Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1985, Seite 171

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 171 (NJ DDR 1985, S. 171); Neue Justiz 5/85 171 Antifaschistisch-demokratischer Staat als Koalition der Vernunft Zum 40. Jahrestag des KPD-Aufrufs vom 11. Juni 1945 Prof. Dr. KARL-HEINZ SCHÖNEBURG, Institut für Theorie des Staates und des Rechts der Akademie der Wissenschaften der DDR Mit ihrem Aufruf vom 11. Juni 1945 hat die KPD ihre Konzeption zum antifaschistisch-demokratischen Neuaufbau verkündet, die zur programmatischen Basis des gemeinsamen Handelns aller antifaschistisch-demokratischen Kräfte in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands wurde und in deren Verwirklichung dann am 7. Oktober 1949 der erste deutsche Friedensstaat, die DDR, gegründet wurde. So erwies sich dieser Aufruf als ein Dokument von historischem Rang. Es beansprucht zu Recht immer wieder unsere Aufmerksamkeit als Juristen, denn es ist Ausdruck einer Staats- und Rechtsauffassung, deren historische Wertigkeit sich in ihrer Entstehungsgeschichte wie in ihrer Wirkungsgeschichte erschließt. Die Dynamik des Staats- und Rechtsdenkens der KPD Die Qualität des Staatsdenkens einer Arbeiterpartei zeigt sich in deren Fähigkeit, sich die weltanschaulich-theoretischen Erkenntnisse der Arbeiterklasse über Staat und Recht anzueignen, in eigenes politisch-praktisches Handeln entsprechend den jeweils konkreten historischen Bedingungen umzusetzen und die so gewonnenen geschichtlichen Erfahrungen ständig zu bilanzieren und zur Fortentwicklung der Staatsauffassungen zu nutzen. Dies bewirkt die Dynamik des Staatsdenkens einer Arbeiterpartei. Die Staatsauffassungen der KPD sind seit deren Gründungsparteitag (30. Dezember 1918 bis 1. Januar 1919) von derartiger Dynamik beherrscht. In der Tradition dieses Staatsdenkens steht der Aufruf vom 11. Juni 1945 mit seiner zentralen Forderung, in Deutschland nach dem faktischen und völkerrechtlichen Untergang des Deutschen Reiches eine „parlamentarisch-demokratische Republik mit allen Rechten und Freiheiten für das Volk“ zu errichten, die „kein Zurück“ zur imperialistischen, bürgerlich-parlamentarisch geformten Weimarer Republik sein durfte, aber auch keine Diktatur des Proletariats in Form einer deutschen Sowjetmacht.1 Diese „parlamentarisch-demokratische Republik“, dieses „antifaschistisch-demokratische Regime“ waren die den damaligen Verhältnissen in Deutschland angemessenen staatlichen Formen, um eine spätere sozialistische Staatsmacht vorzubereiten, an sie heranzukommen, den Übergang zu ihr als demokratische Entscheidung der antifaschistischen und antiimperialistischen Kräfte des Volkes zu gestalten. Die Erarbeitung einer so konzipierten antifaschistischen Alternative zur Hitlerdiktatur in der Staatsfrage war ein schöpferischer Prozeß staats- und revolutionstheoretischen Weiterdenkens in der Kommunistischen Internationale und in der KPD nach der Errichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland und Italien. Sie wurde von der Kommunistischen Internationale und von der KPD im Jahre 1935 kompakt angegangen. Sie vollzog sich weder konfliktlos noch lediglich auf einer Konferenz. Denn es mußten die neuen objektiven und subjektiven Kampfbedingungen, nachdem die Faschisten an der Macht waren, sorgfältig verarbeitet werden. Ar Die Bündnisnotwendigkeit und die Bündnisfähigkeit der Arbeiterklasse standen jetzt in neuen Dimensionen, bis hin zu Teilen der nichtmonopolistischen Bourgeoisie. Um sie staatlich auszuformen, bedurfte es des Konzepts für eine Staatsmacht, in der alle Vernünftigen und das hieß damals: alle Antifaschisten und Nichtfaschisten miteinander koalieren, sich an der staatlichen Machtausübung beteiligen konnten. Es mußte eine Staatsorganisation gefunden werden, in der die Arbeiterklasse zwar mit allen antiimperialistischen Klassen, Schichten und Gruppen die Macht teilte, zugleich jedoch ihren historisch-gesetzmäßigen Führungsanspruch, ihre Hegemonie, nicht aufgab, sondern unter diesen neuen Bedingungen in neuen Formen realisierte.2 Dies alles bedeutete für die Kommunistische Internationale wie für die KPD, die eigene bis dahin vertretene Programmatik zur sofortigen Errichtung einer deutschen Sowjetmacht zu korrigieren und neue Wege zur Diktatur des Proletariats in Abgrenzung von jeder Art von „drittem Weg“ zu finden. Um dies zu erreichen, mußten die staatstheoretischen Erkenntnisse von Marx und Engels aus den Jahren 1848/49, 1852 und 1871 aufgearbeitet, mußte die Leninsche Strategie des Herankommens an die Diktatur des Proletariats über eine revolutionär-demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern, wie er sie 1905 entwickelt und 1917 fortgebildet hatte, rezipiert werden. Es bedurfte der Einsicht in die von Marx, Engels und Lenin begründete Dialektik zwischen Theorie des revolutionär-demokratischen Staates und Rechts und Theorie der Diktatur des Proletariats. Denn Marx, Engels und Lenin hatten mit Erfolg daran gearbeitet, entsprechend der welthistorischen Aufgabe des Proletariats die unterschiedlichen revolutionären Aktivitäten Und Formen in einer komplexen Strategie des revolutionären Übergangs zur sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsformation zu vereinigen. Die Notwendigkeit, unter bestimmten historischen Bedingungen revolutionär-demokratische Staaten zu errichten, war unterschiedlich begründet: als Vorbedingung, als Durchgangsstufe, als Keimform der Diktatur des Proletariats. Indem diese Denkweise von der Kommunistischen Internationale wie von der KPD fortgeführt wurde, war zugleich ein neuer, wichtiger Strang des vormarxistischen Erbes in der Staatstheorie zu verarbeiten, z. B. die revolutionär-demokratischen Auffassungen Rousseaus, der französischen und deutschen Jakobiner, die Auffassungen des sich herausbildenden Proletariats (Babeuf, Weitling) über revolutionäre Macht und revolutionäres Recht. Kommunistische Internationale und KPD haben sich ab 1935 diesen Aufgaben mit Erfolg gestellt. Dabei ist interessant, daß die KPD schon in der Zeit der Nazidiktatur entsprechend den sich verändernden Bedingungen des nationalen und internationalen Klassenkampfes die einmal gefundenen Konzeptionen in der Staatsfrage ständig überprüft und weitergeführt hat. Die unterschiedlichen Termini, mit denen die KPD die von ihr angestrebte revolutionär-demokratische Macht 1936 (Demokratische Republik neuen Typs), 1939 (Deutsche Volksrepublik) und 1944 (kämpferische Demokratie) jeweils charakterisierte, standen durchaus für Differenzierungen in Inhalt und Form der als antifaschistische Alternative zur Hitlerdiktatur zu bildenden revolutionären Volksmacht.3 In diesem Zusammenhang ist für das Verständnis des programmatischen Aufrufs vom 11. Juni 1945 wichtig, daß die KPD es noch bis Herbst 1944 für möglich hielt, den nazifaschistischen Staat durch eigene Widerstandsaktionen des deutschen Volkes zu stürzen. Daher war die im „Aktionsprogramm des Blocks der kämpferischen Demokratie“ vom 22. Oktober 1944 konzipierte revolutionär-demokratische Volksmacht noch dadurch charakterisiert, daß ähnlich wie in den russischen Revolutionen von 1905 und vom Februar 1917 Widerstandsorganisationen der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten im antifaschistischen Kampf in eine neue Organisation der staatlichen Macht hineinwachsen sollten.4 Als jedoch im Spätherbst 1944 endgültig feststand, daß nicht die antifaschistischen Kräfte in Deutschland selbst, sondern primär die Rote Armee sowie die Streitkräfte der An-ti-Hitler-Koalition die faschistische Herrschaft beenden wür- 1 Vgl.: Geschichte des Staates und des Rechts der DDR, Dokumente 1945-1949, Berlin 1984, S. 47 f. 2 Vgl. dazu: Autorenkollektiv unter Leitung von K.-H. SChöneburg, Errichtung des Arbeiter-und-Bauern-Staates der DDR 1945 1949, Berlin 1983 S 286. 3 Dazu liegt’jetzt eine noch nicht veröffentlichte Arbeit von Erich Fischer vor, auf die ich midi stütze. 4 Vgl.: Geschichte des Staates und des Rechts der DDR, a. a. O S. 39 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 171 (NJ DDR 1985, S. 171) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 171 (NJ DDR 1985, S. 171)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985. Die Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1985 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1985 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 (NJ DDR 1985, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1985, S. 1-516).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind gegen die von feindlichen Kräften ausgehenden Staatsverbrechen. Das erfordert in der Arbeit Staatssicherheit , ntch stärker vom Primat der Vor-beugung im Kampf gegen die subversiven Angriffe des Feindes und zur Durchsetzung der Politik der Partei im Kampf zur Erhaltung des Friedens und zur weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft ausgeht. Dabei gilt es zu beachten, daß selbst- Insbesondere Artikel der Verfassung der Deutschen Demokratische Republik., des Gesetzes über den Ministerrat, des Gesetzes über die Bildung des Ministeriums für Staatssicherhe., des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der DDR. Mit der ausdrücklichen Fixierung von Aufträgen des Staatsanwalts sowie eigenen Feststellungen der Untersuchungsorgane als jeweils eigenständige Anlässe zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Verdachtshinweise Liegen Hinweise auf den Verdacht einer Straftat vor, haben der Staatsanwalt und das Untersuchungsorgan zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Hinweise auf den Verdacht einer Straftat begründen und es keine Hinweise auf das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung gibt. Das ist in der Regel bei vorläufigen Festnahmen auf frischer Tat usv sowie unter zielstrebiger Ausnutzung politisch-operativer Überprüfungsmöglichkeiten sind wahre Untersuchungsergebnisse zu erarbeiten und im Ermittlungsverfahren in strafprozessual vorgeschriebener Form auszuweisen.

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