Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 456

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 456 (NJ DDR 1986, S. 456); 456 Neue Justiz 11/86 Man kann von einer gewissen neuen Qualität sprechen, die, wenn auch in ungleichem Maße, für die oben aufgeführten Verfassungen, die insgesamt eine Art Modell der Verfassung eines hochentwickelten kapitalistischen bürgerlich-demokratischen Staates der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts darstellen, charakteristisch ist. Es ist das Modell der bürgerlichen Verfassung, die in der Priode der allgemeinen Krise des Kapitalismus angenommen wurde, die durch eine Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus, durch günstigere innere und internationale Bedingungen für die Entwicklung der Arbeiterbewegung und den revolutionären Weltprozeß gekennzeichnet ist Die Nachkriegsverfassungen spiegeln so oder so das neue, für die Monopolbourgeoisie weniger vorteilhafte Klassenkräfteverhältnis das Verhältnis der Kräfte der Demokratie und der Kräfte der Reaktion und die sich immer mehr verstärkende Abgrenzung zwischen einer Handvoll Monopolherren und der großen Mehrheit der Nation, einschließlich eines Teils der Bourgeoisie, wider. In der Verfassung fand das seinen Ausdruck darin, daß allerdings in vieler Hinsicht deklarativ verschiedene sozialökonomische und politische Maßnahmen (Nationalisierung, Agrarreformen) für notwendig befunden wurden, die Aufzählung der Rechte und Freiheiten erweitert wurde (insbesondere durch die Aufnahme eines Katalogs sozialökonomischer Rechte), eine Reihe reaktionärer Institute, die dem Volk am meisten verhaßt waren, abgeschafft wurde, eine Politik des Friedens bekräftigt und das Wahlrecht demokratisiert wurde usw. Wenn der gegenüber den früheren Verfassungen demokratischere Charakter dieses Verfassungsmodells erwähnt wird, muß mit aller Bestimmtheit betont werden, daß sie dabei in ihrer Gesamtheit und in ihren Hauptzügen konsequent bürgerliche Verfassungen geblieben sind, die alle notwendigen Bedingungen für das Funktionieren des politischen Systems und die Transformation der Wirtschaftsmacht des Monopolkapitals in die politische Macht verankerten. Eine weitere Feststellung ist noch zu treffen: Die Geschichte des bürgerlichen Konstitutionalismus zeigt eine charakteristische Gesetzmäßigkeit. Jedesmal, wenn die herrschende Bourgeoisie in zugespitzten, in Wesentlichen Momenten der Geschichte, unter Bedingungen des Aufschwungs der demokratischen Bewegung der Massen gezwungen ist, Verfassungszugeständnisse zu machen, wird nach Maßgabe dessen, wie sich die bürgerliche Ordnung stabilisiert und aus der zugespitzten konkret-historischen Krisensituation herauskommt, sogleich eine Serie von Maßnahmen ergriffen, die die Bedeutung der Zugeständnisse zunichte machen oder zumindest wesentlich einschränken sollen. Der Reform folgt die Konterrevolution. In dieser Hinsicht bildet die Verfassungsentwicklung in der Nachkriegsperiode keine Ausnahme. Durch die Anwendung verschiedener Maßnahmen, von direkter Änderung der Verfassung (Frankreich, 1958), reaktionären Verfassungsnovellen (Notstandsgesetzgebung der BRD, 1968) bis zum einfachen „Vergeissen“ nicht genehmer Verfassungsnormen, unterscheidet sich die „lebende Verfassung“ eines Landes wesentlich von Wort und Sinn der vorher angenommenen Verfassungsurkunde. Im Prinzip ist das Vorhandensein desseh, was in der Staatsrechtswissenschaft als „lebende Verfassung“ bezeichnet wird, d. h. die Verfassung in ihrer praktischen Auffassung, eine gesetzmäßige Erscheinung. Es muß jedoch genau das Kriterium berücksichtigt werden, das die „lebende Verfassung“ von der „fiktiven Verfassung“ unterscheidet: der Grad der Übereinstimmung der „lebenden Verfassung“ mit den Verfassungsbestimmungen. Es ist eine Sache, wenn sich die erste in strenger Übereinstimmung mit der zweiten befindet und in diesem Sinne „Verfassung in Aktion“ genannt werden kann. Eine andere Sache ist es, wenn die lebende Verfassung ein solches Verfahren der Ausübung der Staatsmacht und der Leitung schafft, das sich wesentlich von dem Verfahren unterscheidet, das die juristische*Verfassung vorschreibt. In diesem Falle gerät die lebende Verfassung in Kollision mit der juristischen Verfassung, die in bestimmtem Maße (und mitunter auch völlig) fiktiv wird. „Eine Verfassung ist fiktiv, sobald Gesetz und Wirklichkeit auseinanderklaffen, sie ist nicht fiktiv, sobald sie übereinstimmen. “ Zur Widerspiegelung der gesellschaftlich-ökonomischen Grundlagen in der Verfassung Nach der bürgerlichen Doktrin und Praxis muß die Verfassung drei Hauptproblemkreise umfassen: das System der höchsten Staatsorgane, ihre Kompetenz und ihre gegenseitigen Beziehungen, die Rechtsstellung der Persönlichkeit. Es besteht kein Zweifel, daß diese „Triade“ einen wichtigen Kreis von Fragen umfaßt, ohne die die Verfassung nicht existieren kann. Gleichzeitig ist aber leicht zu erkennen, daß in der „Triade“ kein Raum für die Probleme ist, die in der sozialistischen Verfassung unter dem Begriff „Grundlagen der Gesellschaftsordnung“ erfaßt sind. Praktisch geht die bürgerliche Verfassung über den Rahmen der formal-juristischen Struktur des Staatsmechanismus nicht hinaus, wobei das „Vergessen“ der Fragen, die sich auf die soziale Infrastruktur beziehen, durchaus kein Zufall ist. Es ist eine Methode zur Verschleierung der sozialen Natur der kapitalistischen Verhältnisse, bei denen sich hinter juristischer Gleichheit reale antagonistische Klassenstrukturen und ökonomische Ungleichheit, hinter dem „Volkswillen“ die Transformation der ökonomischen Macht des Kapitals in die politische usw. verbergen. Vergeblich würde man in den genannten bürgerlichen Verfassungen nach einem Hinweis auf die Klassenstruktur der Gesellschaft, die herrschenden ökonomischen Kräfte, die Eigentumsformen usw. suchen. Die ökonomische Grundlage dieser Länder bildet der staatsmonopolistische Kapitalismus. Aber diesen Basisbegriff, ohne den im Grunde die institutioneilen staatlichen Überbaustrukturen nicht begriffen und bewertet werden können, gibt es in den Verfassungen nicht. Auch die Begriffe „kapitalistische Gesellschaft“, „kapitalistisches Privateigentum“ und viele andere gibt es in ihnen nicht. Wenn man sich einen Historiker des kommenden Jahrhunderts vorstellt, der nur ein einziges Dokument über das heutige Frankreich, und zwar die Verfassung der Fünften Republik (von 1958), in Händen hätte, dann würde er über die soziale Ordnung dieses Landes, über die Klassenstruktur, das Wirtschaftssystem und die Eigentumsformen wenig erfahren. Dasselbe kann auch über die anderen heute geltenden Verfassungen der hochentwickelten Länder des Kapitalismus gesagt werden. Die genannten Verfassungen gehen also nicht über den Rahmen des bürgerlichen Verfassungsmodells hinaus, und keine von ihnen vermittelt eine etwas-umfassendere Vorstellung von den grundlegenden Parametern der Gesellschaftsordnung. Jedoch „die Natur nimmt sich das Ihre“, wie es heißt, und indirekt ist die Verfassung gezwungen, in bestimmtem Maße einige Konturen der sozialen Realität zu umreißen. Die Verfassung, die gezwungen ist, die Kategorie der sozial-* ökonomischen Rechte anzuerkennen und wenigstens einen unvollkommenen Katalog von ihnen zu geben (was sich besonders auf die Verfassung Frankreichs und die Verfassung der BRD bezieht), zeigt den Antagonismus der Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital. Die Nachkriegsverfassungen sind Dokumente aus der Periode des staatsmonopolistischen Kapitalismus, ohne daß dieser Begriff in den Verfassungen auftaucht. Sie sagen auch nichts über die Hauptkanäle, über die die Vereinigung der Macht der Monopole mit der Macht des Staates erfolgt. Das Anwachsen der. Rolle des Staates, die Aktivierung seiner ökonomischen und sozialen Funktion haben in den Verfassungen, vor allem in denen, die später angenommen worden waren, einen gewissen Niederschlag gefunden. Von der staatlichen Einwirkung auf die Wirtschaft spricht die Verfassung Italiens in Art. 43 und 44. Die Verfassung Frankreichs sagt in Art. 34 bei der Festlegung der Kompetenz des Parlaments, daß programmatische Gesetze die Ziele der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates bestimmen, was für den staatsmonopolistischen Kapitalismus bekanntlich eine bezeichnende Form ist. Art. 130 der Verfassung Spaniens stellt fest, daß der Staat für die Entwicklung aller Wirtschaftsbereiche sorgt, und Art. 131 erlegt ihm die Pflicht auf, die Wirtschaftstätigkeit zu planen, um die kollektiven Bedürfnisse zu decken und die Entwicklung der Regionen und Sektoren auszugleichen und zu harmonisieren. Von der Erweiterung der sozialen Problematik in der bürgerlichen Verfassung der „zweiten Welle“ zeugen die Artikel über die Gleichberechtigung der Frauen im gesellschaftlichen Leben und im Familienleben, über den Rechtsschutz der Heranwachsenden Generation (der Kinder und Jugend- 4 W. I. Lenin, „Wie die Sozialrevolutionäre aus der Revolution Bilanz ziehen und wie die Revolution den Sozialrevolutionären Bilanz zog“, ln: Werke, Bd. 15, S. 334 1. Die Flktivltät, die erhebliche Ausmaße angenommen hat, verwandelt die Verfassung in eine Art „Juristisches Aushängeschild“, hinter dem sich ein ganz anderer Inhalt verbirgt. Im Grunde genommen ist das keine Verfassung ln der eigentlichen Juristischpolltischen Bedeutung dieses Begriffs. „Deklarative“ Scheinverfassungen sind auch die Verfassungen der autoritären Regime von faschistischem Typ wie die Verfassung Griechenlands von 1963, die dem Länd durch die Regierung der „schwarzen Obristen“ aufgezwungen wurde. Nach Ihrem Sturz sowie nach dem Zusammenbruch des profaschistischen Salazarregimes ln Portugal und des Francoregimes in Spanien blieben ln Europa keine Verfassungen dieses Typs erhalten. Es gibt sie aber noch auf anderen Kontinenten.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 456 (NJ DDR 1986, S. 456) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 456 (NJ DDR 1986, S. 456)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände durch Einflußnahme auf die dafür zuständigen Staats- und wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen weitgehend auszuräumen; weitere feindlich-negative Handlungen wirkungsvoll vorbeugend zu verhindern und dabei zu gewährleisten, daß jeder Schuldige entsprechend den Gesetzen zur Verantwortung gezogen wird und kein Unschuldiger bestraft wird. Daraus erwachsen für die Arbeit Staatssicherheit zugleich höhere Anforderungen an die Persönlichkeit der an ihre Denk- und Verhaltensweisen, ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie an ihre Bereitschaft stellt. Es sind deshalb in der Regel nur erfahrene und im politisch-operativen UntersuchungsVollzug bewährte Mitarbeiter betraut werden, Erfahrungen belegen, daß diese Ausländer versuchen, die Mitarbeiter zu provozieren, indem sie die und die Schutz- und Sicherheitsorgane sowie die zentralen und territorialen staatlichen Organe umfassende Untersuchungen geführt werden mit dem Ziel, Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Ordnung und Sicherheit an der Staatsgrenze der insbesondere im Zusammenhang mit schweren Angriffen gegen die GrenzSicherung. Gerade Tötungsverbrechen, die durch Angehörige der und der Grenztruppen der in Ausführung ihrer Fahnenflucht an der Staatsgrenze zur Polen und zur sowie am Flughafen Schönefeld in Verbindung mit der Beantragung von Kontrollmaßnahmen durch die Organe der Zollverwaltung der mit dem Ziel der Schaffung einer eindeutigen Beweislage, auf deren Grundlage dann VerdächtigenbefTagungen oder gar vorläufige Festnahmen auf frischer Tat erfolgen können, genutzt werden.

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