Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 410

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 410 (NJ DDR 1986, S. 410); 410 Neue Justiz 10/86 dingungen bleibt hinter den Auffassungen der französischen Materialisten zurück.6 Es herrschte noch der jugendlich-leidenschaftliche Protest Schillers vor; erst später folgte die Ausformung seiner philosophisch-theoretischen und ästhetischen Auffassungen, die allgemein erst mit Beginn der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts, nach der Beschäftigung auch mit Immanuel Kants Werk, gesehen wird.7 Bis dahin dominierten Einflüsse der englischen Moralphilosophie, die Schiller eben eigenwillig modifizierte8, die jedoch seine moralisierende Darstellungsweise wesentlich erklären. „Der junge Schiller ist kein Dialektiker. Bei ihm stehen die Antithesen, verbunden durch einen zwanghaft ablaufenden Mechanismus, einfach zusammen.“9 Allein schon (bzw. erst) in seinem Fragment „Der Geisterseher“, das in Fortsetzungen von 1787 bis 1789 erschien, finden sich in den philosophischen Gesprächen der hinteren Teile differenziertere, der Dialektik nähere Auffassungen zur Korrespondenz von inneren Antrieben (Vorstellungen, Willen, Motive) und äußerem Handeln, zur Verwirklichung des Moralischen in der inneren, aber sich äußernden Tätigkeit. Seine philosophische Konstruktion erlaubt Schiller jedoch schließlich eine von der Wirklichkeit abgehobene, ihn befriedigende Lösung des Konflikts: den möglichen Beginn moralischer Besinnung seines Helden. Damit grenzt er sich zugleich von einer selbstzerstörerischen Fortentwicklung des Bösen ab. „Das Laster hatte seinen Unterricht an dem Unglücklichen vollendet, sein natürlich, guter Verstand siegte endlich über die traurige Täuschung.“ Der Ausweg: Nicht vergeltende Strafe, sondern die Möglichkeit der Bewährung durch nützliches Handeln. Bedeutsamer und überzeugender ist aber schließlich die Konsequenz, mit der Schiller nach seinem theoretischen Beginn die Wechselwirkung von inneren und äußeren (sozialen, politischen, rechtlichen und moralischen) Bedingungen entwickelt bis zur individuellen Selbstlösung des Konflikts, dem sich die Herrschenden als unfähig und unwillig verweigert hatten. Und auf diesem Weg hebt sich das Problem dann vom einzelnen Kriminalfall ab, wird zum gesellschaftlichen, verbindet sich Sozialkritik mit politischer Kritik, werden die progressiven Forderungen sichtbar. Von der Natur und zugleich sozial benachteiligt wurde der Held zum Wilddieb. Die Abwendung der ersten Strafe kostete ihn seine ganze Habe. „Drückendes Gefühl des Mangels gesellte sich zu beleidigtem Stolze, Not und Eifersucht stürmen vereinigt auf seine Empfindlichkeit ein, der Hunger treibt ihn hinaus in die weite Welt, Rache und Leidenschaft halten ihn fest.“ Hier ist in Prosa ein empfindsames Nachfühlen des Zusammenwirkens sozialer und seelischer Zustände gelungen. Sie halten den Helden auf der eingeschlagenen Bahn. Nach der ersten Zuchthausstrafe „flieht ihn“ seine Umwelt, verweigert ihm selbst Arbeit. „In allen Entwürfen getäuscht, an allen Orten zurückgewiesen, wird er zum drittenmal Wilddieb Die Richter sahen in das Buch der Gesetze, aber nicht einer in die Gemütsverfassung des Beklagten.“ Das „Zeichen des Galgens auf den Rücken gebrannt“, töteten die barbarischen Bedingungen dreijähriger Festungshaft das Gefühl der Schande. Schiller läßt ihn sagen: „Alle Menschen hatten mich beleidigt, denn alle waren besser und glücklicher als ich. Ich betrachtete mich als den Märtyrer des natürlichen Rechts und als ein Sehlachtopfer der Gesetze.“ Zur Anklage stellt Schiller aber auch die Ablehnung der Gestrauchelten, die selbst im Volke verbreitet war, „den grausamen Hohn und die stolze Sicherheit , womit gemeiniglich die ungeprüfte aufrechtstehende Tugend auf die gefallne herunterblicktHier war weithin das verloren gegangen, was im russischen Volk den Verbrecher als „Unglücklichen“ bemitleiden ließ. „Alle Welt floh mich wie einen Giftigen Ich brauchte keine gute Eigenschaft mehr, weil man keine mehr bei mir vermutete. Man ließ mich Schandtaten büßen, die ich noch nicht begangen hatte Ich wollte mein Schicksal verdienen. Die Gesetze, meinte ich, wären Wohltaten für die Welt, also faßte ich den Vorsatz, sie zu verletzen “ Und er verletzte das verschärfte fürstliche Edikt gegen Wilddiebstahl, um mit dem Gesetz auch den Landesherrn zu verhöhnen, wurde Mörder, stieß zu einer Räuber- Informationen Im Institut für Weiterbildung des Ministeriums der Justiz in Wustrau führten das Ministerium der Justiz und das Oberste Gericht der DDR vom 1. bis 5. September 1986 einen Lehrgang mit Leitungskadern der beiden zentralen Justizorgaoe sowie der Bezirksgerichte zur Auswertung der Beschlüsse des XI. Parteitages der SED durch. Grundsätzliche Orientierungen vermittelte Dr. Klaus Sorgenicht, Leiter der Abteilung Staats- und Rechtsfragen beim Zentralkomitee der SED und Mitglied des Staatsrates der DDR, in seinem Vortrag über die staatliche Entwicklung in der DDR bis 1990. Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates und Minister der Justiz, Hans-Joachim Heusinger, referierte zu den justizpolitischen Aufgaben in der zweiten Hälfte der 80er Jahre und den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Leitung der Gerichte und Staatlichen Notariate. Zur Leitung der Rechtsprechung durch das Oberste Gericht sprach der Präsident des Obersten Gerichts, Dr. Günter Sarge. Weitere Vorträge wurden u. a. gehalten zu den Themen: Grundsätzliche Aufgaben in der Arbeit mit den Kadern (Stellvertreter des Ministers Dr. S. Wittenbeck), Probleme der Leitung der Rechtsprechung in Strafsachen (Vizepräsident Dr. G. Körner), Probleme der Leitung der Rechtsprechung in Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen (1. Vizepräsident Dr. W. Straßberg). Vorträge und Aussprachen berührten danach auch solche Komplexe wie Leitungsanforderungen an die Direktoren der Gerichte, Einordnung der gerichtlichen und notariellen Tätigkeit in den Gesamtprozeß der gesellschaftlichen Entwicklung des Territoriums und zur Durchsetzung der ökonomischen Strategie, Anforderungen an die Rechtspropaganda und Rechtserziehung in Umsetzung der Beschlüsse des XI. Parteitages der SED. Aufmerksamkeit fanden auch spezielle Darlegungen zu der schrittweisen Einführung rechnergestützter Arbeitsplätze und den Auswirkungen auf Leitungstätigkeit, Arbeitsorganisation, Information und Kader. bande, in der er verlorene Achtung und Vertrauen wiederzuerhalten glaubte, wurde schließlich deren Hauptmann. Schiller hat hier nicht nur wie Thomas Mann sagt „als sprachstarker Erzähler intrigant spannende Unterhaltung größten Stiles“10 11 geboten, sondern zugleich in zwingender Dichte die Verflochtenheit all dessen, was zum Verbrechen führt und auf dem Weg des Verbrechens hält, zu durchleuchten versucht und verallgemeinernd bewertet. Er hat unterhalten und belehrt. Er hat weitgehend Partei genommen für seinen „Bösewicht“ und damit gegen soziale Ungerechtigkeit, gegen Nachteile aus natürlicher Ungleichheit, gegen eine nur noch positivistisch denkende parteiische Justiz, die den Menschen aus dem Auge verliert, gegen einen menschenunwürdigen Strafvollzug, gegen bornierte Vorurteile im Verhältnis zu Vorbestraften, gegen deren moralischen und sozialen Ausschluß aus der Gemeinschaft.11 Er focht im Namen des natürlichen Rechts, das allen Gleichheit von Geburt und Gleichbehandlung versicherte. Und er läßt seinen Helden das herrschende feudale Recht und die Justiz durchleben, die diesem natürlichen Zustand zuwiderstanden. Hierin liegen wichtige historische Einsichten Schillers und das Bedenkens- und Bewahrenswerte der ersten deutschen Kriminalerzählung insbesondere eben für den Juristen. 6 Der französische Materialismus war von Schiller bis dahin offensichtlich mehr abgelehnt als aufgenommen worden (vgl. E. Middell, a. a. O., S. 47). Insofern dürfte die Meinung, Schiller habe sich an La Mettrie orientiert bzw. sogar dessen Gedanken weitergeführt (vgl. H. Pfeiffer, Die Mumie im Glassarg Bemerkungen zur Kriminalliteratur, Rudolstadt 1960, S. 22), nicht zutreffen. 7 Vgl. Philosophenlexikon, Berlin 1983, S. 826 f. So auch G. Haney (Recht und Gerechtigkeit bei Schiller, unveröffentlichtes Manuskript, Jena 1985), der einen weiteren Aufschluß des philosophischen Gehalts von Schillers Schriften fordert und redhtsphilo-sophisch demonstriert. 8 Vgl. Philosophenlexikon, a. a. O., sowie E. Middell, a. a. O., S. 47 f. 9 E. Middel, a. ä. O., S. 46. 10 Th. Mann, „Versuch über Schiller“, in: Adel des Geistes (Zwanzig Versuche zum Problem der Humanität), Berlin/Weimar 1965, S. 776. 11 Dagegen hatte Goethe in einem Brief an Charlotte von Stein vom 9. September 1780 bekannt, daß er auf einer Dienstreise durch Thüringen an einer Vernehmung von Verbrechern anfangs nicht teilnehmen wollte, „denn ich fliehe das Unreine“ (Goethes Briefe in drei Bänden, 1. Band, Berlin/Weimar 1984, S. 129).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 410 (NJ DDR 1986, S. 410) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 410 (NJ DDR 1986, S. 410)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit stellt in jedem Palle eine Situation dar, die den zur Orientierung und Entscheidung zwingt und es hat sich gezeigt, daß in der Regel die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die Einleitung desselben vorliegen und ein solches angestrebt wird. Ausgehend von der Orientierung des Leiters der Hauptabteilung ist es bei politischoperativem Erfordernis möglich, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in der Volkswirtschaft; alle Straftaten aufzudecken und aufzuklären; die gesetzlichen Möglichkeiten, für eine differenzierte Anwendung der Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens ausgerichtet und an den konkreten Haupttätigkeiten und Realisierungsbedingungen der Arbeit des Untersuchungsführers orientiert sein.

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