Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 195

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 195 (NJ DDR 1987, S. 195); Neue Justiz 5/87 195 Die Verfasser heben hervor, daß an der Spitze der Werthierarchie im Sozialismus der Freiheitsgewinn der Persönlichkeit im Frieden durch gesellschaftlichen Fortschritt steht (S. 374). Eine große Bedeutung kommt dabei der persönlichen Integrität der Bürger zu. Sie wird im Gesundheitswesen durch den.verfassungsmäßigen Anspruch der Bürger auf Ge-, sundheitsschutz (Art. 35) verwirklicht. Jeder einzelne Mitarbeiter des Gesundheitswesens trägt bei der Realisierung dieses Verfassungsauftrags eine hohe persönliche Verantwortung, die rechtlich und ethisch determiniert ist. Die Entscheidungen bei der medizinischen Betreuung der Bürger müssen verantwortungsbewußt, unter Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten und Potenzen zur Diagnose und Therapie getroffen werden. Die moderne Medizin hat durch eine Reihe differenzierter Behandlungsverfahren bei einigen Krankheiten das Krankheitsrisiko verringert. Es sind jedoch andere behandlungsimmanente Risiken entstanden. Eine wichtige Aufgabe des Arztes ist es, die Risiken gegeneinander abzuwägen und danach eine Entscheidung im Interesse des Patienten zu treffen. Krankheitsimmanente Risiken können in den meisten Fällen vorausgesehen werden. Die im Zusammenhang mit der Krankheit eintretende Zustandsänderung ist einschließlich der Risiken weitgehend vorhersehbar. Es könnte hier (vorausgesetzt, daß ich Hörz/Seidel richtig interpretiere) von einem gesetzmäßigen Risiko gesprochen werden. Die Wahrscheinlichkeit des ungünstigen Ausgangs bestimmter Erkrankungen bei Nichtbehandlung ist hoch. Dieses krankheitsimmanente Risiko muß bei verantwortungsbewußtem Handeln in die Entscheidung mit einbezogen werden. Eine andere Situation ergibt sich beim behänd lungsimmanenten Risiko. Es ist von einer Vielzahl objektiver Bedingungen abhängig, wodurch sich die Varianten für den Eintritt zufälliger Ereignisse vermehren und damit deren Häufigkeit zunimmt. Dabei ist auch die Anzahl der handelnden Personen von Bedeutung. So sind z. B. in verschiedenen Bereichen der stationären medizinischen Betreuung am Betreuungsprozeß eines Patienten bei einer Verweildauer von 25 Tagen durchschnittlich 37 Personen unmittelbar beteiligt. Es liegt auf der Hand, daß hier Einflüsse auf das Risiko vorliegen. Zu beachten ist aber auch die unterschiedliche Art der Arbeitsteilung. Während die Arbeitsteilung zwischen Arzt und Schwester Im allgemeinen nach dem Weisungsprinzip erfolgt, wird bei der fachgebietsübergreifenden Arbeitsteilung zwischen den Ärzten sowie zwischen Ärzten und anderen Hochschulkadern zumeist nicht nach dem Weisungsprinzip verfahren. Beim arbeitsteiligen Handeln nach dem Weisungsprinzip bleibt die Gesamtverantwortung immer beim Arzt. Eine Verantwortungsabgrenzung ist hier zumeist ohne große Schwierigkeiten möglich. Bei der fachgebietsübergreifenden Arbeitsteilung unterschiedlicher Fachärzte hingegen ist eine Verantwortungsabgrenzung nicht mehr ohne weiteres möglich. Diese ergibt sich nicht ausschließlich aus der fachlichen Kompetenz des jeweiligen Facharztes. Die große Zahl der Ärzte, Schwestern und anderen Mitarbeiter, die für eine gründliche medizinische Betreuung und Versorgung eines Patienten wirksam werden, weist auf folgendes hin: Eine umfassende medizinische Betreuung ist nicht mehr allein von „einem behandelnden Arzt“ durchzuführen, weil der Kenntnisstand eines einzelnen Arztes häufig nicht mehr ausreicht, um die wachsenden Anforderungen zu erfüllen. Aus der Notwendigkeit arbeitsteiligen Handelns im großen Umfang wird eine Erweiterung des Vertrauensgrundsatzes erforderlich, der ggf. als Rechtfertigungsgrund bei strafrechtlich relevanten Handlungen zu berücksichtigen ist. E. Buchholz /D. Seidel hatten zu Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution bereits in einem 1985 erschienenen Aufsatz festgestellt: „Das Prinzip der persönlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit vermag in der uns geläufigen Form adäquat solche Fälle kriminellen Handelns strafrechtlich zu erfassen, in denen das eine Individuum in einem einfachen Akt Leben, Gesundheit, Eigentum usw. eines anderen Individuums verletzt. Die im Gefolge gewaltiger Entwicklung der Produktivkräfte eingetretene enorme Entfaltung kollektiv-sozialer Aktivitäten stellt jedoch viele Fragen des Erfassens und Bewertens menschlichen Sozialverhaltens, darunter auch kriminellen Verhaltens, völlig neu.“l Für die moderne Medizin stellt sich diese Frage in gleicher Weise wie für ökonomische oder technische Prozesse. Die Ergebnisse von Wissenschaft und Technik in der Me- dizin schaffen günstige Voraussetzungen für Fortschritte in der medizinischen Betreuung und bei der Ausgestaltung- des Gesundheitsschutzes. Innerhalb weniger Jahre und bisweilen auch nur einiger Monate werden hochspezialisierte Verfahren sowohl im Bereich der Diagnostik als auch der Therapie in. die klinische Routine eingeführt. Damit sind zugleich wachsende Verhaltensanforderungen an den Anwender gestellt. Treten im Rahmen prophylaktischer, diagnostischer, therapeutischer oder rehabilitativer Betreuungsmaßnahmen Schäden auf (sie sind durch das verantwortungsbewußte Handeln der Mitarbeiter relativ selten), ist dem wachsenden' Umfang arbeitsteiliger Prozesse bei der medizinischen Betreuung zufolge eine Verantwortlichkeitsabgrenzung meistens schwierig. Die Pflichtverletzung selbst ist möglicherweise objektivierbar, jedoch nicht mehr zu personifizieren. Die Anwender moderner medizinischer Verfahren haben durch die Verlagerung der Risiken von der Krankheit zur Therapie eine Verantwortung neuer Qualität übernommen. Sie besteht darin, das Behandlungsrisiko so-gering wie möglich zu halten. Wenn das Risiko als ein Ausdruck; der Proportionalität zwischen Aufwand, Nutzen und möglichen Mißerfolgen bzw. Gefahren aufgefaßt wird als Ausdruck des Wahrscheinlichkeitsgrades für das Abweichen von einem angestrebten Ziel , so hat das insbesondere für die invasiven Disziplinen2 eine höhere Bedeutung als für die nichtinvasiven. In der Medizin verringert sich das Risiko nicht im Sinne einer linearen Funktion des wissenschaftlichen Fortschritts. Diese Erkenntnis und die Tatsache, daß aus dem arbeitsteiligen Handeln selbst ein bestimmtes, nie ganz zu vermeidendes Risiko erwächst, ist bei der Beurteilung einer ärztlichen Fehlhandlung aus strafrechtlicher Sicht zu beachten. Das sozialistische Strafrecht gibt das ausreichend sichere Fundament für eine verantwortungsbewußte Schuldprüfung auch in besonders sensiblen Bereichen, zu denen m. E. die Medizin gehört. Es kommt entscheidend darauf an, die von der marxistischen Philosophie und der sozialistischen Rechtswissenschaft erarbeiteten Grundsätze in der Praxis konsequent anzuwenden. Dabei ist das Risiko ein wesentliches Problem. Sind die Grenzen strafrechtlicher Nachprüfbarkeit erreicht, ohne daß es zu einer zweifelsfreien Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer schuldhaften Handlung ausreicht, ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit zu verneinen. Auch für den hier angesprochenen Bereich gilt die Feststellung von Hörz/Seidel: „Ein bedeutsames Problem hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Fahrlässigkeit besteht darin, Zustandsveränderungen objektiver Art oder Handlungen der Menschen in ihren möglichen Auswirkungen zu überblicken zu erkennen, ob es sich um unwesentliche oder wesentliche Zufälle handelt.“ (S. 373) Exakte Verantwortlichkeitsabgrenzung setzt auf der objektiven Seite konkrete Pflichten für jeden Mitarbeiter und deren exakte Kenntnis voraus. Die von den Mitarbeitern des Gesundheitswesens, insbesondere den Hoch- und Fachschulkadern, zu erfüllenden Pflichten ergeben sich aus dem Berufsbild sowie aus Weisungen. Hinzu kommen Verhaltensanforderungen, die nicht exakt als berufliche Pflichten ausgestaltet sind, z. B. die Berücksichtigung von Empfehlungen der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften.3 Weiterhin gehören dazu die Hinweise anderer an der Behandlung beteiligter Ärzte, Naturwissenschaftler und in zunehmendem Maße auch Techniker. Die Einhaltung von Empfehlungen, Hinweisen und Richtlinien liegt weitgehend im ärztlichen Ermessen. Ein Abweichen von solchen Anforderungen muß daher begründet sein. Unbegründetes Nichtbefolgen ist als Pflichtverletzung anzusehen. Der verantwortungsbewußten Entscheidung bei der Anwendung empfohlener Maßnahmen kommt auch wegen des arbeitsteiligen Handelns eine große Bedeutung zu. Die Behandlung eines Patienten in nur einem Fachgebiet ist gegenwärtig nicht der Regelfall. Bereits bei der auch im Rahmen der ambulanten medizinischen Grundbetreuung sehr umfassend angewandten Röntgen- und Labordiagnostik arbeiten unterschiedliche Fachgebiete zusammen. Ein Partner hat oftmals nicht mehr die Möglichkeit, Erkenntnisse und Methoden des anderen Partners zu werten. Daher ist 1 2 3 1 E. Buchholz/D. Seidel, „Strafrechtliche Verantwortlichkeit unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution“, Staat und Recht 1985, Heft 2, S. 117. 2 Gemeint sind solche Disziplinen, die vorwiegend chirurgische Verfahren anwenden, im Unterschied zu Fachgebieten, in denen das nicht der Fall ist. 3 Diese Empfehlungen präzisieren in bestimmtem Maße ärztliche Berufsregeln und erhalten dadurch einen bestimmten Grad an Verbindlichkeit. Vgl. „Zu Fragen der Verbindlichkeit von Empfehlungen für Diagnostik und Therapie in der ärztlichen Praxis“ (Thesen des Juristisch-medizinischen Arbeitskreises der VdS), NJ 1985, Heft 1, S. 7 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 195 (NJ DDR 1987, S. 195) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 195 (NJ DDR 1987, S. 195)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Die Diensteinheiten der Linie sinTleÄDschnitt der Ar-beit begründet, zum einen staatliches Vollzugsorgan zur Durchfüh-rung des Vollzuges der Untersuchungshaft und zum anderen politischoperative Diensteinheit Staatssicherheit . In Verwirklichung ihrer Verantwortung für die Durchführung des Untersuchungshaftvollzuges arbeiten die Diensteinheiten der Linie eng mit politisch-operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage von durchzuführenden Klärungen von Sachverhalten ist davon auszugehen, daß eine derartige Auskunftspflicht besteht und keine Auskunftsverweigerungsrechte im Gesetz normiert sind. Der von der Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz können nicht die dem Strafverfahren vorbehaltenen Ermittlungshandlungen ersetzt werden, und die an strafprozessuale Ermittlungshandlungen gebundenen Entscheidungen dürfen nicht auf den Maßnahmen beruhen, die im Rahmen der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher tätigen feindlichen Zentren, Einrichtungen, Organisationen;nd Kräfte, deren Pläne und Absichten sowie die von ihnen angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen geführt; werden. Die in der gesellschaftlichen Front Zusammenzuschließenden Kräf- müssen sicherheitspolitisch befähigt werden, aktiver das Entstehen solcher Faktoren zu bekämpfen, die zu Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen zu leiten und zu organisieren. Die Partei ist rechtzeitiger und umfassender über sich bildende Schwerpunkte von Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen erlangen können. Aus der Tatsache, daß der Sozialismus ein noch relativ junger Organismus ist und demzufolge bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft liegenden sozialen Bedingungen beim Zustandekommen- feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen sind die Lehren der Klassiker des ismus - der entscheidende Ausgangspunkt.

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