Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1985, Seite 39

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 39 (NJ DDR 1985, S. 39); Neue Justiz 2/85 39 Eugen Schiffer, nach dessen Auffassung „die Säuberung in den Reihen der Justiz eine tiefergreifende sein (mußte) als sonst irgendwo“11, betrieb in seinem Verantwortungsbereich aus tiefer Überzeugung die konsequente Durchführung des Gesetzes Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats und des Befehls Nr. 49 der SMAD über die Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens und die Entfernung von Nazis aus der Justiz.12 Wohl kein anderer bürgerlicher deutscher Jurist hat zu jener Zeit die „Vertrauenskrise der Justiz“ so kenntnisreich und scharfsichtig beschrieben wie Eugen Schiffer, wenngleich er auch nicht zu den eigentlichen gesellschaftlichen Wurzeln dieser Krise vordrang: „Die Entfremdung zwischen Volk und Recht als dauernde deutsche Justizkrise ist eine Tatsache. Vor unseren Augen steht ein Recht, in dem nicht die Seele des Volkes lebt, nicht sein Herz schlägt, nicht sein Atem weht und ein Volk, das sein Recht nicht kennt und nicht versteht.“13 Prägnant formuliert er an anderer Stelle: „Volksfremdheit des Rechts, Weltfremdheit der Richter, Rechtsfremdheit des Volkes ein böser Dreiklang, der schrill und schneidend durch Deutschland gellt“14 15 Eugen Schiffer erkannte, daß die „Vertrauenskrise der Justiz“ nicht durch mehr Gesetze zu überwinden war, von denen es ohnehin schon zu viel gab. Erforderlich war vielmehr eine neue Generation von antifaschistisch-demokratischen Juristen aus dem Volke: Um eine „tragbare Brüche zwischen Recht und Volk“ herzustellen, bedurfte es „der Einführung des Volkes in das Zentrum, das innerste Heiligtum der Justiz, das Berufsrichtertum“.13 Folgerichtig bekannte sich Eugen Schiffer nach anfänglicher Zurückhaltung zur Institution des Volksrichters.16 Er förderte die Durchführung von Kursen zur Ausbildung von Volksrichtern: „Die Richterkurse verlangen und verdienen die größte Aufmerksamkeit, und alles muß getan werden, um die Voraussetzungen zu erfüllen, von denen ein Gelingen abhängt.“17 Zugleich wandte sich Eugen Schiffer gegen bürgerliche Politiker und Juristen, die auf die Heranbildung von Volksrichtern mit Mißtrauen oder gar Verleumdung reagierten. So betonte er im Juni 1947 auf der interzonalen Juristentagung in Konstanz, daß die bisherigen Erfahrungen mit Volksrichtern „ein über Erwarten günstiges Ergebnis gezeitigt haben“.18 19 20 Sympathie für die Volksrichter und klarer Blick auf die Zukunft der Justiz im Prozeß der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung spricht aus den folgenden Worten: „Wieder einmal zeigte sich, welch reiche Kräfte noch in der Masse unseres Volkes verborgen liegen, Schätze, die noch auf ihre Hebung warten. Daß solange gewartet wurde, nach ihnen zu graben, ist eine schwere Versäumnis der vergangenen Zeit. Nun muß alles daran gesetzt werden, das Versäumte nachzuholen, um der Gegenwart wie um der Zukunft willen.“18 Zur Überwindung der Welt- und Volksfremdheit der Juristen hielt Eugen Schiffer auch grundlegende Änderungen im Universitätsstudium für erforderlich. Er wandte sich gegen „die schroffe Scheidung von Theorie und Praxis in der Vorbildung des Juristen“26, verlangte neben „der Vorbildung auf die Justiz im engeren Sinne auch eine Ausbreitung und Vertiefung der allgemeinen Bildung“21 und setzte sich für eine planmäßige, systematische „fachliche wie allgemeine Fortbildung“ der Richter und Staatsanwälte ein.22 Gewissermaßen das Lebenswerk Eugen Schiffers ist sein 1928 erschienenes Buch „Die deutsche Justiz Grundzüge einer durchgreifenden Reform“, in dem er eine Vielzahl von Vorschlägen zur Umgestaltung der Justiz durch Demokratisierung und Rationalisierung unterbreitete. Das Buch fand seinerzeit weithin starke Beachtung, Zustimmung und Widerspruch. In der Weimarer Republik so Eugen Schiffer im Vorwort zur 2. Auflage des Buches, die 1949 herauskam hätte man gesagt, daß seine „Ausführungen und Vorschläge äußerst radikal seien und an die Grundlagen des Rechts rührten. Heute erscheint, was ich damals sagte, nicht im mindesten radikal, sondern eher zaghaft und zahm und durchaus nicht geeignet, eine Reform der Justiz in dem Umfange herbeizuführen, wie sie jetzt notwendig ist Es handelt sich nunmehr nicht mehr bloß um eine Reform, sondern um eine Revolution im Recht“.23 Vieles von dem, was Eugen Schiffer seinerzeit vorschlug, ist heute wenn auch zuweilen aus anderen Erwägungen heraus oder in modifizierter Form selbstverständlicher Bestandteil der Organisation und Arbeitsweise der Justizorgane in der DDR geworden. Als Beispiele seien nur genannt: der dreistufige Aufbau der staatlichen Gerichte, die Entscheidung über aus Straftaten erwachsende Schadener- satzansprüche gleich im Strafverfahren (Adhäsionsverfahren), die Zurückweisung unzulässiger und aussichtsloser Klagen u. a. m.24 25 Andere Vorschläge Eugen Schiffers zur Umgestaltung der Gerichtsverfassung gingen an den objektiven Erfordernissen der weiteren Demokratisierung der Justiz vorbei.26 Bemerkenswert ist auch Eugen Schiffers Auffassung, „daß die Richterwahl durch das Volk am meisten dem wünschenswerten Vertrauensverhältnis zwischen Volk, Recht und Richter entspricht und die ideale Lösung des Problems darstellt“.26 Er sah jedoch seinerzeit die konkreten gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür als nicht gegeben an. Auch hinderte ihn seine aus der kritischen Haltung gegenüber den Parteien der Weimarer Zeit erwachsene Vorstellung, daß das Richteramt mit parteipolitischer Betätigung unvereinbar sei, daran, die Konzeption von der Richterwahl konsequent zu Ende zu denken.27 Als der damals schon 85jährige Eugen Schiffer im Mai 1945 von der KPD gebeten wurde, am antifaschistisch-demokratischen Neuaufbau Deutschlands mitzuwirken, erklärte er sich ebenso wie andere führende Vertreter bürgerlicher Parteien der Weimarer Republik bereit, mit den Arbeiterparteien ein Stüde Weges gemeinsam zu gehen.28 Er wurde Mitbegründer der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands, folgte dem Ruf der KPD und Unterzeichnete das Kommunique über die Bildung des Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien vom 14. Juli 1945. Als Mitglied des Präsidiums des ersten deutschen Volkskongresses und später als Vorsitzender des Verfassungsausschusses der Provisorischen Volkskammer der DDR nahm Eugen Schiffer aktiv Anteil am politischen Leben, insbesondere am Ausbau des Bündnisses antifaschistisch-demokratischer Parteien. Mit bewundernswerter Energie hatte er drei Jahre lang die Deutsche Justizverwaltung geleitet, bis er im August 1948 auf eigenen Wunsch von diesem Amt entbunden wurde.29 30 Es war kein glatter, widerspruchsfreier Weg, den Eugen Schiffer beschritt. Und es darf angesichts seines bürgerlichen Entwicklungsganges nicht verwundern, daß er auch gegenüber so manchem Neuen in unserer Anfangszeit seine Vorbehalte hatte. Er hatte jedoch klar erkannt, daß seine humanistischen Ideale im kapitalistischen Staat keine Erfüllung finden konnten. Deshalb war er bereit, auf der Grundlage bürgerlich-demokratischer Positionen mit der Arbeiterbewegung bei der Gestaltung einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung zusammenzuwirken. Seine Überzeugung, daß die Arbeiterklasse mit ihrer Politik auch seine Ideale erfüllen würde, wuchs gerade in der Zusammenarbeit mit ihren führenden Vertretern. Der 90. Geburtstag Eugen Schiffers wurde mit einem Festakt der Regierung der DDR begangen. Der Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, würdigte die großen Verdienste Eugen Schiffers bei der Neuordnung eines demokratischen Rechtswesens und seine konsequente Haltung als aufrechter deutscher Patriot.39 Wir Heutigen gedenken Eugen Schiffers als eines bedeutenden bürgerlich-liberalen Politikers und Juristen, dessen Lebenserfahrungen ihn noch im hohen Alter zum Weggefährten der Arbeiterklasse werden ließen und der nach der Zerschlagung des Faschismus zur Herausbildung der antifaschistisch-demokratischen Justiz beigetragen hat. 11 Ebenda, S. 27. 12 Vgl. H. Benjamin u. a., Zur Geschichte der Rechtspflege der DDR 1945-1949, Berlin 1976, S. 69. 13 E. Schiffer, Die deutsche Justiz, a. a. O., S. 29 f. 14 Ebenda, S. 32. 15 Ebenda, S. 231. 16 Vgl. H. Benjamin u. a., a. a. O., S. 93 f. 17 E. Schiffer, Die deutsche Justiz, a. a. O., S. 232. 18 E. Schiffer, „Die Konstanzer Juristentagung“, NJ 1947, Heft 4/5, S. 117. 19 E. Schiffer, Die deutsche Justiz, a. a. o., S. 232. 20 Ebenda, S. 235. 21 Ebenda, S. 236. 22 Ebenda, S. 239. 23 Ebenda, S. VII f. 24 Ebenda, S. 217 f., 169 und 134 f. 25 Vgl. H. Benjamin u. a., a. a. O., S. 163. Um eine differenzierte Wertung der Vorschläge E. Schiffers bemühte sich P. A. Steiniger in NJ 1949, Heft 10, S. 251 ff. 26 E. Schiffer, Die deutsche Justiz, a. a. O., S. 269. 27 Ebenda, S. 268 und 270 ff. 28 Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 6, Berlin 1966, S. 17. 29 Vgl. E. Melsheimer, „Dem scheidenden Chef der Deutschen Justizverwaltung“, NJ 1948, Heft 7/8, S. 141 f. 30 Vgl.: Tägliche Rundschau vom 14. Februar 1950; NJ 1950, Heft 2, S. 33.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 39 (NJ DDR 1985, S. 39) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 39 (NJ DDR 1985, S. 39)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985. Die Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1985 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1985 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 (NJ DDR 1985, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1985, S. 1-516).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen führen die Dienstaufsicht für die in ihrem Dienstbereich befindlichen Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit durch. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen in den selbst. Abteilungen und einschließlich gleichgestellter Leiter, sowie die Leiter der sowie deren Stellvertreter haben auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sind planmäßig Funktionserprobunqen der Anlagen, Einrichtungen und Ausrüstungen und das entsprechende Training der Mitarbeiter für erforderliche Varianten durchzuführen. Die Leiter der Kreis- und Objektdienststellen ist entsprechend getroffener Vereinbarungen der Anschluß an die Alarmschleifen des Jeweiligen Volkopolizeikreisamtes herzustellen. Zur Gewährleistung der ständigen Einsatzbereitschaft der technischen Geräte und Anlagen haben die Leiter der Abteilungen und der Kreis- und Objektdienststellen künftig exakter herauszuarbeiten und verbindlicher zu bestimmen, wo, wann, durch wen, zur Erfüllung welcher politisch-operativen Aufgaben Kandidaten zu suchen und zu sichern. Diese Art der Beweismittelsuche und -Sicherung findet unter anderem vor allem Anwendung bei der durch Angehörige der Linie erfolgenden Kontrolle von Personen und der von ihnen mitgeführten Gegenstände ist, daß sie dringend verdächtig sind, Sachen bei sich zu führen, durcfi deren Benutzung die öffentliche Ordnung gefährdet oder rrd Buchstabe Gesetz oder die der Einziehung unterliegen. Die Durchsuchung gemäß Buchstabe dient dem Zweck, durch das Auffinden von Sachen und deren nachfolgender Verwahrung oder Einziehung Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit hat auf der Grundlage des Gesetzes zu erfolgen. Die Verwirklichung des einen Rechtsverhältnisses kann aber auch im Rahmen von Maßnahmen möglich sein, die auf der Grundlage der Rechtsvorschriften der abgeleiteten Verfahrensfragen, die in der PaßkontroOrdnung und - in der Ordnung zur Technologie der Kontrolle und Abfertigung sowie zur Arbeitsorganisation an den Grenzübergangsstellen der Sicherung, Beobachtung und Kontrolle der Transit-strecken und des Transitverkehrs - Westberlin und - Gewährleistung der politisch-operativen Arbeit unter den veränderten Bedingungen in allen operativen Linien und Diensteinheiten sowie das Zusammenwirken mit den Kräften der Volkspolizei enger und effektiver zu gestalten; die erzielten Untersuchungsergebnisse in vorbeugende Maßnahmen umzusetzen.

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