Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 90

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 90 (NJ DDR 1986, S. 90); 90 Neue Justiz 3/86 gensätze. Diesem Trustkapitalismus entspricht bei aller demokratischen Phrase die Gesamtideologie des Imperialismus mit seinem Grundzug ins Faschistische. Es verstärkt sich bei allen .Freiheiten1, die in der Reichsverfassung versprochen werden, ständig der Gewaltcharakter des imperialistischen Staates, und im Rahmen dieser allgemeinen Verschärfung erfährt auch das staatliche Religionsstrafrecht der imperialistischen Trustbourgeoisie den besonders ausgeprägten Ausnahmecharakter gegen das Proletariat.“17 Das neue imperialistische Gesinnungsstrafrecht wurde als Unterdrückungs- und Stabilisierungsmittel gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung charakterisiert. Aber noch ein weiteres Moment trat hervor: Die KPD machte in bezug auf das geltende und das angestrebte StGB auf den reformerischen Weg Deutschlands zum Kapitalismus aufmerksam. Dieser ermöglichte das Weiterwirken von klerikalen, militaristischen und restaurativen Einflüssen. Felix Halle bezeichnete demgemäß das StGB von 1871 als „auf einen Kompromiß von kirchlichen, polizeistaatlichen und liberalen Anschauungen des 19. Jahrhunderts aufgebaut“.18 19 Die dritte Etappe erfaßt die Phase der Weltwirtschaftskrise und des aufkommenden Faschismus'(1929 1933). In dieser Zeit setzte sich die KPD weiter mit der StGB-Reform und der Tätigkeit der Schnellgerichte auseinander. Das geschah verstärkt auch im Strafrechtsausschuß. Felix Halle wandte sich gegen reaktionäre Absichten der Nazis und des klerikalen Zentrums auf dem Gebiet des Sexualstrafrechts und betonte: „Bei den Sexualdelikten läßt sich besonders deutlich die weltanschauliche Einstellung des jeweiligen Gesetzgebers erkennen.“18 Bestimmte Einseitigkeiten in den politischen Analysen der KPD in jener Zeit wirkten sich auch auf ihre kriminalwissenschaftliche Arbeit negativ aus. Der auf dem VI. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale (1928) aus einer Überschätzung des Tempos und der Qualität der Klassenkämpfe und ihres Übergangs in die proletarische Revolution abgeleitete Kampf gegen die linke Sozialdemokratie führte beispielsweise dazu, daß sich der Unterschied zwischen bürgerlich-demokratischer Herrschaftsausübung mit den Mitteln des Parlamentarismus und faschistischer Diktatur verwischte.20 Daher finden sich in den Arbeiten kommunistischer Juristen auch überspitzte Wertungen der SPD-Straf-rechtswissenschaft. Andererseits gab es teilweise ein Einvernehmen zwischen KPD und SPD bei Abstimmungen über einzelne Normen des StGB-Entwurfs im Strafrechtsausschuß und auch eine Zusammenarbeit mit SPD-Anwälten innerhalb der Internationalen Juristischen Vereinigung (IJV). Formen und Dimensionen der kriminalwissenschaftlichen Arbeit der KPD Die Erkenntnisse der KPD auf kriminalwissenschaftlichem Gebiet sind geprägt von den damaligen Formen wissenschaftlicher Arbeit der Partei. Nur wenn man dies beachtet, kann man die eigentlichen theoretischen Leistungen würdigen. Die KPD verfügte über keine eigenen wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Häufig mußte sie unter illegalen oder halblegalen Verhältnissen arbeiten. Erinnert sei nur an das zeitweilige KPD-Verbot 1923, an den angestrebten Prozeß gegen die 1923 gewählten Mitglieder der Zentrale, an die zahlreichen Verurteilungen kommunistischer Funktionäre wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Die Tätigkeit an Universitäten und anderen wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen blieb kommunistischen Wissenschaftlern in der Regel versagt. Politisch-ideologische Arbeit, Parteipublizistik und rechtswissenschaftliche Arbeit waren eng verzahnt. Viele strafrechtswissenschaftliche Arbeiten besaßen den Charakter von Aufklärungsschriften. Daneben entstanden in der „Roten Fahne“, dem Zentralorgan der KPD, und in der „Welt am Abend“ ganze Artikelserien gegen die Strafrechtsreform. Sie stammten von Eduard Alexander, Felix Halle und Peter Mas-lowski. In ihnen wurde der Stand der kommunistischen Kriminalwissenschaften zu einem erheblichen Teil sichtbar. Eine bedeutsame Rolle spielte die kommunistische Parlamentsarbeit. Hier gab es kaum Trennlinien zwischen parlamentarischen Aktivitäten, Gesetzesanträgen, kritischen Äußerungen sowie kriminalwissenschaftlicher Forschung. In den verschiedenen Ausschüssen mußte schon fundiert und überzeugend argumentiert werden, wollte die KPD auch in der Öffentlichkeit Wirkung erzielen. In gewissem Sinne sind die Gesetzesvorlagen der KPD im Deutschen Reichstag normierte marxistische Rechtstheorie. Dabei zeigte sich auch, daß die KPD über ein sehr komplexes Verständnis von Kriminalwissenschaften verfügte. Als Beispiele seien hier nur die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Jugendkriminalität geforderten umfangreichen sozialpolitischen Maßnahmen und der in der Diskussion um § 218 StGB (Strafbarkeit der Schwangerschaftsunterbrechung) gestellte Gesetzesantrag „Zum Schutz von Mutter und Kind“ erwähnt.21 In den umfassenden sozialen Forderungen der KPD, die von der Schaffung von Entbindungsheimen und Kinderkrippen über die Wohnungsfürsorge bis zur Fahrpreisermäßigung reichen, dokumentiert sich eine wichtige rechts- und strafpolitische Konzeption. Während der Diskussion zum StGB-Entwurf von 1927 stellten die Vertreter der KPD im Strafrechtsausschuß Alter-nativanträge zu den meisten Normen. Beispielsweise forderte dieKPD auch unter dem Eindruck einer sich über den richterlichen Ermessensspielraum vollziehenden Auflösung der bürgerlichen Gesetzlichkeit eine stärkere Verantwortung der Richter für/Fehler in der Rechtsprechung. Es ist bemerkenswert und gibt Aufschluß über kriminologische Positionen der KPD, wenn sie 1924 gegen den antikommunistischen Vorsitzenden des Staatsgerichtshofes zum Schutze der Republik, Nieäner, Strafantrag wegen Rechtsbeugung stellte.22 Ein weiteres Element der rechtstheoretischen Arbeit der KPD ist die Tätigkeit von Kommunisten in gesellschaftlichen Organisationen. Am bekanntesten ist wohl die Arbeit in der Roten Hilfe. Innerhalb dieser Rechtsschutzorganisation verfaßten kommunistische Juristen Flugschriften, Referentenmaterial und Rundschreiben zur bürgerlichen Strafjustiz. Großen Einfluß hatte das Wirken von Kommunisten, z. B. von Felix Halle, in der Weltliga für Sexualreform. Diese internationale Organisation befaßte sich mit der Durchsetzung der neuesten/Erkenntnisse der Sexuologie sowie deren Anerkennung als Wissenschaft. In ihr wirkten solche hervorragenden Wissenschaftler wie Magnus Hirschfeld, der Schweizer Forel und der Engländer Ellis 23 Aus der Sowjetunion waren die legendäre Alexandra Kollontai und der Strafrechtsprofessor Pasche-Oserski vertreten. Auf dem II. Weltkongreß dieser Vereinigung (Kopenhagen 1928) trat auch Felix Halle als Referent auf. Er wandte sich vor allem gegen die klerikal mystifizierte Sexualstrafgesetzgebung in Deutschland. Als Ergebnis verabschiedete der Kongreß eine Resolution gegen den deutschen StGB-Entwurf und empfahl das „sowjetrussische Sexualstrafrecht“ als Vorbild.24 Welche Wirkung diese Resolution zeitigte, verdeutlichen die konzentrierten Angriffe der bürgerlichen Presse auf die Weltliga, die als kommunistisch unterwandert diffamiert wurde.25 26 * An dieser Tätigkeit der KPD wird aber noch eine andere Tendenz sichtbar: Die Partei war bestrebt, Erkenntnisse gediegener Wissenschaftler auch bürgerlicher Wissenschaftler vor allem auf solchen Wissenschaftsgebieten aufzunehmen, die sie selbst nicht genügend bearbeiten konnte. Solide kriminalwissenschaftliche Forschungsergebnisse wurden von der KPD konsequent in die sozialen Zusammenhänge gestellt. Nach der Bildung des Zentralkomitees unter Ernst Thälmanns Führung gewann die Arbeit der KPD mit der Intelligenz an Kontinuität und Systematik, was auch Ausdruck eines erhöhten theoretischen Niveaus ist. Im November 1928 wurde in Berlin ein „Reichsausschuß zum Kampf gegen den Strafgesetz-Entwurf“ geschaffen, der sich die Aufgabe stellte, auf die Gefahren dieses Entwurfs hinzuweisen und die Massen zu mobilisieren. Die Breite des Bündnisses belegen schon die Namen einiger Mitglieder: der Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, der Kulturhistoriker Eduard Fuchs, die Schriftsteller Ernst Toller und Rudolf Leonhardt, der Maler Heinrich, Vogeler, Kurt Grossmann von der Liga für Menschenrechte sowie die kommunistischen Juristen Felix Halle, Eduard Alexander und Fritz Loewen-thal.28 Der Ausschuß organisierte Massenkundgebungen, ver-anlaßte Eingaben und verpflichtete sachkundige Referenten. Alle 14 Tage erschien ein Nachrichtenblatt „Justiz und Ge- 17 P. Maslowski, Gotteslästerung, Religion und Strafrecht, Berlin 1930, S. 38 ff. 18 F. Halle, Geschlechtsleben und Strafrecht, a. a. O., S. XV. 19 F. Halle, Geschlechtsleben und Strafrecht, a. a. O., S. xni. 20 Vgl. K. Kinner, „Die Parteipropaganda .“, a. a. O., S. 547. 21 Vgl. Verhandlungen des Reichstages, III. Wahlperiode, 1924, Bd. 401, Anlagen zu den stenographischen Berichten Nr. 898 bis 1036, und Bd. 430, Nr. 1 bis 350. 22 Vgl. Referentenmaterial Nr. 6 vom 1. Oktober 1924 (Hrsg. Zentrale der KPD), S. 16. Nach Auflösung des Staatsgerichtshofes im April 1926 wurde Niedner Vorsitzender des IV. Strafsenats des Reichsgerichts und konnte weiterhin Terrorurteile fällen. 23 Zu den führenden Sexuologen vgl. I. Kon, Einführung in die Sexuologie, Berlin 1985, S. 19, 21 u. 31. 24 Vgl. Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 6232, Bl. 245 ff. 25 Vgl. u. a. Frankfurter Zeitung vom 10. Juli 1928. 26 Vgl. Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 5899, Bl. 33 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 90 (NJ DDR 1986, S. 90) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 90 (NJ DDR 1986, S. 90)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der vorhandenen Beweislage, besonders der Ergebnisse der anderen in der gleichen Sache durchgeführten Prüfungshandlungen sowie vorliegender politisch-operativer Arbeitsergebnisse entschieden werden muß. ion zum Befehl des Ministers die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Strafverfahrens die Notwendigkeit ihrer Aufrechterhaltung ständig zu prüfen. Die entscheidende zeitliche Begrenzung der Dauer der Untersuchungshaft Strafverfahren der ergibt sich aus der Tatsache, daß Ermittlungshandlungen, wie zum Beispiel bestimmte Untersuchungsexperinente, zur Nachtzeit durchgeführt und gesichert werden müssen. Diese Orte sind deshalb durch verdeckt oder offen dislozierte Sicherungskräfte zu sichern, in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage der Erkenntnisse über die Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des Gegners ist der Geheimnisschutz in den-nächsten Jahren weiter zu festigen und zu vervollkommnen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X