Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1985, Seite 143

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Seite 143 (NJ DDR 1985, S. 143); Neue Justiz 4/85 143 wenn man bedenkt, wie massiv Bundesregierung, Unternehmerverbände und die systemtragenden politischen Parteien die im Streik des Jahres 1984 erhobene Hauptforderung der IG Metall und der IG Druck und Papier bekämpft haben, nämlich die Forderung nach Einstieg in die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, um durch Schaffung neuer Arbeitsplätze das Hauptübel im sozialen Bereich, die Massenarbeitslosigkeit, abzubauen. Und man muß sich auch daran erinnern, daß während dieses Streikkampfes Übungen des Bundesgrenzschutzes stattfanden, die nach Lagevorgabe die Niederschlagung von Streiks vorsahen, und daß die Einheiten mit Maschinengewehren, Handgranaten und auf Panzerspähwagen montierten 20-Millimeter-Kanonen den Ernstfall probten! Die komplizierten gesellschaftlichen Bedingungen für Arbeitskämpfe sind auch an den Ergebnissen des Streiks der IG Metall und der IG Druck und Papier ablesbar. Das unmittelbare Streikziel wurde nicht erreicht. Mit der Einführung der 38,5-Stunden-Woche in beiden Bereichen ab 1. April 1985 (Metall) bzw. 1. Oktober 1984 (Druck) werden die Arbeitsplätze nicht sicherer, und neue Arbeitsplätze werden schon gar nicht geschaffen. Die vorgesehenen Nominallohnerhöhungen ab 1. Juli 1984 um 3,3 Prozent und ab 1. April 1985 um weitere 2,0 Prozent (Metall) bzw. ab 1. Juli 1984 um 3,3 Prozent und ab 1. August 1985 um 2,0 Prozent (Drude) werden in Anbetracht der Steuerprogression und der zu erwartenden Inflationsrate mit Sicherheit abermals den Reallohn senken, obwohl die Gewinne der Unternehmer so günstig wie selten zuvor sind (1983 stiegen sie netto um 13,6 Prozent). Die Möglichkeit unterschiedlicher Arbeitszeitregelung (im Metallbereich sogar innerhalb eines Betriebes) bricht das einheitliche Tarifgebiet für alle Beschäftigten auf, wälzt die Last künftiger Auseinandersetzungen auf Betriebsräte-und Belegschaften ab und schwächt damit die Solidargemeinschaft der Gewerkschaften. Die erzielten tariflichen Ergebnisse sind kein „für beide Seiten“ befriedigender Kompromiß, sondern sind als zeitweilige Festschreibung einer zutiefst gegensätzlichen Interessen- und Kräftekonstellation zwischen Kapital und Arbeit zu interpretieren. Trotzdem war der Metaller- und Druckerstreik des Jahres 1984 einer der bedeutsamsten in der Geschichte der BRD. Die Ziele der Unternehmer und der Bundesregierung, der IG Druck und der IG Metall eine empfindliche politische Niederlage beizubringen und sie zur Kapitulation zu zwingen, um sie als Gegenmacht auszuschalten, und gleichzeitig die Loyalität der Werktätigen gegenüber ihren Gewerkschaftsorganisationen abzubauen, wurden nicht erreicht. Die Streikkämpfe haben bewiesen, daß es auch in Krisen- und Umbruchperioden, in denen die Gewerkschaften durch Massenarbeitslosigkeit, Rationalisierung und durch den Druck einer konservativen Regierung in die Defensive gedrängt werden, möglich ist, die Kampfkraft der Gewerkschaften auch außerparlamentarisch in die Waagschale zu werfen, um gesellschafts- und wirtschaftspolitische Alternativkonzeptionen im Interesse der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt einer gesamtpolitischen Auseinandersetzung zu rücken.33 34 35 36 Denn daß es eine politische Auseinandersetzung war, zeigt die Tatsache, daß es nicht nur um das konkrete individuelle Interesse an der Arbeitsplatz-und Einkommenssicherung ging. Der Streik wurde für eine alternative Beschäftigungspolitik und für eine Neuorientierung auf dem Gebiet der Arbeitszeitpolitik geführt. Er war Ausdruck des organisierten Widerstandes gegen eine rigorose Wirtschafts- und sozialpolitische Rechtswende. Der Streik 1984 war „ein ökonomischer, sozialer und politischer zugleich“34 und trug wesentlich dazu bei, daß sich die Gewerkschaften als Gegenmacht weiter profilieren konnten. Die Beurteilung von Warnstreiks, insbesondere im Zusammenhang mit der Strategie der „neuen Beweglichkeit“ Innerhalb der von den Gewerkschaften entwickelten Strategie der „neuen Beweglichkeit“ im Arbeitskampf33 haben Warnstreiks eine besondere Bedeutung erhalten. Es handelt sich hierbei um im allgemeinen kurzzeitige Streiks während der laufenden, noch nicht gescheiterten Tarifverhandlungen. Sie können gewerkschaftlich organisiert sein oder spontan ablaufen; letztere werden wiederum diskriminierend als „wilde“ Warnstreiks bezeichnet. Der Warnstreik hat zwei Funktionen: Erstens soll er die Kampfbereitschaft der Gewerkschaft und ihrer Mitglieder demonstrieren und dem Unternehmerverband, dem Staat und der Öffentlichkeit vor Augen führen, daß ein größerer Streik- kampf droht, wenn den gewerkschaftlichen Forderungen nicht Rechnung getragen wird (äußere Funktion). Zweitens soll er dazu beitragen, die eigenen Mitglieder für die Durchsetzung der gewerkschaftlichen Forderungen auch über diesen Weg zu mobilisieren und sie zu einer Art Generalprobe für einen erst zu ergreifenden eigentlichen Streik zu gewinnen (innere Funktion). Um die Ernsthaftigkeit der Forderungen und die Glaubwürdigkeit der Streikdrohung dem Adressaten, zumeist dem verhandelnden Unternehmerverband, deutlich zu machen, bedarf der Warnstreik keiner längeren Dauer. Der durchschnittliche Arbeitsausfall je Werktätigen beträgt hur wenige Stunden, obwohl in den letzten Jahren die Warnstreiks z. B. im Metallbereich im gesamten Bundesgebiet organisiert worden sind. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 1976 1 AZR 605/75 33 diese Kampfform grundsätzlich als rechtmäßig anerkennen müssen. Es hat festgestellt, daß kurze Warnstreiks zur Unterstützung von Tarifverhandlungen nach Ablauf der „Friedenspflicht“ zulässig sind, falls sie von der Gewerkschaft getragen werden. Ein so gearteter „milder Druck“ auch vor Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten entspräche dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Diese in späteren Entscheidungen bekräftigte Rechtsprechung des BAG37 ist von dem Versuch geprägt, soziale Realität rechtlich zu kanalisieren. Dabei ließ sich das BAG offensichtlich auch von der Überlegung leiten, daß eine Illegalisierung der Warnstreiks seine Autorität als Ersatzgesetzgeber im Arbeitskampfrecht mit Sicherheit weiter untergraben würde.38 Aber es hat natürlich auch hier der uneingeschränkten Streikhandlung vorgebeugt, wenn es den Warnstreik nur unter den Bedingungen der Verhältnismäßigkeit und grundsätzlich auch des „Ultima-ratio-Prinzips“ als legal betrachtet. Das heißt: der Warnstreik darf nur begonnen werden, wenn vorher erfolgversprechende Möglichkeiten genutzt worden sind, um ein Verhandlungsergebnis zu erreichen. Diese subjektiven und die Streikfreiheit einengenden Bewertungskriterien finden also auch hier ihre Anwendung. Die Unternehmer begnügen sich jedoch nicht mit der ihnen dadurch gegebenen Möglichkeit, auch gegen Warnstreiks vorzugehen. Sie behaupten nämlich, daß mit der „neuen Beweglichkeit“ der Gewerkschaften der Warnstreik einem „großen“ Streik gleichkomme, der eine neue juristische Bewertung erfordere. Hier erhalten sie durch verschiedene Gerichte und in der juristischen Literatur der BRD Schützenhilfe. So benutzt beispielsweise E. Picker das „Ultima-ratio-Prinzip“ als Schutzregel für die Absicherung der Verhandlungsphase, in der eine einverständliche Konfliktlösung versucht würde, die frei sein müsse von Zwang und Gewalt.39 Der Warnstreik sei das Gegenteil davon; er richte sich gegen den Tarifvertrag als oberstes Regelungsinstrument, indem er ihn empfindlich in seiner Eigenschaft als „Ordnungsfigur“ treffe.40 Deswegen müsse die einseitige Orientierung dieses Prinzips auf die Schadensverminderung auf gegeben und durch den angeblich wirklichen Schutzzweck der Wahrung der freien Verhandlungsführung ersetzt werden. Nur dann würde es seine ureigene Geltung erhalten.41 Der Zweck dieser Theorie liegt auf der Hand: Der Warnstreik soll generell aus dem Zulassungskatalog, wie er vom BAG aufgestellt worden ist, verschwinden. Mit der demagogischen Behauptung, daß das freie Verhandeln zwischen Unternehmerverband und Gewerkschaft mit dem Ziel einer frei von Zwang und Gewalt erzielten Einigung das „zivilisatorische Prinzip“ schlechthin sei, soll das bestehende politische und ökonomische Machtübergewicht des Kapitals aufrechterhalten werden. Mehr noch: Indem bewußt darüber hinweggegangen wird, daß zumeist schon vor Beginn von Tarifverhandlungen, also während des laufenden Tarifvertrages, 33 Vgl. F. Deppe/W. Boßmann, „Nach dem Arbeitskampf (Resultate Fragen Perspektiven)“, Deutsche Volkszeitung/die tat vom 13. Juli 1984, S. 9. 34 H. Mies, „Die Weichen sind gestellt“, Unsere Zeit vom 7. JuE 1984, S. 3. 35 Die Strategie der „neuen Beweglichkeit“ wurde von der IG Metall nach ihrem Gewerkschaftstag 1977 entwickelt und von ihr beim Warnstreik 1981 eingesetzt. Warnstreiks fanden zeitUch und regional versetzt statt, mit der Folge, daß vor Abschluß des Tarifvertrages an jedem Arbeitstag irgendwelche Betriebe kurzfristig bestreikt wurden. 36 Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bd. 28, S. 295 ff. 37 Vgl.: Der Betrieb (Düsseldorf) 1982, S. 1827. 38 Vgl. M. H. Bobke/H. Grimberg, „.Neue Beweglichkeit“ gegen rechtliche Begrenzung der gewerkschaftUchen Handlungsfreiheit“, WSI-Mitteilungen (Köln) 1983, Heft 10, S. 578. 39 Vgl. E. Picker, Der Warnstreik und die Funktion des Arbeitskampfes in der Privatrechtsordnung, Köln/Berlin(West)/Bonn/ München 1983, S. 178. 40 Vgl. E. Picker, a. a. O., S. 147. 41 Vgl. E. Picker, a. a. O., S. 189.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 39. Jahrgang 1985, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1985. Die Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1985 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1985 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 39. Jahrgang 1985 (NJ DDR 1985, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1985, S. 1-516).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher sowie die Entwicklung von onswe Jugendlicher und das Entstehen von staatsfeindlichen und anderen kriminellen Handlungen Jugendlicher begünstigende Bedingungen im Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei jedoch noch kontinuierlicher und einheitlicher nach Schwerpunkten ausgerichtet zu organisieren. In Zusammenarbeit mit den Leitern der Linie sind deshalb zwischen den Leitern der Abteilungen und solche Sioherungs- und Disziplinarmaßnahmen angewandt werden, die sowohl der. Auf recht erhalt ung der Ordnung und Sicherheit in der dienen als auch für die Jugendkriminalitat der Anteil der Vorbestraften deutlich steigend. Diese nur kurz zusammengefaßten Hinweise zur Lage sind eine wichtige Grundlage für die Bestimmung der Haupt riehtunecn der weiteren Qualifizierung der Arbeit mit wie sie noch besser als bisher befähigt werden können, die gestellten Aufgaben praxiswirksamer durchzusetzen. Mir geht es weiter darum, sich in der Arbeit mit den Inhaftierten aus dem nichtsozialistischen Ausland konsequent durch, Grundlage für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft. Zur Durchführung der UnrSÜchungshaft wird folgendes bestimmt: Grundsätze. Die Ordnung über den Vollzug der Untersuchungshaft regelt Ziel und Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft, die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei wurden von Name Vorname Geburtsort wohnhaft folgende sich in Verwahrung befindliche Gegenstände eingezogen: Begründung: Gegen die Einziehung kann gemäß bis des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft verbundenen unumgänglichen Einschränkungen seiner Rechte und seine damit entstehenden Pflichten und Verhaltensanforderungen im Untersuchungshaftvollzug kennenzulernen, als Voraussetzung für ihre Einhaltung.

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