Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1986, Seite 26

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 26 (NJ DDR 1986, S. 26); 26 Neue Justiz 1/86 über Verfahrensfragen beim Abschluß der Tarifverträge. Die Tarifautonomie wird allgemein aus dem in Art. 9 Abs. 3 GG geregelten Recht abgeleitet, „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden“, und als ein der Koalitionsfreiheit immanentes Mittel betrachtet, ohne das diese ein bloßes Abstraktum bleibe. Das Bundesverfassungsgericht der BRD hat in mehreren Entscheidungen diesen Zusammenhang zwischen Koalitionsfreiheit, Koalitionsziel und koalitionsgemäßer Betätigung bestätigen und daraus abgeleitet die Pflicht des Staates betonen müssen, ein Tarifvertragssystem im Sinne des modernen Arbeitsrechts bereitzustellen.4 Die tarifliche Normsetzungsbefugnis ist aber mit Vorbedacht nicht präzise gesetzlich definiert. Es fehlen auch nähere Grundsätze für die Ausgestaltung der Tarifautonomie. Ihr Umfang und ihre Grenzen werden vielmehr von der Rechtsprechung bestimmt, die dabei von der herrschenden Ideologie der BRD weitgehend unterstützt wird. Deren Credo lautet: Der Tarifvertrag ist nicht „Waffenstillstandsvertrag bei fortbestehendem Kriegszustand“, sondern „Instrument sozialen Friedens“. Versuche bürgerlicher Ideologen zur Einschränkung der Tarif autonomie Im Gefolge des Wirtschafts- und sozialpolitischen Kurses der gegenwärtigen Bundesregierung und der damit verbundenen weiteren Polarisation der Klassengegensätze sind schon länger existierende gewerkschaftsfeindliche und der gesellschaftlichen Realität völlig widersprechende ideologische Konzepte reaktiviert worden. Es sind vor allem solche, die entweder vor einer „Übermacht der Gewerkschaften“, vor einem sich herausbildenden „Gewerkschaftsstaat“ warnen, oder solche, die das soziale Verantwortungsbewußtsein der Gewerkschaften beschwören und nachdrücklich an die „Gemeinwohlbindungspflicht der Gewerkschaften“ appellieren. Diese Konzepte werden eingesetzt, um vornehmlich das Koalitionsrecht der Gewerkschaften und ihre Tarifautonomie weiter einzuschränken.5 6 Die Behauptung vom verlorengegangenen Gleichgewicht der Tarifvertragsparteien Der Präsident der Bundesvereinigung der (West-) Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), O. Esser, erklärte unlängst, daß „aus der Sicht der BDA die Entwicklung der Tarif autonomie Kritik vor allem anderen deshalb (verdient), weil das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden mehr und mehr verlorengegangen ist“.® Und im Geschäftsbericht für 1984 stellte der BDA die Tarifautonomie, wie sie gegenwärtig abläuft, generell in Frage, wenn er eine Diskussion über die zukünftige Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie fordert.7 8 9 Für diese ideologische Vorbereitung zur Einschränkung der Tarifautonomie müssen zwei gesellschaftliche Ereignisse herhalten: Das ist erstens der schwere Arbeitskampf der IG Metall und der IG Druck und Papier im Frühsommer 1984, mit dem erfolgreich die Absicht der Untemehmerverbände und der Bundesregierung, den Gewerkschaften eine politische Niederlage beizubringen und sie als Gegenmacht auszuschalten, durchkreuzt wurde. Und das ist zweitens die angeblich unternehmerfeindliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die zu der Feststellung zwinge, daß die „Parität“ im Arbeitskampf nicht mehr gewährleistet sei®, weshalb das einschlägige Recht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überprüft werden müsse.® Die Kritik richtet sich gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. September 198410 11 zur Zulässigkeit des Warnstreiks während der Tarifverhandlungen, gegen das Urteil vom 10. Juni 1980 zur Aussperrung, das eine sog. Quotenregelung brachte, wonach die Anzahl der Arbeiter und Angestellten, die von den Unternehmern ausgesperrt werden können, begrenzt wird11, sowie gegen Entscheidungen verschiedener Sozialgerichte, mit denen die Zahlung von Arbeitslosengeld an vom Streik indirekt betroffene Werktätige (sog. kalte Aussperrung) durchgesetzt wurde.12 13 Die Unzufriedenheit mit dieser Rechtsprechung gipfelt in der von Repräsentanten des Monopolkapitals erhobenen Forderung, daß Rechtsprechung und Gesetzgeber das angeblich verlorengegangene Gleichgewicht der Tarifvertragsparteien im Arbeitskampf wiederherstellen müßten.12 Namhafte Vertreter der bürgerlichen Arbeitsrechtswissenschaft leisten dabei Schützenhilfe. Beispielsweise meint B. Rüthers14, der „überzogene arbeitsrechtliche Sozialschutz“ sei in Zeiten von Konjunkturschwäche und Massenarbeitslosigkeit nicht mehr aufrechtzuerhalten. Er plädiert für eine „funktionsgerechte Dimensio- nierung und Zuordnung der Lasten des Sozialschutzes“ was nichts anderes als die theoretisch verbrämte Forderung nach rigorosem Abbau der Sozialleistungen ist. Dabei ist besonders interessant, daß Rüthers, bisher ein Verfechter des sog. Richterrechts, nunmehr verfassungsrechtliche Bedenken anmeldet, da die Gerichte „keine geeigneten Instanzen zur Ersatzvornahme rechtspolitischer Reformstrategien“ seien.15 16 Wie ernst es aber um Rüthers* „verfassungsrechtlichen Bedenken“ bestellt ist, verdeutlicht sein abschließender Appell an die Gerichte, ihre eingewurzelten Regelungsgewohnheiten den gründlich veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Rüthers ist also nur gegen „kostensteigerndes“ (sprich: profitschmälerndes) Richterrecht! Die Behauptung vom „gemeinwohlschädigenden Verhalten“ der Gewerkschaften Neben der Behauptung vom verlorengegangenen Gleichgewicht der Tarifvertragsparteien wird den Gewerkschaften vor allem auch „gemeinwohlschädigendes und stabilitätsgefährdendes Verhalten“ vorgeworfen.1® Die These vom „Gemeinwohl“, das als „ein sich in gesunden Grenzen haltendes, möglichst störungsfreies Wohlergehen“ oder als „ein den Belangen der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände übergeordneter Maßstab“ interpretiert wird17, bezweckt natürlich viel mehr: nämlich die Verpflichtung der Gewerkschaften, die Funktionsfähigkeit der Profitwirtschaft störungsfrei zu halten, sich als Ordnungsfaktor gegenüber der gesamten Arbeiterklasse zu verstehen und diese Haltung auch und vor allem in den Tarifvertragsverhandlungen einzunehmen. Diese Verbindungslinie vom Gemeinwohlverhalten zur Tarifautonomie zieht besonders BDA-Präsident O. Esser, wenn er ausdrücklich formuliert, daß der Tarif autonomie ein „konstruktiver Rang für eine marktwirtschaftliche Ordnung“ zuerkannt werden müsse.18 Daraus werden konkrete staatlich-rechtliche Maßnahmen abgeleitet, die entweder schon umgesetzt sind oder deren Umsetzung angedroht wird:19 Erstens soll der Weg für staatliche Eingriffe in die Tarifautonomie ideologisch geebnet werden. Solche Eingriffe räu- 4 Vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), Bd. 4, S. 106 und Bd. 17, S. 333. 5 So heißt es im Grundsatzprogramm der CDU (Bonn 1978, S. 48): „Alle von der Verfassung garantierte Autonomie gesellschaftlicher Organisationen und Gruppen ist den Anforderungen der Gemeinwohlverträglichkeit unterworfen. Mit der Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips wird das Prinzip der Sozialpflichtigkeit auf alle Formen gesellschaftlicher Machtpositionen erstredet.“ Ähnlich formuliert das Grundsatzprogramm der CSU (Augsburg 1980, S. 51). 6 O. Esser, „Der Verlust der Parität gefährdet die Tarifautonomie“, Der Arbeitgeber (Köln) 1985, Heft 2, S. 40. Noch aggressiver formuliert B. Molitor („Gefahr für den Rechtsstaat“, Der Arbeitgeber 1985, Heft 1, S. 31): „Wir haben nicht die Widerstände feudalistischer Teilgewalten gegen den Zentralstaat früherer Zeiten- überwunden, auf daß sie in neuer Form, etwa als Erpressung des modernen Sozialstaates, heute Wiedererstehen. Ein gewerkschaftlicher Feudalismus ist in nichts besser als der alte.“ 7 Aus dem Geschäftsbericht der BDA für 1984, in: Der Arbeitgeber 1985, Heft 1, S. 13. 8 Vgl. O. Esser, a. a. O. 9 Vgl. B. Molitor, a. a. O. 10 Vgl. dazu M. Premßler, „Das Streikrecht in der BRD“, NJ 1985, Heft 4, S. 144. 11 Vgl. dazu A. OndrusCh/M. Premßler, „Die Aussperrung im Spiegel der BRD-Rechtsprechung“, NJ 1980, Heft 11, S. 502. 12 Vgl. dazu M. Premßler, „Das Streikrecht in der BRD“, a. a. O., S. 142. 13 Vgl. W. Thiele, Tarifpolitik im Zeichen der Wende, Vortragsreihe des Instituts der Deutschen Wirtschaft (Köln), Nr. 4/1984, S. 4. 14 B. Rüthers, „Der Schutz wird zur Strafe“, Frankfurter Allgemeine Zeitung (Frankfurt am Main) vom 20. April 1985, S. 15. 15 Die marxistisch-leninistische Staats- und ReChtstheorie hat von jeher die wissenschaftlich-theoretische und sozialpolitische Haltlosigkeit der Konzeption des Richterrechts deutlich gemacht und deren reaktionären Charakter betont. Vgl. W. A. Tumanow, „Die Konzeption vom .Richterrecht' und die bürgerliche Gesetzlichkeit“, NJ 1980, Heft 1, S. 28 ff.; J. Dötsch, „Gerichtliche .Rechtsfortbildung' und bürgerliche Gewaltenteilungslehre in der BRD“, NJ 1983, Heft 9, S. 365 ff. 16 Wie unberechtigt auch dieser Vorwurf ist, macht allein die Profit-und Lohnentwicklung der letzten Jahre deutlich: Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen Reallöhne brutto netto 1981 0,8 + 0,4 1,8 1982 + 6,8 + 7,2 2,7 1983 + 11,2 + 13,0 0,9 1984 + 9,5 + 10,5 0,7 Vgl. Nachrichten zur Wirtschafts- und Sozialpolitik (Frankfurt am Main) 1984, Heft 6, Beilage, S. 7; IPW-BeriChte 1985, Heft 3, S. 20. 17 H. Reichel, Tarifvertragsgesetz, Frankfurt am Main 1984, S. 95. 18 O. Esser, a. a. O. 19 Vgl. dazu L. ECkardt, Bürgerliche Auffassungen zur Tarifautonomie in der BRD und die Angriffe auf diese kollektive Regelungsbefugnis durch die Monopolbourgeoisie, jur. Diplomarbeit, Leipzig 1985, S. 23 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 26 (NJ DDR 1986, S. 26) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Seite 26 (NJ DDR 1986, S. 26)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 40. Jahrgang 1986, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986. Die Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1986 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1986 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 40. Jahrgang 1986 (NJ DDR 1986, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1986, S. 1-516).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels. Die vom Feind angewandten Mittel und Methoden. Die Zielgruppen des Feindes. Das Ziel der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels. Die vom Feind angewandten Mittel und Methoden. Die Zielgruppen des Feindes. Das Ziel der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und die Vermeidung weiterer Schäden. Qualifizierter Einsatz der Suche und Auswahl perspektivreicher Hl, Vervollkommnung ihrer Anleitung und In-struierung mit dem Ziel der politisch-operativen Bearbeitung von Bürgern der die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen, Vertrauliche Verschlußsache - Die aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit resultierendan höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Unter-suchungshaf tvollzuges und deren Verwirklichung. In den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Autoren: Rataizick Heinz, Stein ,u. Conrad - Vertrauliche Verschlußsache Diplomarbeit. Die Aufgaben der Linie bei der Besuchsdurchführung. Von Verhafteten und Strafgefangenen bilden die Befehle und- Weisungen des Genossen- er ins besondere Dienstanweisungen und sowie folgende Weisungen und die Befehle und Weisungen des Genossen Minister und des Leiters der Abteilung durch kluges operatives Auftreten und Verhalten sowie durch eine aktive, zielgerichtete Kontrolle und Observant tion seitens der Angehörigen der Linie - Wesen und Bedeutung der Vernehmung Beschuldigter im Ermittlungsverfähren mit Haft durch die Untersuchungs organe Staatssicherheit sowie sich daraus ergebender wesentlicher Anforderungen an den Untersuchungsführer Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit. Die Vorbereitung der Seschuldigten-ve rnehmung Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Aspekte und Aufgaben bei der Führung der Beschuldigtenvernehmung.

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