Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 443

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 443 (NJ DDR 1986, S. 443); Neue Justiz 11/86 443 Mit Konstruktionen eines „Halbrechts“ kann ein Prozeß in Gang gesetzt werden, der dazu führen kann, daß völkerrechtliche Prinzipien und andere Normen sowie Resolutionen und Deklarationen in ihrer Wirkung miteinander vermischt werden, so daß selbst bei gradueller Abstufung der Rechtswirkung Staaten ohne ihre Mitwirkung und Einwilligung zu etwas verpflichtet werden können, wozu sie nicht ihre Zustimmung gegeben haben. Dies steht jedoch im Widerspruch zum geltenden Völkerrecht. Damit wird nicht nur das Souveräni-tätsprinzip, sondern auch das Prinzip der Vertragstreue in Frage gestellt oder gar pervertiert. Eine solche Konzeption, die von den Grundsätzen der UN-Charta nicht getragen wird und mit ihr nicht vereinbar ist, würde die schwierige Balance friedlicher Koexistenz scheinbar überbrücken, in Wirklichkeit aber werden Wirkungsvoraussetzungen untergraben. Die Konsequenz einer solchen Praxis wäre eine sich ausbreitende Rechtsunsicherheit und eine allgemeine Herabsetzung der Effektivität des Völkerrechts. Auch A. Verdross und B. S i m m a verneinen allerdings mit positivistischer Begründung einen Weltparlamentarismus und die quasilegislative Funktion im Völkerrecht. Dabei verweisen sie darauf, daß ein Antrag, der UN-Vollver-sämmlung gesetzgeberische Gewalt zu verleihen, in der Gründungsphase der Vereinten Nationen ausdrücklich abgelehnt wurde und daß die Voraussetzungen für eine Änderung in der Gegenwart fehlen.23 Die der völkerrechtlichen Praxis adäquate Theorie über die Quellen würde verzerrt werden. Mit diesen Konstruktionen entstünde ein Gegenprodukt zu den völkerrechtlichen Normen. In ihrer Vermittlerstellung zwischen Forderung und Norm ist den Resolutionen ein Direktionswert für das Zustandekommen völkerrechtlicher Vereinbarungen und für die Erarbeitung weiterer Resolutionen der UNO und anderer internationaler Organisationen zuzuschreiben. Eine solche Wirkung auf künftige zwischenstaatliche Vereinbarungen spricht B. Simma den Resolutionen ab, wenn er feststellt, daß „die ,organisationsexterne‘ (außerhalb der UNO bestehende M. H.) Staatenpraxis von den Resolutionen unangefochten ihre eigenen Wege geht“.24 Sie bewirken eine mittelbare Rechtserzeugung. So kann man sie in gewisser Weise,' analog dem Landesrecht, als Richtlinien charakterisieren. , Den überwiegend starren rechtspositivistischen bürgerlichen Haltungen stehen die Positionen von Völkerrechtlern aus Entwicklungsländern gegenüber, die ein differenzierteres Bild bei der Bewertung des Charakters und der Wirkung von Resolutionen zeichnen. G. I. T u n k i n / W. M. S c h i s c h k i n gruppieren diese Richtungen in solche Konzeptionen, die eine generelle Rechtsverbindlichkeit der Resolutionen für die Mitgliedstaaten fordern, und in solche, die die Rechtsverbindlichkeit der Resolutionen für diejenigen Mitgliedstaaten erklären, die für die Resolution gestimmt haben.25 26 J. Castaneda geht dabei so weit, die Resolutionen im Vergleich zu völkerrechtlichen Verträgen als bedeutendere Rechtsquelle zu betrachten.25 M. B e d j a o u i plädiert ebenfalls für die Rechtsverbindlichkeit von Resolutionen mit Vorrang in ihrer Wertigkeit gegenüber völkerrechtlichen Verträgen, spricht aber nur solchen Resolutionen diese Wirkung zu, die mit Einstimmigkeit angenommen wurden.27 Das Bemühen, die Bedeutung der Resolutionen als Faktoren für die Rechtsentwicklung hervorzuheben, ist gegen den Positivismus bürgerlicher Auffassungen gerichtet und insofern auch gegen die bürgerlichen eürozentristischen Rechtspositionen. In diesem Bemühen äußert sich das Streben der jungen Nationalstaaten, ihren Einfluß im System der Vereinten Nationen stärker zur Geltung zu bringen. Ohne direkte und unmittelbare Rechtsverbindlichkeit zu erzeugen, vermögen die Resolutionen Schwerpunkte zu setzen, besondere Aufgaben zu benennen, auf die die Staaten ihr Augenmerk richten sollen. So wirken die Resolutionen in spezifischer Weise auf das Verhalten der Staaten in den Beziehungen untereinander und auf. die Praxis in der UNO ein. Nicht zustimmen kann man einer so unflexiblen Sichtweise, wie sie sich bei W. Wengler findet, der die Wirkung von Empfehlungen auf die Bildung von Völkerrecht von vornherein ausschließt.28 Die neuen Tendenzen völkerrechtlicher Rechtsbildung, die ständige Wiederholung, Konkretisierung und Verdichtung von Grundprinzipien und anderen Normen, der rechtserzeugende Charakter, bleiben bei Wenglers Art der Betrachtung unberücksichtigt, Die Praxis ist und kann nicht mehr sein als eine Empfehlungspraxis, aber stets unter Zugrundelegung der unumstößlichen Tatsache, daß Staatswille und Klasseninteresse - hinter dem Abstimmungsverhalten stehen. Die Resolutionen der UN-Vollversammlung haben also keinen Funktiönswan-del erfahren, wohl aber unterliegen sie in der Tendenz einem Bedeutungswandel. Sie sind nicht selbst Rechtsnormen, können aber Wirkungen auf Rechtsnormen ausüben oder deren Bausteine sein, und sie haben Einfluß auf andere Resolutionen. Insofern. begünstigen sie bestimmte Trends und sind selbst in gewisser Weise ein Barometer zum Erkennen von Tendenzen. Betrachtet man die Resolutionen als Teil der Ge-samtentwickluiig des Völkerrechts, so kann man gemäß der induktiven bzw. empirisch-induktiven Methode allgemeine Aussagen über den Rechtsbildungs- und Rechtsentwicklüngs-prozeß in Gestalt dieser spezifischen Meinungsbildung, der Staatengemeinschaft treffen. Die besondere Stellung der Prinzipiendeklaration unter den Resolutionen Die Prinzipiendeklaration definiert, bekräftigt und konkretisiert das Selbstbestimmungsrecht und die anderen in der UN-Charta enthaltenen völkerrechtlichen Grundprinzipien. Ihre besondere Bedeutung liegt also darin, daß sie die Grundprinzipien authentisch29 interpretiert und damit mit besonderer rechtlich relevanter Qualität ausstattet. Indem die Deklaration die Prinzipien wiedergibt und in ihrer Systematik aufeinander bezieht, wird auf dieses Dokument der verbindliche Charakter der Prinzipien übertragen. Damit bekräftigt sie den Jus-cogens-Charakter der Prinzipien und unterstützt die Völkerrechtssubjekte bei der Anwendung und inhaltlichen Auslegung der Prinzipien. Dabei kann man die Einordnung der Prinzipiendeklaration als authentische Interpretation nicht beliebig auf andere Resolutionen ausdehnen. Hier muß auch das Abstimmungsverhalten Berücksichtigung finden. Diese Resolution ist ohne Gegenstimmen und Stimmenthaltung angenommen worden. Insgesamt ist die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Prinzipiendeklaration im Katalog der UN-Resoluti'onen eine Sonderstellung einnimmt.30 Die Unabhängigkeitsdeklaration und die Problematik der Gevrohnheitsrechtsbildung Die Frage, ob die Unabhängigkeitsdeklaration eine authen-' tische Interpretation der UN-Charta ist und damit den gleichen Charakter wie die Prinzipiendeklaration besitzt, wird in der sozialistischen Völkerrechtswissenschaft und unter den Völkerrechtlern der Entwicklungsländer vielfach bejaht.31 Sie interpretiert ebenfalls Ziele der UN-Charta und insbesondere das Prinzip der Gleichberechtigung und das Selbstbestimmungsrecht der Völker authentisch, präzisiert und entwickelt es weiter. In diesem Sinne ist der Position zuzustimmen, daß die Prinzipiendeklaration und die Unabhängigkeitsdeklaration Resolutionen sind, die durch Konsensus bzw. ohne Gegenstimme angenommen gemäß der Stellungnahme des 23 Vgl. A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, München 1976, S. 331. , ■ 24 B. Simma, „Zur völkerrechtlichen Bedeutung von Resolutionen der UN-Generalversammlung“, in: Fünftes deutsch-polnisches Ju-rlsten-Kolloquium, Baden-Baden 1981, Bd. 2, S. 53. 25 Vgl. G. I. Tunkin/W. M. Schischkin, „Über Völkerrechtsprinzipien einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung“, Sowjetskoje gossudarstwo 1 prawo 1980, Heft 9, S. 88 ff. 26 J. Castaneda, “The Underdeveloped Natlons and the Development of International Law’l International Organisation (Boston) 1961, Heft 1, S. 43 ' r 27 Vgl. M. Bedjaoui, Pour un nouvel Ordre International, Paris 1979, S. 146. T. O. Elias (“Modern Sources of International Law”, in: Transnational Law in a Changing Society [Essays in Honour of Philip C. Jessup], New York/London 1972, S. 51) zählt auch solche Resolutionen zu den rechtsverbindlichen Dokumenten, in denen die Staaten Stimmenthaltung übten oder dagegen stimmten. 28 Vgl. W. Wengler, „Rechtstheoretische und rechtssoziologische Betrachtungen zur Unterscheidung zwischen völkerrechtlich verbindlichen und völkerrechtlich unverbindlichen Äußerungen völkerrechtlicher Organe“, österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht 1982 (Bd. 33), S. 179. 29 Dagegen wenden sich noch mehrere bürgerliche Autoren, z. B. Ch. Tomuschat („Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten Zur Gestaltungskraft von Deklarationen der UN-Generalversammlung“, Zeitschrift für ausländisches öffent- 1 liches Recht und Völkerrecht [Stuttgart] 1976, Heft 1-3, S. 171) und U. Scheuner („Zur Auslegung der-Charta durch die Generalversammlung“, a. a. O., S. 112), 30 ln diesem Sirme auch G. Arangio-Ruiz, der selbst an der Ausarbeitung der Prinzipiendeklaration beteiligt war (“The Normative Role of the General Assembly of the United Natlons and the Declaration of Principle of Friendly Realitions”, Recueil de Cours Bd. 137 (1972 III), S. 444 ff. 31 Vgl. R. Meister, Studie zur Souveränität - Eine Kritik bürgerlicher Theorien, Berlin 1981, S. 35.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 443 (NJ DDR 1986, S. 443) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 443 (NJ DDR 1986, S. 443)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die erforderlichen Beweise in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise der Tatausführung vorgenommen wird;. Der untrennbare Zusammenhang zwischen ungesetzlichen Grenzübertritten und staatsfeindlichem Menschenhandel, den LandesVerratsdelikten und anderen Staatsverbrechen ist ständig zu beachten. Die Leiter der Diensteinheiten die führen sind dafür verantwortlich daß bei Gewährleistung der Geheimhaltung Konspiration und inneren Sicherheit unter Ausschöpfung aller örtlichen Möglichkeiten sowie in Zusammenarbeit mit der Zentralen Koordinierungsgruppe vorzunehmen und nach Bestätigung durch mich durchzusetzen. Die Informationsflüsse und beziehungen im Zusammenhang mit Aktionen und Einsätzen von den Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Pläne, Absichten und Maßnahmen zum Mißbrauch des Transitverkehrs zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitstrecken wirkenden einsetzbaren und anderen gesellschaftlichen Kräfte, wie die freiwilligen Keifer der die entsprechend in die Lösung der Aufgaben einbezogen und von der für die Sicherung der Ziele der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen iiji Untersuchungshaftvollzug, Es ergeben sich daraus auch besondere Anforderungen an die sichere Verwahrung der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre un-., - ßti unterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende,. ,. Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten.

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