Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 23

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 23 (NJ DDR 1987, S. 23); Neue Justiz 1/87 23 Gesetzlichkeit und strafprozessuale Tätigkeit des Staatsanwalts Prof. Dr. sc. GÜNTHER KRÄUPL und Prof. Dr. sc, LOTHAR REUTER, Sektion Staats- und Rechtswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena Die auf dem XI. Parteitag der SED bekräftigte Forderung, strikt die Gesetzlichkeit zu achten und die Rechtssicherheit weiter zu erhöhen1, ist Ausdruck historischer Kontinuität. Sie knüpft an die Feststellung an, die Wilhelm Pieck bereits auf dem III. Parteitag im Juli 1950 traf, daß die SED die „Partei der Gesetzlichkeit“ ist.1 2 In den Merkmalen sozialistischer Gesetzlichkeit (Allgemeinverbindlichkeit, gesetzliche Begründetheit der Akte der Staatsgewalt, Unterbindung von Rechtsverletzungen und unabdingbare Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen3) finden sich frühe bürgerliche Forderungen. Sie waren seinerzeit aus der Illusion möglicher Gleichheit und gleicher Bindung aller an ein vom souveränen Volk geschöpftes Gesetz unter bürgerlichen Verhältnissen geboren. Darin liegen historisch gesicherte Einsichten in das vom Recht vermittelte Verhältnis des Bürgers zum Staat (Rechtsgleichheit, Rechtssicherheit, Identifikation mit dem Staat). Aber sie waren nur politisch-juristisch begriffen, abstrahiert von den materiellen Verhältnissen, denen sie entspringen, die sie zu gestalten haben und von denen letztlich ihre Durchsetzbarkeit abhängt. Politisches Prinzip und sozialökonomische Praxis widersprachen sich. Dieser Widerspruch wurde mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel vom Grund her aufgehoben. Die politische Gleichstellung fiel nun mit der sozialökonomischen Gleichstellung nach dem Maß der Arbeit zusammen. Ebenso wie der auf dieser Grundlage vor sich gehende „wirkliche“ Angleichungsprozeß in historischer Dimension verläuft4 5, so ist auch die Herausbildung und Vervollkommnung der Gesetzlichkeit ein historischer Prozeß der Aufhebung bürgerlichen Rechtsdenkens. In diesem Prozeß vollzieht sich ebenfalls eine Funktionsentwicklung des staatlichen Organs, das scholl im bürgerlichen Ursprung zum „Hüter der Gesetzlichkeit“ bestimmt worden war ursprünglich gedacht aber als (scheinbar) klassenneutral, nur dem abstrakten Gesetz unterworfen. Die sozialistische Staatsanwaltschaft definierte sich von vornherein als Hüter einer bewußt klasseninteressiert geschöpften und zu verwirklichenden Gesetzlichkeit. Aber in Interessen reflektieren sich gesellschaftliche Verhältnisse. Deshalb wurde zugleich begonnen, das engere politisch-juristische Verständnis der Funktion des Staatsanwalts zu überschreiten.3 Weitergehende politisch-soziale (vor allem demokratische) und sozialökonomische (zuerst volkswirtschaftliche) Momente drangen ein. Das zeigen besonders Entwicklungen in den 70er und 80er Jahren. Die Beschlüsse des VIII. Parteitages der SED (1971) über die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft präzisieren die Aufgabe, Gesetzlichkeit, Ordnung und Sicherheit in die ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Prozesse fest einzuordnen.6 Die weiterführenden Anforderungen, die der IX. und X. Parteitag (1976 und 1981) stellten, waren bestimmend für die in den letzten Jahren verstärkte Orientierung auf Regel, Ordnung und Sicherheit in der Ökonomie und die Ausrichtung der Allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht des Staatsanwalts auf die Beseitigung der Bedingungen von Rechtsverletzungen.7 Der weitere Fortschritt liegt in der Forderung, „die sozialen und persönlichkeitsformenden Aspekte des Wirkens des Rechts gegenüber den juristischen nicht länger zu vernachlässigen“.8 Gesetzlichkeit und soziale Gesetzmäßigkeit Gesetzlichkeit ist politisch-juristische „Methode der staatlichen Leitung der Gesellschaft“9, „Tätigkeitsprinzip“ des Staates10 11. Sie wird zunehmend zu „erkannter sozialer Gesetzmäßigkeit“11, genauer: zu erkannten Anforderungen gesetzmäßiger sozialer Entwicklung, die durch kollektive und individuelle soziale Aktivität der Menschen verwirklicht werden. Wie Rechtsverwirklichung mehr ist als juristische Rechtsanwendung, nämlich „sozialer Prozeß“12, wird auch die Gesetzlichkeit zunehmend in ihren sozialen Gründen und Wirkungen bedachte Aktion. Letztlich sind Gesetze in juristische Form gebrachte (zu schützende und zu gestaltende) Regeln der Produktion, der Verteilung und des Austauschs der Produkte.13 Das Bewußtsein dieser Grundfunktion von Recht und Gesetzlichkeit und die Einsicht in die zum Teil vielfach vermittelten Zusammenhänge schützen vor pragmatischen Zweckmäßigkeitserwägungen, begründen die notwendige Unterwerfung des einzelnen unter das Gesetz ohne Ansehen der Person, stützen die Funktion des Staatsanwalts von den sozialökonomischen Gründen her und orientieren die Gesetzlichkeitsforderung im Schwerpunkt auf die strikte Kontrolle des Maßes der Arbeit und der Verteilung, dem „Wichtigsten“ des Sozialismus.14 Andererseits wirkt dieser Zusammenhang nicht linear; er ist zwar auf die ökonomischen Verhältnisse gerichtet, aber nur als Mittel zum Zweck der Ausbildung eines Persönlichkeitstyps, der unter Ausschöpfung der individuellen Anlagen seine Produktivkraft, also die individuelle Persönlichkeit entwickelt. So geht es eben nicht schlechthin um den Schutz des sozialistischen Eigentums, um Sicherheit der Technik oder störungsfreien Ablauf technologischer Prozesse, sondern um das Verhalten von Menschen zu den Gegenständen, Mitteln und Resultaten ihrer Arbeit und damit um ihr Verhalten zueinander, dessen öffentliche Bewertung, gemessen an der juristischen Norm. Insofern „verlagert sich das Schwergewicht der materiellen Bestimmungsgründe zur Ausmerzung von Ursachen für soziale Fehlleistungen in immer stärkerem Maße in den Bereich der Produktivkräfte“15, deren wichtigste der Mensch ist, in deren aktivere Wechselwirkung mit den Verhältnissen der Produktion. Auf diese Aktivierung kommt es an. Damit gewinnen zugleich solche Sphären der Persönlichkeitsentwicklung wie Bildung, Kultur usw. an Gewicht. Die Praxis bestätigt, „daß Fragen der 1 Vgl. E. Honecker, Bericht des Zentralkomitees an den XI. Parteitag der SED, Berlin 1986, S. 75 £.; W. Stoph, Zur Direktive des XI. Parteitages der SED zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR in den Jahren 1986 bis 1990, Berlin 1986, S. 30 f. 2 Protokoll der Verhandlungen des III. Parteitages der SED, Berlin 1951, S. 65. 3 Vgl. Autorenkollektiv, Marxistisch-leninistische allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, Bd. 4, Berlin 1976, S. 82. 4 Vgl. K. Marx, „Kritik des Gothaer Programms", in: Marx/Engels, Werke, Bd. 19, Berlin 1962, S. 15 ff. 5 Vgl. J. Streit, „30 Jahre sozialistische Staatsanwaltschaft der DDR“, NJ 1982, Heft 5, S. 194 f. 6 Vgl. insb. K. Sorgenicht, Unser Staat in den achtziger Jahren, Berlin 1982, S. 195 ff.; derselbe, „Die Bewegung für vorbildliche Ordnung, Disziplin und Sicherheit - eine entscheidende Seite der Entwicklung unserer sozialistischen Rechtsordnung“, NJ 1975, Heft 24, S. 703 f.; H. Klapproth, „10 Jahre Kampf um Bereiche der vorbildlichen Ordnung und Sicherheit im Bezirk Halle“, NJ 1982, Heft 8, S. 346 ff., und die dort angegebene Literatur. 7 Vgl. insb. J. Streit, „Weitere Erhöhung der Wirksamkeit der staatsanwaltschaftlichen Arbeit“, NJ 1986, Heft 4, S. 147; H. Harr-land, „Einige Aspekte der Gesetzlichkeit im Prozeß der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“, in: Beiträge zur Rechtswissenschaft und -praxis der DDR, Festschrift für J. Lekschas, Berlin 1985, S. 26 ff. 8 K. A. Mollnau (Leitung) u. a., Objektive Gesetze - Recht Handeln, Berlin 1979, S. 43. 9 J. A. Lukaschewa, Sozialistisches Rechtsbewußtsein und Gesetzlichkeit, Berlin 1976, S. 31. 10 Autorenkollektiv, Marxistisch-leninistische allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, a. a. O. 11 K. A. Mollnau u. a„ a. a. O., S. 20. 12 K. A. Mollnau u. a., a. a. O., S. 39 ff. 13 Vgl. K. Marx, „Das Elend der Philosophie“, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 4, Berlin 1959, S. 150 f.; derselbe, „Das Kapital“, Bd. in, ebenda, Bd. 25, Berlin 1964, S. 801. 14 Vgl. W. I. Lenin, „Staat und Revolution“, in: Werke, Bd. 25, Ber-. lin 1960, S. 484, 487 f. 15 Autorenkollektiv, Kriminologie, Theoretische Grundlagen und Analysen, Berlin 1983, S. 57.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 23 (NJ DDR 1987, S. 23) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 23 (NJ DDR 1987, S. 23)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Zollverwaltung bestehen. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rück Verbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rah- inen der Absicherung des Reise-, Besucherund Trans tverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucherund Transitverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin sowie gegen die Tätigkeit der Staatsorgane, insbesondere in bezug auf die Bearbeitungspraxis von Übersiedlungsersuchen und die Genehmigung von Reisen in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der anzugreifen oder gegen sie aufzuwiegeln. Die staatsfeindliche hetzerische Äußerung kann durch Schrift Zeichen, bildliche oder symbolische Darstellung erfolgen.

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