Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 89

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 89 (NJ DDR 1986, S. 89); Neue Justiz 3/86 89 vor allem Hermann Duncker und Edwin Hoernle auf die Notwendigkeit der theoretischen Arbeit und Schulung in der Partei hingewiesen und zugleich bestimmte Schwerpunktdisziplinen genannt.3 Die Beschäftigung mit den Kriminalwissenschaften ergab sich aus deren Gegenstand: Insbesondere die neue Qualität des imperialistischen Strafrechts, seine verstärkte Anwendung als Repressivmittel gegen die Arbeiterklasse, die Praxis der Gesinnungsjustiz Imd die Versuche, ein täterorientiertes Strafrecht zu normieren, zwangen die KPD zur Auseinandersetzung. Aber auch das Ansteigen der allgemeinen Kriminalität stellte die KPD vor die. Aufgabe, die Ursachen dafür zu ergründen und sichtbar zu machen, den Ursachentheorien bürgerlicher Ideologen entgegenzutreten und wirksame soziale Maßnahmen zur Kriminalitätsvorbeugung zu fordern. In der rechtstheoretischen Arbeit der Partei ging es vornehmlich darum, 1. die letztlich materielle Determiniertheit des Rechts und bestimmter sozialer Erscheinungen herauszuarbeiten, damit zum Wesen und zur Funktion des imperialistischen Strafrechts vorzudringen sowie idealistische und scheinbar klassenneutrale Konzeptionen zurückzuweisen; 2. die Handlungsspielräume der gesellschaftlichen Subjekte im imperialistischen Herrschaftssystem der Weimarer Republik aufzuspüren, um so Möglichkeiten der Ausnutzung des bürgerlichen Rechts für den Kampf der Arbeiterklasse zu finden4; 3. in der Auseinandersetzung mit dem imperialistischen Staat und seinem Recht, insbesondere dem Strafrecht, zugleich eine eigene, marxistische Rechtskonzeption zu entwik-keln und,sichtbar zu machen, die Strategie und Taktik der Schöpfung und Anwendung neuen, proletarischen Rechts herauszuarbeiten. So schrieb z. B. Felix Halle, Hauptberater der KPD in juristischen Angelegenheiten5, in seiner Kritik am StGB-Ent-wurf von 1927, der Kampf gegen diesen Entwurf werde „dazu beitragen, die werktätigen Massen über die Aufgaben aufzuklären, die das Proletariat innerhalb der sozialen Umwälzungen auf dem Gebiete des Strafrechts zu lösen haben wird“.6 Vier Jahre später entwickelte Felix Halle in Auseinandersetzung mit dem geltenden StGB einen ganzen Katalog von Anforderungen an ein proletarisches Sexualstrafrecht.7 Georg Schumann, Abgeordneter der KPD im Deutschen Reichstag, arbeitete die Vorstellungen der Partei zum strafrechtlichen Schutz der Arbeitskraft heraus in der klaren Erkenntnis, „daß diese Anträge bei den derzeitigen Machtverhältnissen keine Aussicht auf Annahme hätten“.8 Etappen der kriminalwissenschaftlichen Arbeit der KPD Die kriminalwissenschaftliche Arbeit der KPD war vor allem durch die Dynamik des Klassenkampfes und die darin gesammelten Erfahrungen der Arbeiterklasse geprägt. Dies wird in drei Etappen sichtbar, zwischen denen natürlich fließende Übergänge bestanden. Die erste Etappe, die Nachkriegszeit von 1919 bis 1923, ist durch revolutionäre Massenkämpfe, durch brutalen Terror der Konterrevolution, durch das Suchen der KPD nach einer tragfähigen Strategie und Taktik charakterisiert. In der kriminalwissenschaftlichen Tätigkeit der KPD trat demgemäß als Schwerpunkt die Entlarvung des konterrevolutionären Wesens der Sondergerichtsbarkeit hervor, die von der Bourgeoisie 1919 gegen die Bayrische Räterepublik, 1920 gegen die Rote Ruhrarmee und 1921 gegen die revolutionären Arbeiter im mitteldeutschen Industriegebiet eingesetzt wurde. Aus der direkten Konfrontation wurden Erkenntnisse über diese Terrorjustiz, über ihre „legalisierten Morde“ gewonnen.9 Darüber hinaus enthüllte die KPD die konterrevolutionären Mordtaten der Freikorps und anderer paramilitärischer Organisationen. Aufsehenerregendste Beispiele dafür sind die heimtückischen Morde an dem führenden Zentrumspolitiker und ehemaligen Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (1921) sowie an dem bürgerlichen Politiker und Reichsaußenminister Walter Rathenau (1922) durch die Geheimorganisation Consul. Die Hintergründe dieser Morde und weiterer Anschläge, die im Interesse des Großkapitals und des deutschen Militarismus lagen, sich gegen die Weimarer Republik, gegen bürgerliche Demokratie und gegen diplomatische Beziehungen mit Sowjetrußland richteten, sowie die Gründe ihrer juristischen Nichtbewältigung durch die Weimarer Justiz wurden von KPD-Abgeordneten u. a. im Deutschen Reichstag in den Debatten um das am 18. Juli 1922 angenommene, ganz unzulängliche Republikschutzgesetz entlarvt.10 11 In der zweiten Etappe, die in die Phase der relativen Auszeichnungen Medaille für Verdienste in der Rechtspflege in Gold Georg Frister, Leiter der Abteilung 2 beim Staatsanwalt des Bezirks Gera Dr. Wilhelm Huribeck, Oberrichter am Obersten Gericht Stabilisierung des deutschen Kapitalismus (1924 1928) fällt, markierte die Bildung des Thälmannschen Zentralkomitees im September 1925 einen qualitativen Einschnitt auch in der rechtstheoretischen Tätigkeit der KPD. Im Mittelpunkt der 1. Parteikonferenz der KPD (31. Oktober/1. November 1925) stand die schöpferische Aneignung der Leninschen Imperialismustheorie als „theoretische und methodologische Grundlage für eine richtige Einschätzung der relativen Stabilisierung des Kapitalismus“.11 Es ist nur die logische Konsequenz dieses Weges, wenn der 11. Parteitag der KPD (2.-7. März 1927) ,hervorhob: „Die Partei muß ihre tagtägliche Arbeit durch aktives theoretisches Denken befruchten, wenn sie nicht in leeres Agitatorentum verfallen will.“12 Die qualitativ neue Stufe äußerte sich u. a. in einer streng materialistischen Erklärung des Überbaus. Felix Halle arbeitete den Zusammenhang von Wirtschaft und Recht heraus, kennzeichnete das Recht als juristischen Überbau der jeweiligen Produktionsordnung und unterstrich ausdrücklich: Das Recht ist auch Ergebnis von Klassenkämpfen13, es ist in die Geschichte der menschlichen Gesellschaft eingebettet. Diese Ausgangsposition eröffnete die Möglichkeit, zur Analyse der Funktion des Strafrechts im imperialistischen Deutschland vorzustoßen. Plastisch wurde dies, im Kampf gegen den durch die bürgerliche Regierungskoalition unter Reichskanzler Wilhelm Marx im Jahre 1927 im Reichstag eingebrachten Entwurf eines neuen StGB, durch den die Reformvorhaben der deutschen Bourgeoisie forciert wurden.14 Die KPD erkannte die Gefahr, die von diesem neuen Gesetz ausging, und trat parlamentarisch wie außerparlamentarisch gegen den Entwurf auf. Nachdrücklich unterstützte der Zentralvorstand der Roten Hilfe Deutschlands unter Leitung von Wilhelm Pieck dieses Vorgehen.15 Arbeiten von Juristen aus den Reihen der KPD gingen von theoretischen Erkenntnissen des Wesens des Imperialismus aus, stellten den Zusammenhang zwischen Imperialismus und neuem StGB her. Eine neue Qualität theoretischen Arbeitens wurde sichtbar. Felix Halle bezeichnete den StGB-Entwurf als Liquidierung der „liberalen Periode“ auf dem Gebiet des Strafrechts, als ein Gesetz im Dienste des Imperialismus der Nachkriegszeit.16 Ein anderer Autor setzte sich speziell mit dem Religionsstrafrecht auseinander und legte dar: „Wir befinden uns im Zeitalter des Monopolkapitalismus mit seinen gewaltigen Konzernen und Trusts Der Widerspruch zwischen den hochentwickelten gesellschaftlichen Produktionsformen und der nach wie vor bestehenden und sogar noch verschärften privatkapitalistischen Aneignungsweise vertieft sich immer mehr und führt zur ständigen Verschärfung der Klassenge- 3 Vgl. K. Kinner, „Die Bildungsarbeit der KPD 1919 1923“, Zeitschrift für .Geschichtswissenschaft 1981, Heft 10, S. 894 ff. 4 Vgl. H. Wagner, „Marxistische Rechtstheorie in ihrer aktuellen Bedeutung“, Jahrbuch des IMSF, 7/84, S. 347 ff. 5 Näheres über Felix Halle bei V. Schöneburg in NJ 1984, Heft 5, S. 179 ff. 6 F. Halle, Das neue Strafgesetzbuch gegen das deutsche und österreichische Proletariat, Berlin 1927, S. 3. 7 Vgl. F. Halle, Geschlechtsleben und Strafrecht, Berlin 1931, S. 196 ff. 8 Vgl.: Deutscher Reichstag, IV. Wahlperiode, 1928, 21. Ausschuß, Protokoll der 59. Sitzung; ferner G. Schumann, In der Knochenmühle zermalmt, Berlin 1929. 9 Vgl. F. Halle, Deutsche Sondergerichtsbarkeit 1918-1921, Berlin 1922, und dazu V. SChöneburg, a. a. O., S. 180. , 10 Vgl. die Rede W. Koenens in der Debatte zur Regierungserklärung des Reichskanzlers Wirth (Zentrum) vom 25. Juni 1922, in; Kommunisten im Reichstag, Berlin 1980, S. 56 ff. 11 K. Kinner, „Die Parteipropaganda der KPD im Ringen um die Aneignung und Verbreitung des Marxismus-Leninismus 1925-1933“, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1985, Heft 6, S. 543. 12 Thesen und Resolutionen des XI. Parteitages der KPD, Berlin 1927, S. 34. 13 Vgl. F. Halle, Der Proletarier als Schöffe und Geschworener. Berlin 1926, S. 9. 14 Vgl. L. Jelowik, Die Geschichte der imperialistischen Strafrechtsreform in Deutschland als Ausdruck der Perspektivlosigkeit des imperialistischen Systems, jur. Diss. B, Halle 1979. 15 Vgl. Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsministerium des Innern, Nr. 25673/6, Bl. 125 ff. 16 Vgl. F. Halle, Referentenmaterial zum Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches, Berlin 1930, S. I.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung von Flucht- und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danac Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel Bestandteil operativer Spiele. Dazu können alle operativen Kräfte, Mittel und Methoden Staatssicherheit , Potenzen anderer staatlicher Organe und Einrichtungen sowie gesellschaftlicher Organisationen genutzt werden.

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