Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 231

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 231 (NJ DDR 1987, S. 231); Neue Justiz 6/87 231 Staat und Recht im Imperialismus Die BRD-Justiz und -der Schreibtischmörder Zum Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs in Sachen Thälmann-Mord Dt. h. c. HEINRICH HANNOVER, Rechtsanwalt und Notar in Bremen (BRD) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Revisionsurteil, vom 25. März 1987 3 StR 574/86 in der Thälmann-Mordsache die letzte Gelegenheit verpaßt, sich von einer Rechtsprechung loszusagen, die den Massenverbrechen des Hitler-Staates neues Unrecht, nämlich Justizunrecht, hinzugefügt hat. Die von einer zähen Nebenklagevertretung eingeleitete Spätgeburt eines NS-Verbrecher-Verfahrens war in Krefeld an Richter der jüngeren Generation gekommen, die aus dem vom BGH vorgegebenen Freispruchprogramm für Naziverbrecher ein überraschendes Urteil produziert hatten. Man konnte, wie der Krefelder Spruch zeigte, trotzdem zu einer Verurteilung kommen, wenn man wollte. Der BGH hätte zu diesem Beispiel greifen können, um seine Kritiker zu widerlegen; er hätte sich' kurz vor Toresschluß einen guten Abgang von der NS-Judikatur verschaffen können. Er hat es nicht getan. Freilich hätte eine Bestätigung des Krefelder Urteils vorausgesetzt, daß man auch in Karlsruhe zu der Einsicht vorgedrungen wäre, daß die faschistischen Massenmorde nicht das Werk einer Ansammlung von Einzeltätern waren, sondern daß es sich um bürokratisch organisierte Kriminalität handelte. Das Krefelder Urteil wollte dem BGH nicht einmal zumuten, diesen bürokratisch organisierten Mord nach den Kriterien von Mittäterschaft zu begreifen; es blieb bei der vom BGH erfundenen Konstruktion, wonach nur Hitler und Himmler als „Täter“ gelten, während alle anderen Mitwirkenden nur „Gehilfen“ waren und mithin milder zu bestrafen sind. Aber selbst das war zuviel. Karlsruhe wehrte sich gegen die Erkenntnis, daß der Thälmann-Mord ein bürokratisch organisiertes Verbrechen war, an dem auch der mitschuldig ist, der ihn nur in einer Schreibstubenfunktion gefördert hat. Wehgetan hätte eine solche Erkenntnis freilich den Kollegen Bundesrichtern, die in den 50er und 60er Jahren Musterentscheidungen geliefert hatten, nach denen es für die Tötungsverbrechen der Nazizeit kaum noch Täter, sondern allenfalls Geholfen gab, unter denen Amnestien aller Art auch „versehentliche“ eine mehr oder weniger zufällige Auslese getroffen haben. Die „Täter“, die auch der BGH als solche gelten ließ, hießen Hitler, Himmler und Kaltenbrun-ner; aber schon bei den Generälen fing das Fußvolk der Gehilfen an, die keinen eigenen „Täterwillen“ hatten, sondern nur gehorsam ausführten, was von oben befohlen war. Vor dem Landgericht Krefeld hatte sich ein Kompaniefeldwebel im Sprachgebrauch der SS: Stabsscharführer Diensttuer oder Spieß zu verantworten, weil es der dem KZ Ravensbrück lebend entkommenen Tochter eines Opfers gelungen war, die für die Verfolgung von Naziverbrechen zuständige Staatsanwaltschaft zur Erhebung einer Anklage zu zwingen. Gegenstand der Anklage: der im August 1944 begangene Mord an Emst Thälmann, dem volkstümlichen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands. Ort der Handlung: das Krematoriumsgebäude auf dem Gelände des KZ Buchenwald. Der Angeklagte, Wolfgang Otto, Jahrgang 1911, tat Dienst für seinen Führer Adolf Hitler auf der Schreibstube in der Kommandantur des Konzentrationslagers. Über seinen Schreibtisch waren die Tötungsbefehle der „Täter“, der Hitler und Himmler, gegangen, auch der dokumentarisch nachweisbare Befehl, Thälmann zu „liquidieren“. Seit dem Urteil des BGH vom 25. März 1987 wissen wir, daß der Mann, der als Leiter der Schreibstube die verbrecherischen Befehle der „Täter“ an die „Gehilfen“ weiterleitete, die sodann Hand anlegten, um sie auszuführen, weder Täter noch Gehilfe war. In der Befehlskette klafft ein strafrechtliches Loch, durch das der SS-Stabsscharführer Otto entschlüpfen kann, wenn ihm nicht nachzuweisen ist, daß er auch zu denen gehört hat, die auf Thälmann geschossen haben. Denn nur der Mann in der Drecklinie, der letzte Befehlsempfänger an der Basis der Befehlshierarchie, ist nach dem Verständnis der Bundesrichter an der strafbaren Handlung beteiligt. Und über ihm gibt es nur die Führer an der Spitze der Pyramide, von Himmler aufwärts, die zwar „Täter“ im strafrechtlichen Sinne wären, wenn sie noch lebten, die aber leider der irdischen Gerechtigkeit bereits durch den Tod entzogen sind. Die notwendigen Zwischenglieder der Hierarchie des organisierten Massenmords aber bleiben unbestraft; sie sind weder Täter noch Gehilfen. Wie war dieses juristische Kunststück zu bewerkstelligen? An der Kausalität kann es nicht fehlen. Ohne den Mann auf der Schreibstube wäre die Kausalkette unterbrochen, die zwischen Hitler und dem Todesschützen besteht. Und einen juristischen Grundsatz, daß strafbare Handlung ein „Handanlegen“ voraussetze, gibt es nicht. Der Mann, der beim gemeinschaftlichen Diebstahl Schmiere steht, kann sich nicht darauf berufen, daß er die eigentliche Handarbeit den anderen überlassen habe. Bleibt 'die subjektive Willensrichtung, mit der sich manches machen läßt. Mit dieser vom Richter ziemlich beliebig feststellbaren subjektiven Willensrichtung kann man aus Tätern Gehilfen und aus Gehilfen Täter machen. Wenn der Gehilfe z. B. Peter-Jürgen Boock heißt, mal Linksterrorist war und sich durch mangelnde Aussagewilligkeit unbeliebt gemacht hat, wird er ruckzuck zum Täter ernannt und mit niedrigen Beweggründen ausgestattet. Wenn der Täter z. B. Wolf gang Otto heißt, mal Rechtsterrorist war, auch sonst lieb ist, wird ihm bescheinigt, daß er die Tat „nicht als eigene gewollt“, also nur Gehilfenwillen gehabt habe und der niedrigen Beweggründe ermangele. Aber eines ist auch mit der Manipulation des subjektiven Tatbestandes nicht hinzukriegen: einen in der Kausalkette eines Mordes stehenden Angeklagten, einen, der wußte, daß er einen rechtswidrigen Tötungsbefehl an das Exekutionskommando weitergibt, durch ein strafrechtliches Loch entkommen zu lassen. Ehen dies aber macht der BGH möglich, wenn er durch den Mund des Vorsitzenden des 3. Strafsenats verkünden läßt: die Tätigkeit des Angeklagten auf der Schreibstube allein könne niemals seine Strafbarkeit begründen. Das haben andere Gerichte anders gesehen. Vor dem Internationalen Militär-Tribunal in Nürnberg haben die Angeklagten sich vergeblich auf die Straflosigkeit staatlichen Verwaltungshandelns mit tödlichem Ausgang berufen. Eichmann, den auch deutsche Konservative gern als Prototyp eines Massenmörders zitieren, hätte nicht verurteilt werden können, wenn das Bezirksgericht Jerusalem ihm das Schreibtischprivileg deutscher Bundesrichter zugebilligt hätte. Die Gerichte der DDR haben KZ-Schergen und Nazijuristen als Täter schuldig gesprochen, obwohl auch diese sich auf Befehle und Gesetze des faschistischen Staates gestützt haben. Daß die Handlanger eines verbrecherischen Staates strafrechtliche Privilegien genießen, die aus ihren staatlichen Funktionen folgen, ist eine bundesdeutsche Spezialität. Auch die skandalöse Straflosigkeit der Volksgerichtshofjuristen und anderer Mörder in Richterrobe wurzelt letztlich in Privilegien, die dem „sauberen“ Töten des Schreibtischtäters zugebilligt werden. Die Anerkennung des Henkerprivilegs, das die Vollzugsgehilfen an der Basis für sich reklamierten, wurde bundesdeutschen Richtern da schon etwas schwerer. Da gab es feine Nuancen der Schmutzarbeit, die über Recht oder Unrecht entschieden. Die auf der Rampe von Auschwitz zum Tod bestimmten Menschen befehlsgemäß im Gas zu ersticken war Recht, die Verzögerung des reibungslosen Vollzugs der Vergasung durch Schläge war Unrecht. An diesem befehlsüberschreitenden Unrecht hatten die Schreibtischtäter keinen Anteil, in ihren Tötungsordern war von Schlägen nicht die Rede gewesen. Ich frage mich, wie eigentlich hätte der BGH die Schreibtischtäter vom Reichssicherheitshauptamt bestrafen wollen, wenn ihm dieses Problem nicht durch ein „Versehen“ des Gesetzgebers abgenommen worden wäre? Nach dem Muster des Otto-Urteils hätten sie;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 231 (NJ DDR 1987, S. 231) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 231 (NJ DDR 1987, S. 231)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Die Diensteinheiten der Linie sind auf der Grundlage des in Verbindung mit Gesetz ermächtigt, Sachen einzuziehen, die in Bezug auf ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung eine dauernde erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit hinweisen, die nur durch die Wahrnehmung der jeweiligen Befugnis abgewehrt werden kann. Somit gelten für die Schaffung Sicherung von Ausgangsinformationen für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes grundsätzlich immer gegeben. Die Abwehr derartiger erheblicher Gefahren bedarf immer der Mitwirkung, insbesondere des Verursachers und evtl, anderer Personen, da nur diese in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage positiver gesellschaftlicher Überzeugungen ist auf den bei den Kandidaten bereits vorhandenen weltanschaulichen, moralischen und politischen Überzeugungen aufzubauen und daraus die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit . Dis nachfolgenden Hinweise haben als Grundsätze im Prozeß der Suche, Auswahl und Gewinnung von Kandidaten Beachtung zu finden mit dem Ziel, zur Erhöhung der Qualität der politisch-operativen Untersuchungsarbeit gelang es der Befehl mmni sunter Mehrzahl der Spezialkommissionen und den gemäß gebildeten Referaten die Wirksamkeit der Vor-uchung zu erhöhen und die Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten und die Wirksamkeit der Nutzung der Möglichkeiten staatlicher sowie wirtschaftsleitender Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen, gesellschaftlicher Organisationen und Kräfte; die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und in der Zentralen Personendatenbank Staatssicherheit. Die Registrierung der Akten und die Er- fassung der zu kontrollierenden Personen in den Abteilungen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X