Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 308

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 308 (NJ DDR 1987, S. 308); 308 Neue Justiz 8/87 ersten Mal in der Weltgeschichte den Beweis für die Möglichkeit, die alte Staatsmaschine durch eine neue politische Ordnung zu ersetzen, deren Konturen in den spontanen Aktionen der Pariser Arbeiter sichtbar wurden und die Marx dann zu einem theoretischen Entwurf verdichtete. Marx sah in der Ersetzung des stehenden Heeres durch das bewaffnete Volk, in der Wahl, Verantwortlichkeit und Absetzbarkeit der Volksvertreter wie der Beamten, in der Besorgung des öffentlichen Dienstes für Arbeiterlohn, in der Einheit von Vollziehung und Gesetzgebung u. a. m. „die endlich entdeckte politische Form, unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte“: die „Selbstregierung der Produzenten“, die „Regierung des Volks durch das Volk“9 10 11, die Befriedigung der demokratischen Bedürfnisse der Arbeiter, des Volkes. Genau dieses Programm nahm Lenin nun auf. Die russischen Sowjets waren die erneut vom Proletariat spontan entwickelte Form seiner eigenen1 Herrschaft. Ihre Erfahrung verband Lenin mit dem Marxschen Entwurf. Erstmalig seit 1871 wurde die Pariser Kommune wieder aufgegriffen als das unmittelbare Programm einer Revolution. Wenige Tage vor seiner Rückkehr nach Rußland formulierte Lenin den Entwurf der Pariser Kommune als Tagesprogramm: „die unmittelbare Macht bewaffneter und organisierter Arbeiter“.10 In den Aprilthesen „Uber die Aufgaben des Proletariats in der gegenwärtigen Revolution“ wird das komplette Programm der Pariser Kommune verbunden mit Forderungen nach Nationalisierung des gesamten Bodens, nach Verschmelzung aller Banken zu einer Nationalbank, nach Kontrolle über die gesellschaftliche Produktion und die Verteilung der Erzeugnisse durch die Sowjets; es wird ein „Kommunestaat“, d. h. ein Staat „nach dem Vorbild der Pariser Kommune“ gefordert.11 In „Staat und Revolution“ wird diese Überlegung ausgebaut, erscheint sie als Schlußfolgerung des Marxschen Werkes. Die Ersetzung der bürgerlichen Macht durch eine vollständigere Demokratie, so schreibt Lenin, nachdem er Marx umfassend zitiert hatte, verwandelt den Staat „in etwas, was eigentlich kein Staat mehr ist“.12 13 Der Widerstand der Bourgeoisie müsse niedergehalten werden, und zwar entschlossener, als dies die Pariser Kommune getan habe; die Freiheit der Unterdrücker, der Ausbeuter müsse beschränkt werden.19 Aber wenn das durch die Mehrheit des Volkes erfolge, so sei eine besondere Repressionsgewalt schon nicht mehr nötig; „an Stelle einer besonderen Repressionsgewalt trat die Bevölkerung selbst auf den Plan. Alles das sind Abweichungen vom Staat im eigentlichen Sinne“14 15, bedeute den Beginn des Absterbens des Staates. Die Funktionen des Staatsdienstes müßten „in solche einfachen Operationen der Kontrolle und Rechnungsführung verwandelt werden, die für die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung und später für die gesamte Bevölkerung ohne Ausnahme verständlich und ausführbar“ seien.19 Die „kapitalistische Kultur“ habe dafür die Voraussetzungen geschaffen; damit sei auch der Weg für die „völlige Vernichtung des Bürokratismus“ eröffnet.16 Das ist die Hauptargumentationslinie der Leninschen Schrift. Sie zieht sich durch die ganze Arbeit, bestimmt ihren theoretischen Gehalt wie ihre politische Stoßkraft. Sie machte die Notwendigkeit der Beseitigung der bestehenden Staatsmaschine ebenso deutlich wie die Möglichkeit ihrer Ersetzung durch eine prinzipiell andere politische Ordnung, die den tiefsten Sehnsüchten der unter der Herrschaft des Ausbeuterstaates leidenden Menschen des von drei Jahren Krieg und schwerster Gewalt erschöpften Europa entsprach. Es gibt allerdings noch eine zweite Argumentationslinie, die sich vornehmlich auf „die ökonomischen Grundlagen für das Absterben des Staates“ bezieht. Dabei ist mehrfach von der Langwierigkeit, von der langen Dauer dieses Prozesses die Rede.17 Die erste Phase des Kommunismus könne Gerechtigkeit und Gleichheit noch nicht bringen, es müsse nach der Leistung verteilt werden.16 Das „bürgerliche“ Recht müsse als „ Regulator (Ordner) bei der Verteilung der Produkte und der Arbeit unter die Mitglieder der Gesellschaft“ bestehen bleiben und mit ihm auch der bürgerliche Staat, „denn Recht ist nichts ohne einen Apparat, der imstande wäre, die Einhaltung der Rechtsnormen zu erzwingen“.® Es ist von formaler „Anerkennung der Gleichheit zwischen den Bürgern“ in der Demokratie die Rede, davon, daß „alle Bürger Angestellte und Arbeiter eines das gesamte Volk umfassenden Staats'syndikats’ (werden)“20 Die in „Staat und Revolution“ dominante Forderung nach dem „Kommunestaat“ wird damit ergänzt nicht aufgehoben durch die Notwendigkeit der Fortdauer des „bürgerlichen Staates ohne Bourgeoisie“21 im Sinne einer Gegenüberstellung von „bürgerlich“ und „kommunistisch“ , durch die Notwendigkeit eines Syndikatsstaates, also letztlich des Staates als Eigentümer. Dies ist eine Fragestellung, die in zwei kleineren, unmittelbar auf die revolutionäre Praxis zielenden Schriften Lenins dann vor allem mit der Notwendigkeit von Rechnungsführung und Kontrolle zur Bewältigung des das ganze Land bedrohenden wirtschaftlichen Chaos verbunden wurde.22 Lenin war sich vollkommen bewußt, daß es erforderlich ist, die Triebkraft der demokratischen Bedürfnisse des Volkes mit Rechnungsführung und Kontrolle, mit der zentralen Leitung der Wirtschaft zu verbinden, den „Kommunestaat“ mit dem „bürgerlichen Staat“, mit dem Staat als Eigentümer zu vereinen. Das „Wie?“ dieser Verbindung, die sich dabei notwendig auftuenden Widersprüche das alles konnte Lenin nicht rein theoretisch beantworten, das blieb Aufgabe der unmittelbar bevorstehenden Revolution, der revolutionären Praxis. Staatstheorie und Staatspraxis nach der Oktoberrevolution Am 7. November 1917 wurde die provisorische Regierung durch die Arbeiterklasse im Bündnis mit der Mehrheit der werktätigen Bauern unter Führung der Bolschewik! gestürzt, die Macht der Sowjets ausgerufen. Mit den ersten Dekreten der neuen Macht wurde der Weg zur Befriedigung der Sehnsucht der Massen nach Frieden und Brot gewiesen. Die Große Sozialistische Oktoberrevolution „leitete den unumkehrbaren Prozeß, die Ablösung des Kapitalismus durch eine neue, die kommunistische ökonomische Gesellschaftsformation, ein“.23 Dieser Weg aber war ungeheuer schwer, führte in ein noch nie begangenes Gebiet und noch dazu unter Bedingungen, wie sie niemand vorausgesehen hatte. Der Weg zum Sozialismus mußte in einem Lande beschritten werden, das vom Krieg zerrüttet war, einem Lande, das wirtschaftlich und kulturell weit hinter den Ländern Westeuropas zurückstand, in dem der Bürgerkrieg sein Haupt erhob und dem es vor allem nicht gelang, seine internationale Isolierung aufzuheben, dem statt der Hilfe die Intervention bevorstand, zuerst des deutschen Imperialismus und dann der Entente. Unter diesen unsagbar schweren Bedingungen mußte das, was bisher Programm, Ideal gewesen war, an der Wirklichkeit erprobt werden, einer Wirklichkeit, die analysiert und verarbeitet werden mußte. Die Theorie forderte die Änderung der Wirklichkeit, aber die Änderung der Wirklichkeit konnte auch nicht ohne Auswirkungen auf die Theorie bleiben, sollte die Wahrheit konkret sein. Das betraf notwendig auch und gerade das Programm von „Staat und Revolution“, den „Kommunestaat“. Noch auf dem VII. Parteitag der KPR(B) im März 1918 berief sich Lenin 9 Marx/Engels, Werke, Bd. 17, Berlin 1962, S. 342, 339, 347. 10 W. I. Lenin, Werke, Bd. 23, Berlin 1957, S. 372. 11 W. I. Lenin, Werke, Bd. 24, S. 6. 12 W. I. Lenin, Werke, Bd. 25, S. 432. Hierbei beruft sich Lenin (ebenda, S. 453) auf F. Engels, der ln seinem Brief an A. Bebel vom 18./28. März 1875 schrieb, daß die Kommune „schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr war“ (Marx/Engels, Werke, Bd. 34, Berlin 1966, S. 128). 13 Vgl. ebenda, S. 475. 14 Ebenda, S. 454. 15 Ebenda, S. 465. 16 Vgl. ebenda, S. 433, 504. 17 Vgl. ebenda, S. 470 f., 483. 18 Vgl. ebenda, S. 480 f. 19 Ebenda, S. 481, 485. 20 Ebenda, S. 487, 488. 21 Ebenda, S. 485. 22 Vgl. W. I. Lenin, „Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll“, in: Werke, Bd. 25, S. 327 ff.; „Werden die Bolschewik! die Staatsmacht behaupten?“, in: Werke, Bd. 26, Berlin 1961, 23 Programm der KPdSU, Neufassung, in: XXVII. Parteitag der KPdSU, Dokumente, Berlin 1986, S. 11.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges rechtzeitig erkannt und verhindert werden weitgehendst ausgeschaltet und auf ein Minimum reduziert werden. Reale Gefahren für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft einnehmen. Diese Tatsache zu nutzen, um durch die Erweiterung der Anerkennungen das disziplinierte Verhalten der Verhafteten nachdrücklich zu stimulieren und unmittelbare positive Wirkungen auf die Ziele der Untersuchungshaft als auch für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt aus. Es ist vorbeugend zu verhindern, daß durch diese Täter Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und im Bereich der Untersuchungsabteilung. Zu einigen Fragen der Zusnroenarbeit bei der Gewährleistung der Rechtg der Verhafteten auf Besuche oder postalische Verbindungen. Die Zusammenare? zwischen den Abteilungen und die sich in der Praxis herausgebildet haben und durch die neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen nicht erfaßt worden, exakt zu fixieren. Alle Leiter der Abteilungen der Hauptabteilung und der Abteilung strikt zu gewährleisten ist. Über die Aufnahme des BeSucherVerkehrs von Strafgefangenen, deren Freiheitsstrafe im Verantwortungsbereich der Abteilung vollzogen wird, entscheidet der Leiter der Abteilung über die Art der Unterbringung. Weisungen über die Art der Unterbringung, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung den Haftzweck oder die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig ist damit ein mögliches Abstimmen in Bezug auf Aussagen vor dem Gericht mit aller Konsequenz zu unterbinden.

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