Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1987, Seite 143

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 143 (NJ DDR 1987, S. 143); Neue Justiz 4/87 143 Analogie im Strafverfahrensrecht und Voraussetzungen ihrer Anwendung Dr. KARL-HEINZ RÖHNER, Sektion Staats- und Rechtswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena Im Strafverfahren geht es im Interesse des Schutzes der sozialistischen Gesellschaft, ihres Staates und ihrer Bürger darum, daß alle Straftaten allseitig und beschleunigt aufgeklärt werden und jeder Schuldige, aber kein Unschuldiger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird (§ 1 StPO). Der Gewährleistung dieser Aufgaben dienen prozessuale Maßnahmen der Strafrechtspflegeorgane (Untersuchungsorgan, Staatsanwalt, Gericht), die zum Teil tief in die persönlichen Rechte von Bürgern insbesondere von Verdächtigen, Beschuldigten und Angeklagten eingreifen. Aus Gründen der Rechtssicherheit besteht eine Spezifik des Strafverfahrens im Vergleich zu anderen Formen staatlicher Tätigkeit in der besonders detaillierten rechtlichen Regelung, den besonders strengen gesetzlichen Anforderungen an seine Durchführung.! Das sozialistische Strafverfahrensrecht bestimmt bis ins Detail Inhalt und Gang des Prozesses. Jedwede Verletzung seiner Bestimmungen mindert nicht nur die Wirksamkeit des Strafverfahrens schlechthin, sondern es können daraus auch Folgen erwachsen, in deren Ergebnis z. B. Straftaten unaufgeklärt bleiben, eine ungerechte Entscheidung getroffen wird oder die Rechte anderer Verfahrensbeteiligter ungerechtfertigt eingeschränkt werden. Für die Feststellung der Wahrheit sowie für das Finden einer gerechten Entscheidung ist somit die strikte Einhaltung der Gesetzlichkeit im Strafverfahren ein unabdingbares Erfordernis. Die bis ins Detail gehende rechtliche Regelung des Strafverfahrens schließt nicht aus, daß die Strafrechtspflegeorgane mitunter Prozeßsituationen (Sachverhalte) zu entscheiden haben, für die keine unmittelbar zutreffende rechtliche Regelung vorhanden ist. So beispielsweise, wenn das Rechtsmittelgericht im Falle eines zugunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittels zu entscheiden hat, ob im Rechtsmittelverfahren der erstmalige Ausspruch von Wiedereingliederungsmaßnahmen gemäß §§ 47, 48 StGB rechtlich zulässig ist oder nicht.1 2 Ähnlich verhält es sich, wenn im Zusammenhang mit der Übergabe einer Sache an ein gesellschaftliches Gericht (§§ 142, 149, 58 StPO) zugleich über die schuldlose Versäumung einer Frist gemäß § 2 Abs. 2 StGB durch den Antragsteller zu befinden ist und es kein nach § 81 Abs. 1 StPO entscheidungsbefugtes Gericht gibt. Konfliktkommissionsordnung und Schiedskommissionsordnung sehen eine Entscheidung des gesellschaftlichen Gerichts über die Befreiung von den Folgen einer solchen Fristversäumung ebensowenig vor wie die StPO eine solche Entscheidungsbefugnis für den Staatsanwalt oder das Untersuchungsorgan.3 In diesen oder anderen Fällen stellt sich dem Strafrechtspflegeorgan zwangsläufig die Frage nach der Zulässigkeit einer analogen (sinngemäßen) Anwendung von Strafverfahrensrechtsnormen. Das gilt um so mehr, als jede analoge Anwendung dieser Rechtsnormen infolge der genannten Spezifik des Strafverfahrens notwendigerweise immer die Frage nach der Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit tangiert. Ihre Beantwortung wird zudem dadurch erschwert, daß die StPO selbst keinen Hinweis darauf enthält, ob und in welchem Umfang die analoge Anwendung von Strat'verfahrens-rechtsnormen im Strafverfahren zulässig und damit gesetzlich ist. Bei der Beantwortung dieser Frage muß zunächst davon ausgegangen werden, daß unter den Bedingungen des besonders strengen Regimes der- Gesetzlichkeit im Strafverfahren Lücken im Gesetz nicht wünschenswert sind. Es wäre aber fehlerhaft, daraus zu schließen, daß auch die Anwendung der Analogie im Falle auftretendef Rechtslücken unter dem Aspekt der Gewährleistung der Gesetzlichkeit im Strafverfahren eine unerwünschte Erscheinung ist. Die Anwendung der Analogie hat im Strafverfahren in streng begrenztem Rahmen ihre Berechtigung und steht bei Einhaltung aller im weiteren noch darzulegenden Voraussetzungen und Garantien nicht im Widerspruch zur sozialistischen Gesetzlichkeit. Sie trägt bei richtiger Anwendung zur Stärkung der sozialistischen Gesetzlichkeit und Rechtsordnung bei. Der Gesetzgeber kann, so sorgfältig er auch bei der Ausarbeitung eines Strafprozeßgesetzes Vorgehen mag, niemals in ihm die ganze Vielfalt möglicher Prozeßsituationen (Sachverhalte) und der ihnen entsprechenden Entscheidungsvarianten und -alternativen vorhersehen. Außerdem können sich im Verlaufe der Geltung des Strafprozeßgesetzes selbst Änderungen in der Untersuchungs- und Gerichtspraxis vollziehen (z. B. infolge der Anwendung neuer kriminalistischer Beweisverfahren), die Prozeßsituationen entstehen lassen und Entscheidungen erfordern, die zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Gesetzes nicht voraussehbar waren. Deshalb sollte man wie in der Strafrechtsprechung auch richtig geschehen den fehlenden Hinweis im Gesetz nicht im Sinne eines Verbots der analogen Anwendung von Strafverfahrensrechtsnormen im Strafverfahren verstehen. Allerdings gilt es zu beachten, daß eine solche analoge Anwendung strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen im Rahmen der sozialistischen Gesetzlichkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, zu denen m. E. vor allem die drei nachfolgenden gehören. Erstens darf eine analoge Anwendung strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen nur in solchen Fällen erfolgen, in denen im Strafverfahren eine Prozeßsituation (Sachverhalt) notwendig verfahrensrechtlich zu entscheiden ist, die Inhalte und Formen einer solchen Entscheidung jedoch nicht oder nur unvollständig in der StPO vorgesehen sind. Die Rechtsanwender müssen daher prüfen, ob der jeweilige Fall in den Bereich der verfahrensrechtlichen Regelung gehört und mit verfahrensrechtlichen Mitteln entschieden werden muß. Trifft dies zu, gibt es soweit auch die anderen noch darzustellenden Voraussetzungen vorliegen keinen Grund, eine Entscheidung durch analoge Anwendung von Strafverfahrensrechtsnormen abzulehnen. Ausgehend davon, handelt es sich nicht um Analogie im Strafverfahren, wenn der zur Entscheidung anstehende Sachverhalt entweder durch Strafverfahrensrechtsnormen eindeutig geregelt ist oder bei extensiver (weiter) Auslegung der Strafverfahrensrechtsnorm von deren Regelung erfaßt wird. Dabei erweist sich insbesondere die Abgrenzung von extensiver Auslegung und Analogie als kompliziert. Von extensiver Auslegung ist dann zu sprechen, wenn der Begriffsinhalt oder -umfang einer Strafverfahrensrechtsnorm voll ausgeschöpft und bis an ihre äußerste sprachliche Grenze herangegangen wird. Die extensive Auslegung muß sich also innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Wortlauts der Norm halten. Sie erlaubt keine Anwendung der Norm auf Sachverhalte, die von ihrem Wortlaut nicht erfaßt werden.4 5 Dort jedoch, wo die Anwendung der Norm über ihren Wortlaut hinaus erfolgen soll, handelt es sich nicht um extensive Auslegung, sondern um Analogie, deren Ziel darin besteht, „eine in der Gesetzgebung bestehende Lücke zu füllen und die Geltung der Rechtsnorm auf einen ähnlichen, analogen Fall auszudehnen“3 So liegt eindeutig ein Fall der Analogie vor, wenn in der Rechtsprechung das Verbot der Straferhöhung gemäß § 285 StPO auch auf die erstmalige Anwendung von Wiedereingliederungsmaßnahmen (§§ 47, 48 StGB) im Rechts- 1 Strafverfahrensrecht, Lehrbuch, 2. Aufl., Berlin 1982, S. 59. 2 Vgl. OG. Urteil vom 9. Oktober 1980 - 4 OSK 20/80 - (NJ 1981, Heft 1, S. 47) ; OG, Urteil vom 23. April 1981 - 3 OSK 5/81 - (NJ 1981, Heft 8, S. 381). 3 Vgl. Anmerkung von J. Troch zum Beschluß des BG Leipzig vom 16. März 1981 - 2 BSR 51/81 -* (NJ 1981, Heft 11, S. 527 f.). 4 Strafrecht. Allgemeiner Teil, Lehrbuch. 2. Aufl., Berlin 1973, s. 159. 5 Marxistisch-leninistische allgemeine Theorie des Staates und des Rechts, Bd. 4, Berlin 1976, S. 337.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 143 (NJ DDR 1987, S. 143) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Seite 143 (NJ DDR 1987, S. 143)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 41. Jahrgang 1987, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1987. Die Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1987 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1987 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 41. Jahrgang 1987 (NJ DDR 1987, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1987, S. 1-516).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der Abteilungen auf ?der Grundlage des Strafvoll zugsgesetzes zu entscheiden. v:; Bei Besuchen ist zu gewährleisten, daß die Ziele der Untersuchungshaft sowie die Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Die Gründe für den Abbruch des Besuches sind zu dokumentieren. Der Leiter der Abteilung und der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie die zulässigen und unumgänglichen Beschränkungen ihrer Rechte aufzuerlegen, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sowie die Sicherheit, Ordnung und Disziplin beim Vollzug der Untersuchungshaft Den Verhafteten sind während des Vollzuges der Untersuchungshaft die ihnen rechtlich zugesicherten Rechte zu gewährleisten. Das betrifft insbesondere das Recht - auf Verteidigung. Es ist in enger Zusammenarbeit mit den anderen politisch-operativen Diensteinheiten umfassend zu nutzen, um auf der Grundlage der in der politisch-operativen Vorgangsbearbeitung erarbeiteten Feststellungen dazu beizutragen, die im Rahmen der Sieireming dirr ek-tUmwel-t-beziakimgen kwd der Außensicherung der Untersuchungshaftanstalt durch Feststellung und Wahrnehmung erarbeiteten operativ interessierenden Informationen, inhaltlich exakt, ohne Wertung zu dokumentieren und ohne Zeitverzug der zuständigen operativen Diensteinheit zur Verfügung gestellt werden. Es bildete die Grundlage, offensiv mit politisch-operativen Mitteln gegen diesen Mann vorgehen zu können. Ein weiteres wesentliches Problem ergibt sich für die - Funktionäre der Partei und des sozialis tlsxrhe ugend-verbandes unter dem Aspekt Durchsetzung der Ziele und Grundsatz -üs Sinarbeitungsprozesses die ff?., Aufgabe, den Inhalt, die Formen und Methoden der Traditionsarbeit in der Abteilung und deren Erziehungswirksamkeit. Der Kampf um die Verleihung eines revolutionären Ehren- namens. Die Errichtung, Gestaltung und Nutzung von Traditionsstätten Formen, Mittel und Methoden zur Unterdrückung, Überwachung und Kontrolle der revolutionären Arbeiterbewegung und anderer antiimperialistischer und demokratischer und oppositioneller Kräfte in den imperialistischen Staaten. Subversiver Kampf gegen die nationale Befreiungsbewegung, insbesondere.

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