Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 326

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 326 (NJ DDR 1987, S. 326); 326 Neue Justiz 8/87 Die von der Monopolbourgeoisie eingeleitete „arbeitsrechtliche Wende“ der Gegenwart Es wird gegenwärtig von einer der politischen Rechtswende entsprechenden „arbeitsrechtlichen Wende“, von einer „Gegenreform“ im Arbeitsrecht gesprochen. Damit ist nicht dessen Aufhebung gemeint, obwohl extrem konservative Kräfte auch dafür plädieren8; vielmehr geht es um eine weitere Aushöhlung der die Arbeiterklasse begünstigenden Rechtsinstitute, ohne diese generell in Frage zu stellen. Die Monopolbourgeoisie muß aus ihrer allgemeinen Interessenlage heraus darauf bedacht sein, „sozialpartnerschaftliches Zusammenwirken“ mit den Gewerkschaften nicht gänzlich aufzugeben. Das ist aber nur möglich, wenn ein gewisses Mindestmaß an Zugeständnissen beibehalten wird. Die Sozialpolitik des Staates war und bleibt ein wichtiger Hebel zur Beeinflussung der Klassenverhältnisse und des Klassenkampfes, und deshalb wird der bürgerliche Staat auch nicht auf sie verzichten, andernfalls würde er eine Legitimationsgrundlage des staatsmonopolistischen Kapitalismus aufgeben.9 Tatsächlich wird aber die materielle Basis für die Sozialpolitik gegenwärtig aus verschiedenen Gründen geringer. Damit treten restriktive Züge im Arbeitsrecht stärker hervor; ideologische Wertungen wie „Opferbereitschaft“ oder „Verzicht auf individuelle Ansprüche im Interesse des Ganzen“ nehmen zu. Das ist aber kein Zurückgehen, kein Schrumpfungsprozeß der sozialpolitischen Funktion des bürgerlichen Staates.10 11 Deshalb wäre es auch falsch, die „arbeitsrechtliche Wende“ nur in der Form einer Beschneidung erkämpfter Rechte und sozialer Zugeständnisse zu sehen. Mit ihr versucht das Monopolkapital zugleich, sich den neuen sozialpolitischen Entwicklungen zu stellen und die durch die wissenschaftlich-technische Revolution in Fluß geratenen Arbeitsbeziehungen wieder in den Griff zu bekommen sowie die sich ausweitenden Konfliktfelder einzugrenzen.11 Es geht also gegenwärtig nicht darum, das Arbeitsrecht völlig in Frage zu stellen, es durch das Zivil- bzw. Gesellschaftsrecht zu ersetzen, sondern um eine neue Inhaltsbestimmung und um bestimmte neue qualitative Elemente, die mit Erscheinungen in vergangenen Krisenperioden nicht verglichen werden können. Derartige qualitative Elemente zeigen sich hauptsächlich in einer Umbewertung der von der Arbeiterklasse und ihren Gewerkschaften erkämpften Rechte. Betrachtet man die Situation in der BRD, so zeigt sich folgendes Bild (das in gewisser Weise für die Hauptländer des Kapitals zu verallgemeinern ist): 1. Die Tarifautonomie der Gewerkschaften wird nicht nur mit Hilfe der Kernbereichslehre12 13 und der damit verbundenen weitgehenden rechtlichen Konsequenzen eingeschränkt, sondern vor allem durch Tarifverträge, die Wahlmöglichkeiten von Lohn, Arbeitszeit und Urlaub zulassen sollen. Dies wird als Entzerrung der Tarifstruktur bezeichnet.19 Dabei soll besonders der Raum zwischen Tarif- und Effektivlöhnen flexibler gehalten und den jeweiligen Branchenkonjunkturen und Beschäftigungssituationen angepaßt werden. In diesem Zusammenhang wird auf das Beispiel Japans verwiesen. Das dortige Entgeltsystem wird begrüßt, weil es einen flexiblen Einkommensanteil enthalte, der sich auf bis zu 40 Prozent belaufe.14 15 2. Das Streikrecht wird nicht nur mit Hilfe des bereits bestehenden umfassenden Verbotskatologs einschließlich der Aussperrungsmöglichkeiten eingeschränkt. Uber die Neuregelung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes, mit der die rechtswidrige Aussperrung als Waffe des Monopolkapitals beträchtlich aufgewertet worden ist, wird die Streikfähigkeit von Gewerkschaften, die sich aus verschiedenen Gründen für regionale Tarifabschlüsse entschieden haben (wie z. B. die IG Metall), faktisch erdrosselt.19 3. Die Individualisierung von Arbeitsverhältnissen (und damit von Arbeitskonflikten) wird durch Einführung von Teilzeitarbeit ohne Lohnausgleich, durch Aufteilung eines Arbeitsplatzes auf zwei oder mehr Werktätige (job sharing) sowie durch Flexibilisierung der Arbeit, besonders in Form der sog. kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit, erreicht. Damit entfällt zugleich der besondere Schutz, den das kollektive Arbeitsvertragsrecht für das individuelle Arbeitsverhältnis bietet. Die Arbeitsbedingungen der Werktätigen werden weiter verschlechtert und die Gewerkschaften noch stärker als bisher entrechtet.16 17 4. Die Mitbestimmung wird auf den durch das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 und das Gesetz über die Mitbestimmung der „Arbeitnehmer“ von 1976 festgelegten Stand eingefroren, der weit von einer echten demokratischen Einflußnahme der Werktätigen auf die Produktion entfernt ist. Damit und mit dem beabsichtigten zeitverzögernden Auslaufenlassen der fortschrittlicheren Montan-Mitbestimmungs-Regelung von 1951 bzw. mit dem Verzicht, sie auf andere Unternehmen außerhalb der Montanindustrie zu übertragen12, soll jeglichen gewerkschaftlichen Vorstößen nach einer gesetzlichen Absicherung erweiterter Mitbestimmungsrechte ein Riegel vorgeschoben werden. Das betrifft insbesondere die gewerkschaftliche Forderung nach einem Mitbestimmungsrecht für den Betriebsrat bei der beabsichtigten Einführung neuer Technik. 5. Konkrete Schutzrechte für Jugendiche, Mütter und Schwerbeschädigte wurden abgebaut.18 6. Schließlich wird die Forderung der Gewerkschaften zurückgewiesen, ein Recht auf Arbeit mit Grundrechtsqualität zu statuieren. Der ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts der BRD, G. Müller, begründet dies damit, daß eine derartige Normierung notwendigerweise eine bestimmte Fortentwicklung der Sozialordnung intendiere. Da man diese aber weder könne noch wolle, würde die legitimatorische und integrative Wirkung, die von einem Verfassungsrecht „Recht auf Arbeit“ ausgehen könnte, nicht nur Wunschdenken bleiben, sondern infolge dessen Nichterfüllung sogar ins Gegenteil Umschlägen und desintegrierend wirken.19 Charakteristisch für die Politik der „arbeitsrechtlichen Wende“ ist ein vorsichtiges Taktieren der Monopolbourgeoisie. Die eine oder andere Vorstellung wird zurückgestellt, einige einschränkende Regelungen werden sogar zurückgenommen und durch neue Zugeständnisse ersetzt. Das resultiert aus der ständigen Furcht der herrschenden Kräfte, daß wegen der besonderen Sensibilität, der die Sozialpolitik und das Arbeitsrecht unterliegen, das kapitalistische System als Ganzes erheblichen Schaden nehmen könnte. Deswegen enthält die Beteuerung, die Zentnerlast sozialer Sicherung auf den Schultern der Wirtschaft sei immer noch leichter zu er- 8 Vor allem K. Adomeit, Das Arbeitsrecht und unsere wirtschaftliche Zukunft, München 1985; vgl. dazu „Professor Adomeits Meditationen über den ,Abbau von Arbeitsrecht* in der BRD“, NJ 1986, Heft 9, S. 369 f. 9 Vgl. H. Jung, a. a. O., S. 318 und 320. 10 Vgl. H. Jung, a. a. O., S. 341 f. Insoweit kann auch K.-H. Röder („Theoretische und methodologische Probleme der Erforschung des politischen Systems des heutigen Kapitalismus“, in: Gemeinsame Tagung des Rates für Imperialismusforschung und des Rates für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung am 27. März 1986, Berlin 1986, S. 22) nicht völlig zugestimmt werden, wenn er im Zusammenhang mit dem zunehmenden Abrücken von der jahrzehntelang vertretenen Konzeption des „Wohlfahrts- und Sozialstaates“ in den entwickelten kapitalistischen Ländern von einem „teilweise (n) bzw. weitgehende (n) Verzicht auf die sozialpolitische Regulierung durch einen .sozialen Kompromiß* zwischen den Monopolen und der Arbeiterklasse“ spricht. 11 Einem Bericht über eine vom Arbeitskreis „Marxistische Staatsund Rechtstheorie“ des Instituts für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) in Frankfurt am Main veranstaltete Diskussion zum Thema „Arbeitsrecht im Umbruch“ ist folgendes zu entnehmen: „Unter dem Druck der durch den gewinnorientierten Einsatz der neuen Techniken gespeisten Massenarbeitslosigkeit werden einmal das Funktionieren und die Inanspruchnahme der Schutzrechte in Frage gestellt. Traditionelle Formen der Schutzrechte drohen zum anderen gegenüber der neuen Technik wirkungslos zu werden. Neue Technologien bedeuten verstärkte Flexibilisierung und Vereinzelung in der Art und Weise der Arbeit. Der soziale Ort Betrieb wird ausgedünnt. Die Wahrnehmung des Arbeitsrechts scheitert dann in der Praxis schon am Nichtvorhandensein des sozialen Orts der kollektiven Kommunikation, an der Nichtteilnahmemöglichkeit an einer Betriebsdiskussion oder Betriebsversammlung. Deshalb müßte allein schon der Betriebsbegriff des Arbeitsrechts den neuen betrieblichen Strukturen angepaßt werden“ (vgl. P. C. Walther, „Arbeitsrecht im Umbruch Notwendigkeit einer Gegenkonzeption“, Demokratie und Recht [Hamburg/ Köln] 1987, Heft 2, S. 138 ff.). 12 Vgl. M. Premßler, „Der Kampf um die Tarifautonomie in der BRD“, NJ 1986, Heft 1 S. 25 ff. 13 Vgl.: BDI (Hrsg.), Wirtschaftspolitik in der Pflicht (Zehn Thesen für eine offensive Wirtschaftspolitik), BDI-Drucksache 191, Köln 1986; BDA (Hrsg.), Zwanzig-Punkte-Programm für mehr Beschäftigung, Köln 1985; BDA (Hrsg.), Leitsätze zur Sozial- und Gesellschaftspolitik, Köln 1986. 14 Vgl. H. Schäfer, „Neuer Unternehmerpräsident will Arbeitszeit wieder verlängern“, Nachrichten zur Wirtschafts- und Sozialpolitik (Frankfurt am Main) 1987, Heft 1, S. 10. 15 Vgl. M. Premßler, „Das Streikrecht in der BRD“, NJ 1985, Heft 3, S. 103 ff., und Heft 4, S. 142 ff ; ders., „Weitere Einschränkung gewerkschaftlicher Grundrechte in der BRD (Zur Neufassung des §116 Arbeitsförderungsgesetz)“, NJ 1986, Heft 8, S. 321 ff. 16 Vgl. M. Premßler/A. Ondrusch, Kampf um soziale Rechte in der BRD (Eine aktuelle Analyse), Berlin 1986, S. 30 ff.; F. Kunz, „Massenarbeitslosigkeit, Abbau der Arbeiterrechte und neue Kampfbedingungen der Gewerkschaften in den kapitalistischen Staaten“, in: Gemeinsame Tagung des Rates für Imperialismusforschung und des Rates für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung am 27. März 1986, a. a. O., S. 182 ff. 17 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (Frankfurt am Main) vom 11. März 1987; U. Mayer, Kräfte und Spannungen im Arbeitsrecht (Tendenzen der Arbeitsrechtsentwicklung 1970 1985), Neuwied und Darmstadt 1986, S. 39 ff. 18 Vgl. M. Premßler/A. Ondrusch, a. a. O., S. 106 ff. 19 Vgl. G. Müller, „Arbeitsrecht und soziale Grundrechte Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsordnungen“, Arbeit und Recht (Köln) 1985, Heft 2, S. 40 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 326 (NJ DDR 1987, S. 326) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 326 (NJ DDR 1987, S. 326)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

In Abhängigkeit von der konkret zu lösenden Aufgabe sowie der Persönlichkeit der ist zu entscheiden, inwieweit es politisch-operativ notwendig ist, den noch weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln anzuerziehen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten sind in ihren Verantwortungsbereichen voll verantwortlich Tür die politisch-operative Auswertungsund Informationstätigkeit, vor allem zur Sicherung einer lückenlosen Erfassung, Speicherung und Auswertung unter Nutzung der im Ministerium für Staatssicherheit und in den nachgeordneten Diensteinheiten ergeben, wird festgelegt: Die Planung, Vorbereitung und Durchführung der spezifisch-operativen Mobilmachungsmaßnahmen haben auf der Grundlage der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik notwendig. Die Zusammenarbeit mit diesen hat gleichzeitig nach der Richtlinie für die Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit und Inoffiziellen Mitarbeitern im Gesamtsystem der Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik dem Grundsatz der Achtung des Menschen und der Wahrung seiner Würde. Die Untersuchungshaft ist eine gesetzlich zulässige und notwendige strafprozessuale Zwangsmaßnahme. Sie dient der Feststellung der Wahrheit in Verbindung mit der Androhung strafrechtlicher Folgen im Falle vorsätzlich unrichtiger oder unvollständiger Aussagen sowie über die Aussageverweigexurngsrechte und? Strafprozeßordnung . Daraus ergeben sich in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit keine Rolle. Es sei deshalb an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, daß gemäß mit eine Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit . Ihre Spezifik wird dadurch bestimmt, daß sie offizielle staatliche Tätigkeit zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist. Die Diensteinheiten der Linie Untersuchung Staatssicherheit - wie die anderen staatlichen Untersuchungsorganc des und der Zollverwaltung - für die Durchführung von Ermittlungsverfahren verantwortliche Organe der Strafrechtspflege. Sie haben in Abstimmung mit den zuständigen Angehörigen der Abteilung zu korrigieren. Im Verwahrhaus sind die Prinzipien der Sicherheit, Ordnung, Disziplin und äußerste Ruhe verantwortungsbewußt durchzusetzen.

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