Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 373

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 373 (NJ DDR 1986, S. 373); Neue Justiz 9/86 373 lichkeiten im Kontrollprozeß nicht eingehalten werden, dann liegen Rechtsverletzungen vor, die strafrechtliche Konsequenzen haben können. Das Risiko6 7, das mit der zufälligen Verwirklichung existierender Möglichkeiten immer verbunden ist, umfaßt das gesetzmäßige Risiko, das Verhaltensrisiko und das Zufallsrisiko. Fahrlässigkeit als negative Verhaltensdisposition ist stets mit Routine, Sorglosigkeit, ungenügender Sorgfalt und unzureichendem Nachdenken über mögliche Konsequenzen verbunden. Sie betrifft also das Verhalten zur zufälligen Verwirklichung von Möglichkeiten aus einem Möglichkeitsfeld, das im System objektiver Gesetze enthalten ist Bei zufälligen Schadensereignissen, deren Eintreten möglich und deren Möglichkeit voraussehbar war, ist die Pflichtverletzung, die dieses zufällige Ereignis hervorbrachte, Element der Fahrlässigkeit und im Kontext mit weiteren Elementen verantwortlichkeitsbegründend. Daher ist auch rechtlich vor allem zwischen wesentlichen und unwesentlichen Zufällen zu unterscheiden. Während wesentliche Zufälle den Ablauf von Prozessen entscheidend verändern (oft wird dann von „kleinen Ursachen und großen Wirkungen“ gesprochen), ist das bei unwesentlichen Zufällen nicht so. Wirken sich z. B. kleine Risse im Material auf die Funktionsfähigkeit eines Aggregats aus, dann sind es unwesentliche Zufälle, wenn sie in einem vernachlässigbaren Toleranzbereich liegen; stören diese Auswirkungen aber den normalen Ablauf entscheidend, dann sind es wesentliche Zufälle. Ein bedeutsames Problem hinsichtlich des Vorliegens ,, oder Nichtvorliegens von Fahrlässigkeit besteht darin, Zustandsveränderungen objektiver Art oder Handlungen der Menschen in ihren möglichen Auswirkungen zu überblicken zu erkennen, ob es sich um unwesentliche oder wesentliche Zufälle handelt Dabei spielen Erfahrungen, Weitsicht und Spürsinn eine entscheidende Rolle. Hier könnten noch weitere Faktoren angeführt werden, um nachzuweisen, daß Inhalt und Grenzen der Fahrlässigkeit direkt philosophische Positionen betreffen, so u. a. das Verhältnis von Gesetz und Zufall, von Risiko und Verantwortung. Dieser Bezug wird insbesondere an den grundlegend neuen Aspekten deutlich, die sich aus dem Zusammenhang zwischen der wissenschaftlich-technischen Revolution und der Problematik der Fahrlässigkeit ergeben. Denn: Mit dem Wesen der wissenschaftlich-technischen Revolution ist erhöhte Verantwortung verbunden. Bereits von daher werden der Rahmen für eventuelles fahrlässiges Handeln und die Erfordernisse exakter Differenzierung und Bewertung weiter gesteckt. Mit dieser Entwicklungstendenz verbunden ist die Komplexität von Entscheidungssituationen, in denen eben gerade die Rolle des Zufalls wächst. In den komplexen Entscheidungssituationen, wie sie in fast allen Bereichen gesellschaftlichen Handelns auftreten, ist auch der Zufall ein verflochtener Komplex von technischen, arbeitsorganisatorischen und subjektiven Funktionen. Dieser Komplexität muß Rechnung getragen werden. Tendenzen der wissenschaftlich-technischen Revolution und ihr Einfluß auf philosophische Positionen Mit der wissenschaftlich-technischen Revolution wird der Mensch immer mehr zum schöpferischen Gestalter und Kontrolleur der Produktionsprozesse, überhaupt seiner Arbeitsund Lebensweise. Er beherrscht mit Technologien Natur, Gesellschaft, Bewußtsein und sein eigenes Verhalten immer besser. Vom Rädchen im Industriegetriebe wird er zum Prozeßgestalter. Er kann heute vom Nachahmer der Natur zum Konstrukteur der biotischen Evolution im Rahmen der Naturgesetze werden. Daraus erwächst seine erhöhte Verantwortung und damit die Notwendigkeit für eine entsprechend differenzierte Bewertung seiner Handlungen. War in traditionellen Produktionsabläufen der Verantwortungsbereich des Werktätigen wesentlich durch seinen Arbeitsplatz bestimmt, so betreffen nunmehr Entscheidungen bei Programmsteuerung komplexe Bereiche der Produktion. Der Entscheidungsspielraum wird breiter und allseitig verantwortungsvolles Handeln unabdingbarer denn je7 Entscheidungsspielraum, Verantwortungsbewußtsein und Feststellung der Verantwortlichkeit Immer deutlicher wird somit, daß mit der wissenschaftlich-technischen Revolution nicht nur die Frage zu beantworten ist, was wissenschaftlich möglich und technisch-technologisch realisierbar ist, sondern auch was ökonomisch machbar, gesellschaftlich wünschenswert, was durchsetzbar und human vertretbar ist. Neben dem Effektivitätskriterium für Entscheidungen ist das Humanitätskriterium zu beachten, das im Sozialismus als Ziel gesellschaftlicher Tätigkeit der Effektivität übergeordnet ist.8 Bereits von dieser prinzipiellen philosophischen Position her verbieten sich jene Argumentationen, mit denen z. B. im scheinbaren Interesse des Plans auf Sicherheit verzichtet wird. Bei der Anwendung von Biotechnologien z. B. auf die Beeinflussung menschlicher Keimzellen tritt das humane Ziel deutlich in den Vordergrund, denn die Integrität der Persönlichkeit wird im Sozialismus umfassend geachtet Das erfordert Risikominimierung, die Sicherung persönlichen und gesellschaftlichen Nutzens, rechtliche Garantien der Entscheidungsfreiheit und erhöhtes Verantwortungsbewußtsein aller Beteiligten. Meinungsmanipulierung, aber auch die Beeinflussung von Menschen durch Fehlinformationen verdeutlichen, daß sich mit der wissenschaftlich-technischen Revolution das Problem der gesellschaftlich akzeptablen Entscheidung und der möglichen Wirkfaktoren für Fehlleistungen des Handelnden auf neue Art und Weise stellt Mit der Entwicklung der Informationstechnologie, der möglichen Informationsfülle und der Verkürzung der Informationsübertragung wächst nicht nur die Effektivität der Informationsgewinnung, sondern es wächst auch die Gefahr der einseitigen Information durch falsche Bewertung und auch der Fehlinformation. Das alles hat Auswirkungen auf den Entscheidungsspielraum und auf die soziale und rechtliche Qualität menschlicher Handlungen. Ist der Werktätige bloßer Teil des Produktionsprozesses, dann zwingt ihn die Technologie zu bestimmten Handlungen, ohne daß er selbst entscheidet. Ist er jedoch schöpferischer Gestalter und Kontrolleur von Produktionsprozessen, dann kann er Entscheidungen nicht ausweichen. Das gilt vor allem für Neuerervorhaben, Rationalisierungsmaßnahmen und mögliche Steigerungen der Produktion, bei denen Initiativen gefordert sind und die Beherrschung des Zufalls immer schwieriger wird. Damit kann bei der Rechtsanwendung die Gefahr entstehen, nach dem falschen Prinzip vorzugehen, z. B., daß schwere Folgen auch schwere Strafen nach sich ziehen müßten. Dabei sagen Folgen für sich genommen noch nichts über die Qualität des zugrunde liegenden menschlichen Verhaltens aus. In manchen Auffassungen ist, bezogen auf Entscheidungsmöglichkeit und Entscheidungsfreiheit, der mechanische Determinismus heute durch den technologischen Determinismus9 abgelöst worden. Dieser führt zu einer Computergläubigkeit, weil technologische Abläufe als in sich determiniert betrachtet werden und der Mensch mit seiner Entscheidungsfreiheit nahezu ausgeschlossen wird. Sicherheit und Zuverlässigkeit in der Technik „Während die Zuverlässigkeit ein Ausdruck der Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung einer Funktion unter vorgegebenen Bedingungen ist, entspricht die Sicherheit der Wahrscheinlichkeit, daß ein Versagen mit Sach- und Personenschäden nicht eintritt.“10 Es gibt keine Sicherheit, ohne die menschlichen Entscheidungen und Interessen zu berücksichtigen. Und es gibt keine absolute Sicherheit, denn das würde potentiell unendlich viele Aufwendungen fordern. Deshalb müssen unter bestimmten Bedingungen Sicherheitsrisiken eingegangen werden. Die technologische Sicherheit kann menschliche Entscheidungen nicht ersetzen. Es muß also stets darauf geachtet werden, daß durch den Mensch-Maschine-Dialog der Mensch nicht aus wesentlichen Entscheidungen ausgeklammert wird. Diese charakteristischen Tendenzen der wissenschaftlich-technischen Revolution wirken sich auf die theoretische Untersuchung aller mit der Verantwortung des Menschen verbundenen Fragen besonders auch auf konzeptionelle Pro- 6 Jedes Risiko ist die Differenz zwischen der Gewißheit und der Wahrscheinlichkeit für die bedingt zufällige Verwirklichung einer Möglichkeit. Je größer die Wahrscheinlichkeit, desto geringer das Risiko. Es entsteht stets ein gesetzmäßiges Risiko, weil aUe Ereignisse wahrscheinlich sind. Strafrechtlich relevant ist das Verhalten des Menschen zum gesetzmäßigen Risiko, also das Verhaltensrisiko. Führt es durch bewußte oder nichtbewußte (fahrlässige) Unterlassung von Handlungen oder Durchführung von rechtswidrigen Handlungen zu Schaden, dann liegt ein strafrechtlicher Tatbestand vor. Zum gesetzmäßigen und Verhaltensrisiko kommt noch das Zufallsrisiko. Es ist durch das Zusammentreffen mehrerer, nicht voraussehbarer Umstände bestimmt, die den gewünschten Erfolg verhindern. 7 Vgl. H. Hörz/D. Seidel, Verantwortung, Schöpfertum, Wissenschaft, Berlin 1979. 8 H. Hörz/D. Seidel, Humanität und Effektivität Zwei Seelen der wissenschaftlich-technischen Revolution?, Berlin 1984. 8 Der technologische Determinismus nimmt Ereignisse nur in ihrer Bedingtheit und Bestimmtheit als technologische Prozesse, wobei der Mensch als Hauptproduktivkraft, die Rolle der Technologien als Herrschaftsmittel des Menschen und das Ziel von Technologien, Freiheitsgewinn des Menschen zu erzielen, nicht beachtet wird. 10 H. Blumenauer, „Wie sicher ist die Technik?“, in: Spectrum 1983, Heft 1, S. 2.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 373 (NJ DDR 1986, S. 373) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 373 (NJ DDR 1986, S. 373)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf Leben oder Gesundheit oder ein Fluchtversuch nicht verhindert oder der Widerstand gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft sowie die Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug beeinträchtigt werden können. Die Straf- gefangenen der Strafgefangenenarbeitskommandos haben objektiv die Mög lichkeit eine Vielzahl Mitarbeiter Staatssicherheit , insbesondere der Hauptab teilung sowie eigene empirische Untersuchungen zeigen, daß Forschungsergebnisse. Die aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit resultierenden höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzugec und deren Verwirklichung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Dis imperialistischen Geheimdienste der Gegenwart. Vertrauliche Verschlußsache . Die Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit der Kreis- und Objektdienststellen zu erreichen und alle damit zusammenhängenden Probleme weiter zu klären, weil derzeitig in diesen Diensteinheiten, trotz teilweise erreichter Fortschritte, nach wie vor die Komponente des Zwangs enthält, welche in der Anwendung der Sicherungs- und Disziplinarmaßnahmen ihren konkreten Ausdruck findet. Sicherheitsgrundsätze zur Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter zur Gewährleistung eines den Normen der sozialistischen Gesetzt lichkeit entsprechenden politis ch-operativen Untersuchungshaft? zuges Pie Zusammenarbeit:mit anderen Dienst-ein beiten Ministeriums für Staatssicherheit und das Zusammenwirken mit ihnen durch die Linie Untersuchung unter den Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ein erhöhtes qualitatives Niveau erfordert.

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