Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 28

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 28 (NJ DDR 1986, S. 28); 28 Neue Justiz 1/86 Betrieben, z. B. die organisatorische und ideologische Vorbereitung der Tarifverhandlungen, unabdingbar. Derartige ' Aktivitäten erhalten besonderen Wert, wenn die Tarifverhandlungen von einer allseitigen Streikbereitschaft begleitet sind oder wenn im Falle der Erfolglosigkeit der Verhandlungen die Unternehmer durch Streiks zum Nachgeben gezwungen werden sollen. Die' Tarifautonomie wird demnach von zwei Seiten erdrückt: erstens durch die generelle Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte infolge deren Reduzierung auf einen Kernbereich und zweitens durch die spezielle Einschränkung des Streikrechts mit Hilfe der Rechtsprechung und des von ihr erarbeiteten umfassenden Verbotskatalogs.34 35 Gerade bei der Gestaltung der Tarifvertragsinhalte zeigt sich: Je eingeengter und risikoreicher die Kampfmöglichkeiten der Gewerkschaften sind, desto schwächer ist ihre Position am Verhandlungstisch. Bedeutsam ist weiterhin die o. g. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. November 1982 zur Tariffähigkeit des „Verbandes Oberer Angestellter der Eisen- und Stahlindustrie (VOE) “, von dessen 7 600 Mitgliedern etwa 3 000 leitende Angestellte sind. Sie ist es nicht nur unter dem Aspekt, daß die gewerkschaftliche Kampfkoalition aufgesplittert wird. Die Entscheidung hat darüber hinaus eine Organisia-tion als Tarifvertragspartei (also als potentiell Druck ausübende Gewerkschaftsorganisation) anerkannt, die eindeutig auf Unternehmerinteressen festgelegt ist. Das Bundesarbeitsgericht entzieht sich diesem Widerspruch mit der Feststellung, daß die Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem sozialen Gegenspieler nicht der Chance eines vollständigen Sieges bedürfe, sondern schon dann gegeben sei, wenn sie vom Gegner ernstgenommen wird.33 Schlichtverfahren und sog. Friedenspflicht In den meisten Bereichen gibt es für den Fall, daß die Tarifverhandlungen scheitern, eine tarifvertraglich vereinbarte freiwillige Schlichtung. Das Schlichtungsverfahren, das von jeder Seite in Gang gesetzt werden kann, wird von einer paritätischen Kommission aus Unternehmer- und Gewerkschaftsvertretern mit einem „neutralen“ Vorsitzenden geführt. Einigt sich die Kommission, so hat dies die gleiche rechtliche Wirkung wie ein Tarifvertrag. Andernfalls ist das Schlichtungsverfahren beendet. Der Nachteil für die Gewerkschaften liegt vor allem darin, daß die sog. Friedenspflicht während der Schlichtung entweder den Aufruf zum Streik hinauszögert oder einen laufenden Streik unterbricht. Die Erfahrungen zeigen, daß es nach einer solchen Abkühlungsphase ungleich schwerer ist, die Kampfbereitschaft der Werktätigen neu zu mobilisieren, zumal der Schlichtungsversuch den Eindruck erweckt, als sei eine objektive, gerechte Lösung des Konflikts angestrebt worden und möglich gewesen. Viele Gewerkschaftsvertreter sind deshalb der Meinung, daß das am 1. Januar 1980 abgeschlossene Schlichtungsabkommen im Bereich der IG Metall von anderen Gewerkschaften auf gegriffen werden sollte: Danach ist einerseits der Einlassungszwang weggefallen; andererseits verlängert ein Schlichtungsverfahren nicht mehr automatisch die Friedenspflicht. Die sog. Friedenspflicht ist aber nicht nur im Schlichtungsverfahren relevant; vielmehr wurde sie generell zum zentralen Aspekt des Tarifvertrags erklärt. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts die von der bürgerlichen Arbfeits-rechtswissenschaft überwiegend anerkannt wird ist mit jedem Tarifvertrag automatisch die unabdingbare Pflicht verbunden, während der Laufzeit des Tarifvertrags keine Arbeitskampfmaßnahmen zur Veränderung seines Inhalts durchzuführen.36 Der angeblich zwingende Charakter der sog. Friedenspflicht wird aus dem Wesen des Tarifvertrags, aus seiner Ordnungsfunktion und aus gewohnheitsrechtlicher Geltung abgeleitet. Wird die sog. Friedenspflicht verletzt, so können die Unternehmer Schadenersatzansprüche geltend machen, die ggf. in die Millionenbeträge gehen. Das in der sog. Friedenspflicht enthaltene Kampfverbot trifft die Gewerkschaften schwer, weil oftmals die Lohn-und Gehaltstarifverträge noch während ihrer Laufzeit entwertet werden, zumeist durch unvorhergesehene hohe Unternehmergewinne und/oder Preissteigerungen. Um wenigstens in gewisser Weise dagegen Vorkehrungen treffen zu können, versuchen die Gewerkschaften, möglichst Klauseln über eine vorzeitige Kündigung der Tarifverträge oder kurze Laufzeiten dieser Verträge zu vereinbaren. Das gelingt nicht immer. Demgegenüber können die Unternehmer die Arbeitsbedingungen während der Laufzeit des Vertrags ändern. Nach herrschender Rechtsauffassung in der BRD sind z. B. Massenkündigungen von Arbeitsverträgen seitens der Un- ternehmer mit dem Ziel, die Löhne und Gehälter auf das tarifliche Mindestmaß herabzusetzen, kein Verstoß gegen die sog. Friedenspflicht, sondern eine statthafte individualrechtliche Maßnahme. Wollen die Werktätigen vergleichsweise wegen günstiger Ertragslage des Unternehmens und besonders hoher Unternehmergewinne eine effektive Lohnerhöhung mittels Streiks durchsetzen, so wird dies als Verstoß gegen die sog. Friedenspflicht geahndet. Die sog. Friedenspflicht ist ihrem Wesen nach ein Eingriff in die Grundrechtssubstanz: Es kann deshalb auch nicht um ihre Neubestimmung gehen37, sondern nur um ihre ersatzlose Abschaffung. Nichteinhaltung von Tarifvertragsnormen durch Unternehmer In jüngster Zeit gehen Unternehmer in verstärktem Maße dazu über, geltende Tarifverträge nicht einzuhalten: Sie versuchen, Vertragsbestimmungen mit Hilfe neuer Produktionsmethoden oder veränderter Arbeitsplatzstrukturen zu umgehen, oder sie fordern ganz offen von der Belegschaft, auf tarifliche Leistungen teilweise zu verzichten. So hat z. B. das „Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung“ vom Gesetzgeber gefordert, den Belegschaften zu erlauben, von Tarifverträgen abweichende Löhne zu vereinbaren, wenn damit die Arbeitsplätze erhalten werden 33 39 Nicht selten wird dieses Vorgehen auch mit der Drohung verbunden, anderenfalls den Betrieb zu schließen. Spektakulärstes Beispiel dafür ist die ARBED Saarstahl AG: Ende 1982 machte die Bundesregierung die Gewährung weiterer finanzieller Mittel an diesen Betrieb davon abhängig, daß die Beschäftigten auf die Hälfte ihres tarifvertraglich vereinbarten Weihnachtsgeldes verzichteten, und erzwang damit die fristlose Kündigung des entsprechenden Tarifvertrags über Sonderzahlungen in der saarländischen Stahlindustrie. Im September 1983 kündigte die ARBED-Geschäftslei-tung auf Druck der Bundesregierung eine 1978 mit der IG Metall abgeschlossene Vereinbarung über Frühpensionierung, mit der Massenentlassungen eingedämmt werden sollten. Schließlich stellte die Bundesregierung die Bedingung, daß ARBED aus dem „Arbeitgeberverband“ austritt, um damit für 1984 den Abschluß eines Tarifvertrags auf Unternehmensebene zu ermöglichen, der keine Lohnerhöhungen vorsah 39 Ganz zweifellos wird auf diese Weise die Tarif autonomie dadurch unterlaufen, daß nun sogar der Staat offen die Gestaltung der Arbeitsbedingungen für die betroffenen Belegschaften diktiert. Aufnahme von Effektivklauseln in Tarifverträge Oftmals machen die Unternehmer davon Gebrauch, bei günstigen wirtschaftlichen Bedingungen bestimmten Gruppen von Werktätigen übertarifliche Leistungen zu gewähren. Die tatsächlich gezahlten Löhne (Effektivlöhne) sind dann höher als die Tariflöhne. Abgesehen davon, daß diese übertariflichen Zuwendungen den Werktätigen jederzeit wieder entzogen werden können, sind die Gewerkschaften vor allem dadurch betroffen, daß die übertariflich Begünstigten wenig Neigung verspüren, für einen neuen Tarifvertrag notfalls zu streiken, wenn die angestrebte Lohnerhöhung ihnen bereits gewährt wird. Die Streikbereitschaft nimmt ab und damit auch der Druck auf den Untemehmerverband. Die Gewerkschaften versuchen dem entgegenzutreten, indem sie um die Aufnahme von Effektivklauseln in die Tarifverträge kämpfen. In diesen Klauseln wird festgelegt, daß die neuen Tariflohnerhöhungen in die Effektivlöhne einfließen (Aufstockung des übertariflichen Lohnanteils auf das neue Tarifniveau). Das Bundesarbeitsgericht hat Effektivklauseln für unzulässig erklärt40 und damit die Unternehmer-Praxis unterstützt. Allerdings vermochten starke Gewerkschaften in Einzelfällen die Aufnahme von Effektivklauseln zu erzwingen. 34 Dazu ausführlich: M. Premßler, „Aussperrung in der BRD - ein Eckpfeiler im System der Unterdrückung der Arbeiterklasse“, NJ 1978, Heft 6, S. 256 ff.; A. Ondrusch/M. Premßler, „Die Aussperrung im Spiegel der BRD-Rechtsprechung“, NJ 1980, Heft 11, S. 499 ff.; M. Premßler, „Das Streikrecht in der BRD“, NJ 1985, Heft 3, S. 103 ff. und Heft 4, S. 142 ff.; Autorenkollektiv (Leitung: K.-H. Röder), Das politische System der BRD Geschichte und Gegenwart, Berlin 1985, S. 328 ff. 35 Vgl. Der Betrieb 1983, S. 1151. 36 Vgl. AP Nr. 13 zu Art. 9 GG; ferner W. Däubler/H. Hege, Tarifvertragsrecht, Baden-Baden 1981, S. 112 ff. 37 So aber die Forderung von W. Däubler, Das Arbeitsrecht 1, a. a. O., S. 90. 38 Vgl. P. Hanau, „Zum KernbereiCh des Koalitionswesens“, Arbeit und Recht 1983, Heft 9, S. 264. 39 Vgl. L. ZeChlin, a. a. O., S. 585 f. 40 Vgl. AP Nr. 7 und 8 zu § 4 TVG (Effektivklausel).;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Tätigkeit des Untersuchungsführers in der Vernehmung, insbesondere bei der Protokollierung. Es ist Anliegen der Ausführungen, die ErfOrdermisse der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlih-keit und Gesetzlichkeit die Möglichkeit bietet, durch eine offensive Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen den Beschuldigten zu wahren Aussagen zu veranlassen.

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