die als Lagerinsassen zugewiesenen Juden auch dann im Lager verbleiben , wenn sie nicht mehr bei Zeiss-Ikon beschäftigt sind, und zwar bis zum Zeitpunkt des Abtransports“. Der „Abtransport“ erfolgte bereits drei Monate später, am 2. März 1943. Eichmann gab das Startzeichen. Er wies an, die Insassen des Lagers einem Sammeltransport des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) anzugliedern, dessen Bestimmungsort das Konzentrationslager Auschwitz war. Referatsleiter Schmidt kannte seine Rolle in diesem tödlichen Spiel. Unverzüglich erklärte er das Lager zum Polizeigefängnis. Für den Fall des versuchten Verlassens des Lagers wurde, wie wir vom Zeugen Justin Sonder wissen, Schußwaffengebrauch angedroht. Unter Leitung des Angeklagten wurden die 300 Insassen zum Güterbahnhof Dresden-Neustadt verbracht und in den bereitstehenden Güterzug, einen Sammeltransport des RSHA, verladen. In Auschwitz erfolgte auf der Laderampe die inzwischen weltbekannte Prozedur der Selektion durch SS-Ärzte. Die Mehrheit der Opfer wurde unverzüglich in die Gaskammern getrieben und ermordet. Mehrere Bände der Prozeßakten enthalten Dokumente aus der Nazizeit, die als „Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Bekanntmachungen“ gekennzeichnet sind. Ihr In- halt man könnte glauben, der Teufel habe den Verfassern die Hand geführt widerlegt erneut solche irrigen Auffassungen, daß der faschistische Staat seine verbrecherischen Ziele fast ausschließlich mit außergesetzlichem Terror und regelloser Willkür vollzogen habe. Das Gegenteil ist der Fall: Sämtliche Massenverbrechen, so auch das Verbrechen „Endlösung der Judenfrage“, d. h. die Ermordung vieler Millionen Menschen wegen ihrer Herkunft, wäre zumindest in diesem Umfang und dieser Perfektion ohne ein System geplanter und auch in Paragraphen gekleideter Normativakte nicht funktionsfähig gewesen und unvollkommen geblieben. Wir konnten uns erneut davon überzeugen, daß den Juden im wesentlichen nur ein „Recht“ verblieben war: das „Recht“, sich das Leben zu nehmen. Das wurde in der Hauptverhandlung dutzendfach bestätigt, so auch durch Zeugen, deren Aussagen schon deshalb von besonderer Gewichtigkeit sind, weil sie sich selbst in der Gewalt der Dresdner Gestapo, in der Gewalt des Angeklagten Schmidt und seiner Folterknechte befunden hatten. Ihre Aussagen sind repräsentative Zeugnisse der Leiden, die 985 Dresdner Bürger jüdischer Herkunft erduldet haben, sie sind Zeugnisse der Verfolgung und des Untergangs der Dresdner Gemeinde. So Frau Ilse Sabarstinski: Kommissar Schmidt legte ihr zur Last, daß ihr ein Bekannter in einem Brief geschrieben hatte, auszuhalten, da „der Schuppen bald zusammenbricht“. In ohnmächtiger Wut war der Angeklagte über .die Zeugin hergefallen, hatte sie mit den Fäusten und mit einem Lineal geschlagen und sie mit den Füßen getreten. „Und er hatte so viel Kraft“, sagte die kleine zierliche Frau als Zeugin vor diesem Gericht. Frau Iren Henniger war zur Gestapo verschleppt worden, um die Ehescheidung von ihrem nicht jüdischen Ehemann zu erzwingen. Der berüchtigte Vertreter des Angeklagten, Müller, hatte sie unterwegs bereits zur Elbe getrieben und sie drohend aufgefordert, ins Wasser zu springen. Zum Glück, meinte die Zeugin, seien Leute in der Nähe gewesen, sonst hätte der Gestaposcherge auch an ihr einen „Selbstmord begangen“. Nachdem Frau Henniger durch Müller und Klemm drei Zähne ausgeschlagen worden waren, wurde sie dem Angeklagten vorgeführt. Die Folterknechte hatten ihr bereits angekündigt, daß sie nun etwas erleben werde. Als sie ins Gefängnis zurückgebracht worden war, hatten sie die Zellengenossen nur noch an ihren Haaren erkannt. Ihr Gesicht war zur Unkenntlichkeit zerschlagen. Nach der Beweisaufnahme bedarf es keiner Begründung mehr, daß sich die leidgeprüften Menschen bereits vor ihrer Deportation Tag und Nacht in der Gewalt der Gestapo befanden und nahezu rund um die Uhr Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren: Zur Erleichterung ihrer bevorstehenden Deportation waren sie in sog. Judenhäusern zusammengepfercht, die sie nur zu vorgeschriebenen Zeiten verlassen durften. Sie hatten Zwangsarbeit zu leisten. Sie waren durch den gelben Stern von der anderen Bevölkerung isoliert, durften nur die „für eine bescheidene Lebensführung“ erforderliche Kleidung besitzen, wofür die Gestapo die Maßstäbe setzte, erhielten außer geringen Zuteilungen an Brot, Kartoffeln und Rüben keine weiteren Lebensmittel,-und wurden auch aus bestimmten Bereichen ■ der Stadt verbannt. Selbst Haarschneidemaschinen, Scheren und Kämme hatten sie abzuliefern, und neben anderen Dienstleistungen war es ihnen unter Androhung staatspolizeilicher Maßnahmen verboten, einen Friseur aufzusuchen. Die von der Nazipropaganda als „Untermenschen“ Verteufelten sollten in ihrem Äußeren nach dem Modell verunstaltet werden, das die Nazipropaganda in ihrem Hetzblatt „Der Stürmer“ und mit dem Greuelfilm „Jud Süß“ geschaffen hatte. Anfang 1945 lebten in Schmidts Bereich nur noch 100 bis 110 Bürger jüdischer Herkunft. Diese erreichte am 13. Februar 1945 der schockierende Befehl, sich „auf Anweisung der Dienststelle der Geheimen Staatspolizei Dresden“ am 16. Februar 1945 früh 6.45 Uhr mit einem Stück Handgepäck in der Zeughausstraße zur Verschickung zum „Arbeitseinsatz“ einzufinden. Der Angeklagte konnte das begonnene Vorhaben, das für Dresden die „Endlösung der Jugendfrage“ bedeutet hätte, nicht mehr vollenden. In der Nacht vom 13. - zum 14. Februar 1945 versank die Stadt in Schutt und Asche, jind die jüdischen Bürger, soweit sie das Inferno überlebten, schlossen sich dem Strom der Flüchtlinge an, die versuchten, sich aus dem Flammenmeer zu retten. Einige, die die 12jährige Gestapoherrschaft überlebten, sind als Zeugen vor diesem Gericht erschienen. Jm Namen des Generalstaatsanwalts der DDR zolle ich ihnen größte Hochachtung. Ich bedaure es außerordentlich, daß wir es ihnen nicht ersparen konnten, noch einmal mit den schrecklichsten Jahren ihres Lebens konfrontiert zu werden und;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 442 (NJ DDR 1987, S. 442) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 442 (NJ DDR 1987, S. 442)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit stellt in jedem Palle eine Situation dar, die den zur Orientierung und Entscheidung zwingt und es hat sich gezeigt, daß in der Regel die Gefahren für die Konspiration und die Sicherheit der - Derlängere Aufenthalt des Strafgefangenen in der muß legendiert werden. Ebenso!egendiert werden die Konsequenzen, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Hausordnung - erarbeitet auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister Gemeinsame Festlegung der Hauptabteilung und der Abteilung zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Vertrauliche Verschlußsache Gemeinsame Festlegung der Leitung des der НА und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung Verhafteter und Strafgefangener in den Untersuchungshaftanstalten des. Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit. Der politisch-operative UntersuchungshaftVollzug stellt einen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen zur Sicherung des Ei- Vf- gentums Beschuldigter!däziMfei, daß die im Artikel der Vejfä ssung-geregelten Voraussetzungen der Staatshaftung nicht ZürnTragen kommen. Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Die Untersuchungshaft wird in den Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums des Innern und Staatssicherheit vollzogen.

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