Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1985, Seite 286

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 286 (NJ DDR 1985, S. 286); 286 Neue Justiz 7/85 stehenden politischen und ökonomischen Machtverhältnisse gegenüber den Werktätigen oder ihren Organisationen zu sichern (z. B. in Straf- oder Verwaltungsgerichtsverfahren, mit denen demokratische Aktionen etwa gegen die Hochrüstungspolitik der Regierung verfolgt werden).11 Offenkundig ist die repressive Stoßrichtung der gerichtlichen Tätigkeit auch in den arbeitsgerichtlichen Verfahren, die von kapitalistischen Unternehmen oder ihren Verbänden zur Unterbindung von Streikkämpfen oder zur Beschränkung der betrieblichen Betätigungsrechte der Gewerkschaften geführt werden. Die herrschenden Kräfte sind daran interessiert, den von ihnen gegenüber den Werktätigen und allen demokratischen Kräften praktizierten Zwang soweit wie möglich in einem durch die Gerichte „legalisierten“ Gewand erscheinen zu lassen, ihn damit objektiv-rechtlich zu fundieren und seines Klassencharakters zu entkleiden. Die mit Hilfe der Gerichte vorgenommene Regulierung von Klassenbeziehungen reduziert sich natürlich nicht auf die Anwendung von Mitteln der Repression. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Gewährung von Rechten der Werktätigen hus dem Arbeitsverhältnis gehören genauso hierher wie die vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten geführten Prozesse über die Durchsetzung sozialrechtlicher Leistungspflichten des Staates bzw. der Unternehmer oder die vor den Zivilgerichten ausgetragenen Streitfälle zwischen Mietern und kapitalistischen Wohnungsbaugenossenschaften. In diesen Fällen sind es meist die Werktätigen, die versuchen, verletzte Rechte oder vorenthaltene Leistungen klageweise durchzusetzen. So treten in 94 Prozent der arbeitsgerichtlichen Verfahren die Werktätigen als Kläger auf, um sich gegen die Willkür der Unternehmer zur Wehr zu setzen.12 Diese Seite der konfliktregulierenden Tätigkeit der Gerichte besitzt für die herrschende Klasse eine beträchtliche politische Relevanz. Indem die Werktätigen darauf orientiert werden, bei der Geltendmachung ihrer politischen, ökonomischen und sozialen Rechte den Weg zu den Gerichten zu beschreiten, wird organisierten Aktionen zur Verwirklichung dieser’ Rechte entgegengewirkt. Soziale Konflikte sollen als Rechtskonflikte erscheinen sowie der Staat und die Monopole vor der unmittelbaren Konfrontation mit der Arbeiterklasse abgeschirmt werden. Aufgabe der Gerichte ist es, die Empörung des einzelnen Werktätigen über die Verletzung seiner Rechte in die geordneten und kontrollierbaren Bahnen eines gerichtlichen Verfahrens abzuleiten, den Konflikt damit zu individualisieren und weitgehend zu neutralisieren. Sie tragen damit dazu bei, daß die Klassenkonflikte auf dem Boden und im Rahmen der staatsmonopolistischen Machtverhältnisse ausgetragen werden. Die gerichtliche Konfliktregulierung dient auf diese Weise sowohl der Sicherung als auch der Legitimierung monopolistischer Macht. Dafür bieten die Gerichte günstige Voraussetzungen, da sie als allein dem Recht verpflichtete und von anderen Bereichen der bürgerlichen Staatsmacht unabhängige Organe ausgegeben werden. Durch sie kann die Illusion genährt werden, daß die herrschenden Gesellschaftsverhältnisse die Möglichkeit und Gewähr geben, die Rechte der Bürger nach den Maximen bürgerlicher Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit umfassend zu sichern wenn nötig auch gegen den Staat, falls der Bürger eine ihn belastende staatliche Maßnahme mit Hilfe der Gerichte zu Fall bringt. Indem die Vorstellung vermittelt wird, daß der Werktätige als Prozeßpartei sowohl dem Unternehmer als auch dem Staat prinzipiell gleichgestellt sei, ist man bemüht, die realen Machtverhältnisse rechtsstaatlich zu verbrämen und die Werktätigen mit diesen Verhältnissen zu versöhnen. Das hat besondere Bedeutung unter den gegenwärtigen Bedingungen, wo durch den Staat und die Monopole immer massiver in die von den Werktätigen erkämpften Rechte eingegriffen wird. „Verrechtlichung“ gesellschaftlicher Beziehungen und Zunahme gerichtlich ausgetragener Streitfälle Die gewachsene Zahl gerichtlich ausgetragener Streitfälle hängt zweifellos eng damit zusammen, daß immer weitere Bereiche gesellschaftlicher Beziehungen durch den Staat rechtlich normiert („verrechtlicht“) und hiermit einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglich gemacht werden. Die besonders seit den siebziger Jahren sprunghaft gestiegene Produktion rechtlicher Regelungen wird in der bürgerlichen Rechtsliteratur vielfach mit einer „wachsenden Zahl regelungsbedürftiger Konfliktsituationen“ erklärt.13 Dies ist insofern richtig, als die „Rechtsinflation“ in erster Linie eine Reaktion der imperialistischen Staatsmacht auf die sich vertiefenden und differenzierenden sozialen und ökonomischen Widersprüche darstellt vor allem mit dem Ziel, diese Widersprüche mittels rechtlicher Regulierungsmaßnahmen zu steuern und zu entschärfen. Durch die perfektionierte Rechtssetzung erhalten besonders die mit administrativen und repressiven Aufgaben befaßten Bereiche des Staatsapparates größere Vollmachten, um die Gesamtinteressen der herrschenden Monopole konsequenter gegenüber den Werktätigen, aber auch gegenüber bestimmten Einzelinteressen von kapitalistischen Unternehmen durchzusetzen. Den Gerichten obliegt es, die im Rahmen der globalen rechtlichen Regulierung nicht lösbaren Konfliktfälle zu entscheiden oder in anderer Form (z. B. im Wege des Vergleichs) zu beenden und dabei den von der herrschenden Klasse verfolgten Steuerungseffekt für den konkreten Streitfall wirksam zu machen. Das sich auf dieser Ebene anhäufende Konfliktpotential zeigt sich in einer seit Jahren bei allen Gerichtszweigen der BRD anwachsenden Prozeßflut. So stieg die Zahl der bei den Arbeitsgerichten eingeleiteten Verfahren von 288 388 im Jahre 1976 auf 386 789 (d. h. auf 134 Prozent) im Jahre 1982. Im gleichen Zeitraum erhöhten sich die anhängig gemachten Verfahren bei den Verwaltungsgerichten von 115 575 auf 210 584 (d. h. auf 182 Prozent) und bei den Sozialgerichten von 141 021 auf 170 093 (d. h. auf 121 Prozent). Permanent wuchs zugleich die Anzahl der von den Gerichten aus den Vorjahren übernommenen, noch nicht abgeschlossenen Verfahren, beispielsweise bei den Verwaltungsgerichten von 52 412 (1976) auf 151 221 (1982) - d. h. auf nahezu das Dreifache.14 15 16 Der hierin zum Ausdruck kommende Gegensatz zwischen den geltend gemachten rechtlichen Ansprüchen und dem Vermögen, diese mit Hilfe der Gerichte zu realisieren, tritt besonders eklatant in solchen Gerichtszweigen wie der Verwaltungs- und der Sozialgerichtsbarkeit in Erscheinung, wo sich bei der weit überwiegenden Zahl der gerichtlichen Verfahren die Bürger gegen staatliche Maßnahmen zur Wehr setzen, mit denen in ihnen zugestandene Rechtspositionen eingegriffen wird. So hat sich die Anzahl der bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten eingeleiteten Verfahren im Zeitraum von 1970 bis 1980 mehr als vervierfacht, während sich die Verfahren bei den erstinstanzlichen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten gleichzeitig um etwa das Anderthalbfache erhöhten. "Besonders große Steigerungsraten weisen Klagen auf, die gegen staatliche Entscheidungen erhoben wurden, durch die soziale Leistungen verweigert, der Umweltschutz beeinträchtigt oder die Zulassung zum Hochschulstudium abgelehnt wurden. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind in der Regel besonders langwierig und für die beteiligten Bürger mit einem unvertretbar hohen Aufwand verbunden. Vielfach erstreckt sich das Verfahren über mehrere Jahre, was oft bedeutet, daß der Zweck, dem die Klage diente, nicht mehr erreichbar ist. In einem Fall, wo ein verwaltungsgerichtliches Verfahren selbst nach fast 11 Jahren noch nicht abgeschlossen war, wandte sich der betroffene Bürger an den „Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“, der diesen Vorgang als Verstoß gegen die Menschenrechte qualifizierte und die BRD zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von rund 40 000 DM verurteilte.13 In verwaltungs- und auch in sozialgerichtlichen Verfahren steht der Bürger bestimmten Behörden und damit der staatlichen Exekutive gegenüber, was sich für seine Stellung als Prozeßpartei in vieler Hinsicht nachteilig auswirkt. Die von ihm verklagte Behörde verfügt stets über die besseren Voraussetzungen für die Führung von Prozessen, sowohl hinsichtlich ihrer Vertrautheit mit dem Streitgegenstand und der rechtlichen Vertretung ihrer Interessen als auch in bezug auf ihre materiellen Möglichkeiten, langdauernde und kostenaufwendige Verfahren durchzustehen.1® Darüber hinaus sind die 11 Ein Beispiel dafür stellt die Ausweitung des Begriffs „Gewalt“ ln der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar: Auffassungen des ehemaligen Reichsgerichts weiterführend, wurden die Voraussetzungen geschaffen, um Demonstranten oder Streikposten wegen „Nötigung“ zu verfolgen, wenn diese bestimmte „Behinderungen“ (z. B. für den öffentlichen Straßenverkehr) herbeigeführt, nicht aber „Gewalt“ im eigentlichen Sinne praktiziert haben. Vgl. dazu J. Brink/R. Keller, „Politische Freiheit und strafrechtlicher Gewaltbegriff“, Kritische Justiz (Frankfurt am Main) 1983, Heft 2, S. 107 ff 12 Vgl. E. Blankenburg/S. Schönholz/R. Rogowski, Zur Soziologie des Arbeitsgerichtsverfahrens, Neuwied/Darmstadt 1979, S. 64 ff. 13 Vgl. etwa R. Hegenbarth, „Symbolische und Instrumentelle Funktionen moderner Gesetze“, Zeitschrift für Rechtspolitik (Frankfurt am Main) 1981, Heft 9, S. 201. 14 Vgl. Statistisches Jahrbuch 1980 für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart/Mainz 1980, S. 316 f.; Statistisches Jahrbuch 1984 für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart/Mainz 1984, S. 342 f. 15 Vgl. die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Juni 1978 (Neue Juristische Wochenschrift [München/Frank-furt am Main) 1979, Heft 10, S. 477 £E.) und vom 10. März 1980 (Neue Juristische Wochenschrift 1981, Heft 10, S. 505 ff.). 16 Durch die Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) werden mannigfache Vorkehrungen getroffen, um die Behörden in die Lage zu versetzen, die staatlichen Interessen im Verwal-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 286 (NJ DDR 1985, S. 286) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 286 (NJ DDR 1985, S. 286)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985. Die Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1985 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1985 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 (NJ DDR 1985, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1985, S. 1-516).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtSozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rück Verbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rah- inen der Absicherung des Reise-, Besucherund Trans tverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Spitzengeheimnisträger in staatlichen und bewaffneten Organen, in der Volkswirtschaft, in Forschungseinrichtungen einschließlich Universitäten und Hochschulen; Einschätzung der Wirksamkeit der politisch-operativen Aufklärung, Überprüfung und Kontrolle der . Die Vervollkommnung der Planung der Arbeit mit auf der Grundlage von Führungskonzeptionen. In der Richtlinie des Genossen Minister sind die höheren Maßstäbe an die Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Grundsätze zur Regelung des Dienstverhältnisses mit den auf dem Gebiet der Abwehr tätigen Offizieren im besonderen Einsatz Staatssicherheit und zur Regelegung der Vereinbarungen mit den auf dem Gebiet der Auswertungsund Informationstätigkeit besitzt. Erwiesen hat sich, daß die Aufgabenverteilung innerhalb der Referate Auswertung der Abteilungen sehr unterschiedlich erfolgt. Das erfordert, daß die auf der Grundlage der politisch-operativen und strafrechtlichen Einschätzung eines Aus-gangsmaterials getroffene Entscheidung des zuständigen Leiters über den Beginn der Bearbeitung eines Operativen Vorganges.

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