Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1985, Seite 211

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 211 (NJ DDR 1985, S. 211); Neue Justiz 5/85 211 regelmäßigen Abständen dem Arbeitskollektiv über die Erfüllung der Bewährungspflichten zu berichten. Die Bewährungszeit setzte es auf zwei Jahre fest. Für den Fall der schuldhaften Verletzung von Bewährungspflichten drohte es eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten an. Ferner erkannte es gemäß § 49 StGB zusätzlich auf eine Geldstrafe von 500 M sowie gemäß § 54 StGB auf Entzug der Fahrerlaubnis für die Dauer von zwei Jahren. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Bezirksgericht durch Beschluß als offensichtlich unbegründet verworfen. Der Präsident des Obersten Gerichts hat zugunsten der Angeklagten die Kassation dieses Beschlusses beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus der Begründung: Zu Recht wird mit der Berufungsbegründung die Frage aufgeworfen, ob zwischen der alkoholischen Beeinflussung der Angeklagten und dem Unfallgeschehen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Die Urteilsausführungen sprechen dafür, daß das Kreisgericht ihn als existent ansieht. Es bezeichnet den Verstoß gegen § 7 StVO als einen schulderschwerenden Umstand, der eine Zusatzgeldstrafe erfordere. Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden. Der nach dem Befundbericht minimale Blutalkoholgehalt läßt keinen dahingehenden Schluß zu, daß er sich auf das Unfallgeschehen und seine Entstehung in irgendeiner Weise aus-gewirkt hat. Er kann demzufolge auch nicht als erschwerender Faktor den Grad der Schuld beeinflussen. Aber auch in anderer Weise läßt sich die Pflichtverletzung gemäß § 7 StVO in keinen tatbezogenen Zusammenhang mit der Schuld-schwere bringen. Sie charakterisiert keine negativen Eigenschaften der Persönlichkeit der Angeklagten, die für die Strafzumessung im vorliegenden Fall Bedeutung gewinnen. Die Unachtsamkeit, aus der heraus sich die Angeklagte nach dem Eis bückte, trägt einen spontanen Charakter. Das schließt nicht aus, daß die erkannte Zusatzgeldstrafe in diesem Fall aus anderen vom Gericht festzustellenden Umständen gerechtfertigt sein kann. Aufgabe des Rechtsmittelgerichts ist es, zu garantieren, daß alle materiellen und prozessualen Normen richtig angewandt und fehlerhafte Entscheidungen korrigiert werden. So liegt kein Erfordernis vor, die Wirksamkeit der Verurteilung auf Bewährung durch deren Ausgestaltung nach § 33 Abs. 4 Ziff. 1 und 7 StGB zu gewährleisten. Das Urteil enthält dafür auch keine Begründung. Die Straftat ist weder Ausdruck hartnäckigen disziplinlosen Verhaltens noch ein schwerwiegendes Vergehen. Die Angeklagte ist auch nicht vorbestraft oder von einem gesellschaftlichen Gericht bereits zur Verantwortung gezogen worden. Der Berechtigungsschein zur Fahrerlaubnis enthielt keine Stempeleintragungen. Das Arbeitskollektiv bescheinigt ihr eine positive Einstellung zu gesellschaftlichen Problemen und wählte sie als Vertrauensfrau. Ein Arbeitsplatzwechsel stand nicht in Aussicht. Nach alledem lagen Voraussetzungen für die Anwendung der Bewährung am Arbeitsplatz nicht vor (vgl. StGB-Kommentar, Berlin 1984, Anm. 2 zu § 34 [S. 140 f.]). Es liegen ferner keine Anhaltspunkte dafür vor, daß sich die Angeklagte den Bewährungspflichten entziehen könnte. In der Kollektivberatung sah sie ihr Fehlverhalten ein. Aus den dargelegten Gründen bestand auch kein Anlaß für eine Berichterstattung vor dem Arbeitskollektiv. In Übereinstimmung mit der vom Vertreter des Generalstaatsanwalts der DDR dargelegten Rechtsauffassung war der die Berufung verwerfende Beschluß des Bezirksgerichts aus den dargelegten Gründen aufzuheben und die Sache gemäß § 322 Abs. 3 StPO an dieses Gericht zurückzuverweisen. §§ §§ 8, 22, 222 StPO; Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß vom 16. März 1978 (GBl. I Nr. 14 S. 169). 1. Aussagen von Angeklagten und von Zeugen können erst dann in der Urteilsbegründung als unwahr zurückgewiesen werden, wenn das Gericht über die Wahrheitswidrigkeit dieser Aussagen Beweis geführt hat. 2. Bei einander widersprechenden Aussagen des Angeklagten und eines Zeugen sind zur Feststellung der Wahrheit weitere Beweismittel zu nutzen. Die Vernehmung weiterer Zeugen ist vor allem dann erforderlich, wenn durch sie die Angaben des Angeklagten oder des Zeugen insgesamt oder hinsichtlich wichtiger Einzelheiten bestätigt, ergänzt, in Zweifel gezogen oder widerlegt werden. BG Leipzig, Urteil des Präsidiums vom 18. Januar 1985 BSK 18/84. Das Kreisgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Vergehen nach § 115 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 1 500 M und zur Leistung von Schadenersatz verurteilt sowie die Bürgschaft des Arbeitskollektivs bestätigt. Dieser Entscheidung liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der 51jährige, nicht vorbestrafte Angeklagte hat seit 1980 mit deh im gleichen Hause wohnenden Familie Sch. wegen ruhestörenden Lärms Differenzen. In der Nacht vom 20. zum 21. Juli 1984 wurde der Angeklagte durch laute Musik aus der Wohnung der Familie Sch. mehrmals in seiner Nachtruhe gestört. Gegen 2 Uhr lärmten diese Familie und ihre Gäste im Treppenhaus. Als der Angeklagte davon aufwachte, rief er durch die von ihm geöffnete Tür seiner Wohnung und verschloß sie wieder. Der später geschädigte Herr Sch. stieß die Tür zur Wohnung des Angeklagten auf, betrat den Korridor und schlug viermal mit der Faust auf ihn ein. Drei Schläge konnte der Angeklagte abwehren, ein Schlag traf seinen linken Oberarm. Danach ergriff Sch. den Angeklagten mit beiden Händen am Hals. Der Angeklagte erfaßte ein im Korridor liegendes Eisenrohr und schlug es dem Angreifer gegen den Kopf. Dadurch erlitt dieser einen offenen Bruch der unteren Begrenzung der rechten Augenhöhle und mußte vom 26. Juli bis 6. August 1984 stationär behandelt werden. Er war bis zum 24. August 1984 arbeitsunfähig. Gegen die Entscheidung des Kreisgerichts wendet sich der zuungunsten des Angeklagten gestellte Kassationsantrag des Staatsanwalts des Bezirks Leipzig, der Erfolg hatte. Aus der Begründung: Das Kreisgericht ist in diesem Strafverfahren den gesetzlichen Erfordernissen zur Wahrheitsfindung und exakten Beweisführung nach §§ 8, 22, 222 StPO und den darauf beruhenden Grundsätzen der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß vom 16. März 1978 (GBl. I Nr. 14 S. 169) nicht gerecht geworden. Die Aussagen des Angeklagten und des Geschädigten waren völlig gegensätzlich: Der Angeklagte behauptet, der Geschädigte sei rechtswidrig in seine Wohnung eingedrungen, habe ihn geschlagen und gewürgt, so daß er sich mit einem Rundeisen zur Wehr gesetzt habe. Der Geschädigte gibt hingegen an, der Angeklagte sei aus seiner Wohnung in das Treppenhaus herausgetreten und habe unvermittelt mit dem eisernen Gegenstand auf ihn eingeschlagen. Trotz dieser gegensätzlichen Aussagen hat das Kreisgericht nur den Angeklagten und den Geschädigten vernommen und ist in seinem Urteil den Einlassungen des Angeklagten gefolgt. Als Begründung dafür wird im Urteil ausgeführt, der Geschädigte habe zu den Tatumständen in der Hauptverhandlung Ausführungen vorgetragen, die im Widerspruch zu seinen Einlassungen im Ermittlungsverfahren stehen, während der Angeklagte in der kreisgerichtlichen Hauptverhandlung seine Aussagen aus der Voruntersuchung bestätigt habe. Diese Beweisführung ist fehlerhaft, weil weder die Aussagen des Angeklagten noch die des Geschädigten aus dem Ermittlungsverfahren Gegenstand der Beweisaufnahme des Kreisgerichts in Form von Vorhalten oder Verlesungen gewesen sind. Das aber fordert in solchen Fällen die genannte Beweisrichtlinie des Plenums des Obersten Gerichts (Abschn. III Ziff. 1 Buchst, e). Diese Beweisführung ist aber aus anderen Gründen mangelhaft. Es ist unzulässig, Verteidigungsvorbringen des Angeklagten als sog. Schutzbehauptung zurückzuweisen, ohne den Beweis zu führen, daß sein Vorbringen unwahr ist. Außerdem dürfen auch die Aussagen des als Zeugen vernommenen Geschädigten nicht als unwahr abgetan werden, wenn die Wahrheitswidrigkeit dieser Aussage nicht bewiesen ist (Abschn. I Ziff. 2 der Beweisrichtlinie).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 211 (NJ DDR 1985, S. 211) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 211 (NJ DDR 1985, S. 211)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985. Die Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1985 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1985 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 (NJ DDR 1985, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1985, S. 1-516).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit stellt in jedem Palle eine Situation dar, die den zur Orientierung und Entscheidung zwingt und es hat sich gezeigt, daß in der Regel die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die Einleitung desselben vorliegen und ein solches angestrebt wird. Ausgehend von der Orientierung des Leiters der Hauptabteilung ist es bei politischoperativem Erfordernis möglich, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in der Volkswirtschaft; alle Straftaten aufzudecken und aufzuklären; die gesetzlichen Möglichkeiten, für eine differenzierte Anwendung der Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens ausgerichtet und an den konkreten Haupttätigkeiten und Realisierungsbedingungen der Arbeit des Untersuchungsführers orientiert sein.

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