Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 323

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 323 (NJ DDR 1986, S. 323); Neue Justiz 8/86 323 det mehrheitlich, so daß praktisch die tatsächliche Alleinentscheidung des Präsidenten der Bundesanstalt gewahrt bleibt. Gegen diese Entscheidung können die „Fachspitzenverbände “ der am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien (also auch der Unternehmerseite) Klage beim Bundessozialgericht erheben. Dieses Gericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug, ob der Beschluß des Ausschusses rechtens war oder nicht (§ 116 Abs. 6 AFG). Außerdem kann jeder betroffene Werktätige vor den Sozialgerichten klagen, um doch noch seine Ansprüche bestätigt zu bekommen. Hier ist der normale Instanzenweg offengehalten. Natürlich wird eine ablehnende Entscheidung des Bundessozialgerichts die Individualansprüche negativ beeinflussen, abgesehen davon, daß die Gerichte wegen einer Prozeßdauer von zwei bis drei Jahren für den normalen Instanzenweg nie in der Lage sind, noch während der Dauer eines Streiks ein abschließendes Urteil zu fällen. Aber gerade darauf käme es den Gewerkschaften wegen des Aufrechthaltens der Streikbereitschaft an. 2. Neu eingeführt wurde die Pflicht des Unternehmers, darzulegen und glaubhaft zu machen, daß der Arbeitsausfall in Betrieben außerhalb des umkämpften Tarifgebiets eine notwendige Folge des Arbeitskampfes Ist (§ 72 Abs. 1 a AFG). Eine solche Darlegung ist jedoch schwer überprüfbar, und deshalb sind Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Zwar hat der Unternehmer auch eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen, aber diese besitzt keine rechtliche Bedeutung und ist nur von informatorischem Wert für die Bundesanstalt bzw. für die Sozialgerichte. Bezeichnend ist auch, daß dem Betriebsrat keine Befugnis eingeräumt worden Ist, die Richtigkeit der Angaben des Unternehmers anhand ihm vorzulegender Unterlagen nachzuprüfen. 3. Schließlich wurde in § 116 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 AFG als zusätzliche Voraussetzung für die Entscheidung über Leistungsansprüche der Buchst, b eingefügt, der vorsieht, daß „das Arbeitskampfergebnis aller Voraussicht nach in dem räumlichen Geltungsbereich des nicht umkämpften Tarifvertrages im wesentlichen übernommen wird“. Auch dies ist keine Verbesserung. Es wird nicht darauf abgestellt, daß das Arbeitskampfergebnis mit von vornherein feststehender Gewißheit auch im nicht umkämpften Tarifgebiet zur Anwendung kommen wird, sondern es wird nur die „im wesentlichen“ mögliche Übernahme verlangt, von der angenommen werden kann, daß sie „aller Voraussicht nach“ erfolgt. Diese Ansammlung sehr unbestimmter Rechtsbegriffe wird durchweg zu Auslegungsschwierigkeiten führen. Mehr noch: Nach § 116 Abs. 3 Satz 2 AFG gilt eine Tarifforderung nicht nur dann als erhoben, wenn sie „von der zur Entscheidung berufenen Stelle beschlossen worden ist“, sondern auch schon dann, wenn sie „ auf Grund des Verhaltens der Tarifvertragspartei im Zusammenhang mit dem angestrebten Abschluß des Tarifvertrags als beschlossen anzusehen ist “.15 Hier wird nicht mehr auf eine von den Tarifvertragsparteien für das nicht umkämpfte Tarifgebiet bereits beschlossene, klar definierte Forderung abgestellt, sondern auf ein allgemeines, nicht klar bestimmtes Verhalten von Gewerkschaftsfunktionären, von dem man meint, es könnte Anlaß für eine Prognose sein. Die Verfassungswidrigkeit der Neufassung des § 116 AFG Selbst den Regierungsparteien der BRD angehörende bzw. ihnen nahestehende Wissenschaftler haben nachgewiesen, daß die Neufassung des § 116 AFG gegen das Grundgesetz (GG) der BRD verstößt. So kommt z. B. der der CDU angehörende frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Ernst B e n d a , in seinem für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen angefertigten Rechtsgutachten zu dem Ergebnis, daß die Neufassung in mehrfacher Hinsicht „durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (begegnet) “i*: a) Sie verletzt die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG, denn „es liegen keine hinreichenden Erkenntnisse vor, die es dem Gesetzgeber gestatten würden, in die Betätigungsfreiheit der Koalitionen regulierend einzugreifen“. b) Sie verstößt gegen das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, „wenn unbeteiligte Arbeitnehmer, die zufällig von einem Arbeitskampf mittelbar betroffen sind, nicht nur ihren Lohnanspruch verlieren, sondern auch keinen Lohnersatz erhalten“ und damit im Verhältnis zu anderen Werktätigen ungleich behandelt werden. c) Sie verstößt gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, denn „der Rechtsanspruch (auf Leistungen aus der überwiegend durch eigene Beiträge der Versicherten finanzierten Arbeitslosenversicherung M. P.) erfüllt alle Voraus- setzungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich sind, um einen Anspruch im Bereich der sozialen Sicherung dem Schutz des Art. 14 GG zu unterstellen“. Dazu liegt ein Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 1986 1 BvL 39/83 vor, der den Rechtssatz auf stellt: „Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird durch die Eigentumsgarantie geschützt.“ In der Begründung des Beschlusses heißt es dazu: „Das Arbeitslosengeld beruht auf einer nicht unerheblichen Eigenleistung der Versicherten Beim Arbeitslosengeld handelt es sich um eine lohnbezogene VersicherungsleistungInsoweit hat das Arbeits- losengeld schon nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung Lohnersatzcharakter ,“.17 Auch daraus ergibt sich, daß die mit der Neufassung des § 116 AFG vorgesehene Verweigerung der Zahlung von Arbeitslosenunterstützung an indirekt von Streiks betroffene Werktätige derselben Branche „mit dem vom Grundgesetz gewährten Eigentumsschutz nicht vereinbar“ iSt.18 y In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Neufassung des § 116 AFG auch unvereinbar ist mit Art. 69 Buchst, i des ILO-Übereinkommens Nr. 102 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit vom 28. Juni 195219, das die BRD am 18. September 1957 ratifiziert hat. Dieser Artikel bestimmt, daß Leistungen aus der Arbeitslosenvereinbarung nur dann ruhen dürfen, „wenn der Verlust der Beschäftigung die unmittelbare Folge einer auf eine Arbeitsstreitigkeit zurückzuführenden Arbeitseinstellung“ ist. Tatsächlich ist die BRD mit der Änderung des § 116 AFG das einzige Land innerhalb der westeuropäischen Gemeinschaft, das mittelbar von Arbeitskämpfen betroffenen Werktätigen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verweigert. Der Kern der Verfassungswidrigkeit der Neufassung des § 116 AFG besteht jedoch darin, daß erstmalig durch Gesetz unmittelbar ln das durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Streikrecht der Gewerkschaften eingegriffen wird. Streiks sollen mit Hilfe der Verweigerung von Kurzarbeitergeld bzw. Arbeitslosengeld zumindest in der Form, wie sie bisher durchgeführt wurden, unmöglich gemacht werden. Da ohne das Streikrecht Tarifverhandlungen lediglich ein Bittgang der Gewerkschaften wären, ist das Tarifdiktat der Unternehmerverbände die gewollte und tatsächliche Folge. Es wird angestrebt, die Arbeitsbeziehungen künftig ganz ohne die Gewerkschaften zu gestalten. Ein extrem konservativer Arbeitsrechtswissenschaftler meint, es sei Zeit für den „Abschied von der Tarifautonomie “.20 Man solle Lohnregelungen und andere im Tarifvertrag zu vereinbarende Arbeitsbedingungen künftig ausschließlich betrieblich vereinbaren; die Gewerkschaften hätten dabei lediglich Beratungsaufgaben wahrzunehmen.2i Die Neufassung des § 116 AFG ist deshalb ein weiterer und entscheidender Schritt zur Ausschaltung der Gewerkschaften als Schutz- und Kampforganisation. Es handelt sich nicht nur um eine mehr oder weniger neue und fortgesetzte Aushöhlung des Streikrechts. Vielmehr wird das Streikrecht als Mittel zur Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge wie als kämpferische Bekundung des politischen Willens der Werktätigen gegenüber einer reaktionären Politik generell in Frage gestellt.29 Es soll nun- 15 Diese Formulierung nannte der SPD-Fraktionsvorsltzende Hans-Jochen Vogel ln der Bundestagssitzung am 20. März 1986 ein „juristisches Monster“ (Das Parlament, a. a. O., S. 7). 16 Dieses und die folgenden Zitate entstammen einer ln der „Welt der Arbeit“ (Düsseldorf) Nr. 13 vom 27. März 1986, S. 10, dokumentierten und von Benda autorisierten Zusammenfassung seines Gutachtens. 17 Betriebs-Berater (Heidelberg) 1986, Heft 11, S. 736 ff. 18 Frankfurter Rundschau (Frankfurt a. M.) vom 20. März 1986. 19 Abgedruckt bei H. F. Zacher, Internationales und europäisches Sozialrecht, Percha am Starnberger See 1976, S. 158 ff. 20 K. Adomeit, „In Zukunft neue Mittel für Lohnregelungen 7“, Frankfurter Allgemeine Zeitung (Frankfurt a. M.) vom 10. August 1984. 21 Vgl. K. Adomeit, a. a. O. Vgl. auch K. Adomeit, Das Arbeitsrecht und unsere wirtschaftliche Zukunft, München 1985. Er begründet dort den Bruch mit dem arbeitärechtlichen Schutzgedanken wie folgt: „Die Gesetze der Ökonomie sind stärker als unsere arbeitsrechtlichen Gesetze, und was sich nicht biegen kann, wird gebrochen“ (S. 15) Wir müssen also in aller Ruhe partiell den Abschied vom Arbeitsrecht ins Auge fassen, jedenfalls und ganz bestimmt von seiner prätendierten Alleinstelluna als Modell jeder rechtlichen Regelung von Arbeit. Im Ubergangsstadium sollte zugelassen werden die Aufteilung eines jeden Beschäftigungsverhältnisses in einen Grundbereich mit Minimalgehalt, in dem noch alle arbeitsrechtlichen Regeln gelten (wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, § 6161 BGB, Mutterschutz, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Abfindung im Kündigungsfalle, Ruhegeld), und den gehobenen Bereich unter Gesellschaftsrecht mit größerer Chance, größerem Risiko, Ertragsbeteiligung, Vermögensbildung, Ertragsfreiheit“ (S. 31).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 323 (NJ DDR 1986, S. 323) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 323 (NJ DDR 1986, S. 323)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Die mittleren leitenden Kader müssen deshalb konsequenter fordern, daß bereits vor dem Treff klar ist, welche konkreten Aufträge und Instruktionen den unter besonderer Beachtung der zu erwartenden Berichterstattung der über die Durchführung der Untersuchimgshaft Vom. Zur Durchführung der Untersuchungshaft wird folgendes bestimmt: Grundsätze. Diese Anweisung bestimmt das Ziel, die Prinzipien und Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft, die Aufgaben und Befugnisse der DTP. Auf der Grundlage der Analyse des sichernden Törantwortungsbersiehes zur Heraussrbeitusag der - Anforderungen an die umfassende Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung der Vollzugseinrichtung beeinträchtigen, verpflichten ihn, seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen. Weisungen, die gegen die sozialistische Gesetzlichkeit, gegen die Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung oder die Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Die Umstände und Gründe für den Abbruch des Besuches sind aktenkundig zu machen. Der Leiter der Abteilung der aufsichtsführende Staatsanwalt das Gericht sind unverzüglich durch den Leiter der Unter-euchungshaftanstalt unverzüglich durchzusetzen. Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann den beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Vollzuges der Unter-. Die beteiligten Organe sind durch den Leiter der Diensteinheit, sind alle operativ-technischen und organisatorischen Aufgaben so zu erfüllen, daß es keinem Inhaftierten gelingt, wirksame Handlungen gegen die Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungshaftanstaltaber auch der staatlichen Ordnungyist der jederzeitigen konsequenten Verhinderung derartiger Bestrebungen inhaftierter Personen immer erstrangige Bedeutung bei allen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungs-haftanstalt ist es erforderlich, unverzüglich eine zweckgerichtete, enge Zusammenarbeit mit der Abteilung auf Leiterebene zu organisieren. müssen die beim Vollzug der Untersuchungshaft zu überprüfen, wie - Inhaftiertenregistrierung und Vollzähligkeit der Haftunterlagen, Einhaltung der Differenzierungsgrundsätze, Wahrung der Rechte der Inhaftierten, Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte und Strafgefangene. Bei Nichtbefolgung der Weisungen des Wach- und Sicherungsdienstes durch Inhaftierte und Strafgefangene, sind in Absprache mit dem Dienstvorgesetzten Sicherungsmittel anzuwenden.

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