Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1984, Seite 53

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 53 (NJ DDR 1984, S. 53); Neue Justiz 2/84 53 Nazi-Richtern und Nazi-Staatsanwälten zumindest nach Vorlage der von ihnen einst bearbeiteten Akten selbst Einzelheiten der Verfahren noch gegenwärtig sind. Mit Hartnäckigkeit wehren sie sich verschiedentlich sogar gegen bestimmte Bekundungen von Zeugen, die angesichts des schwerwiegenden Anklagevorwurfs eher von untergeordneter Bedeutung sind. So räumte vor Jahren ein Nazi-Sonderrichter in dem gegen ihn angestrengten Strafverfahren vor dem Bezirksgericht Schwerin zwar seine Mitwirkung an zahlreichen Terrorurteilen ein, wandte sich jedoch nachdrücklich gegen das Vorbringen einer Zeugin, ihr seien damals die Effekten des verurteilten Ehemannes vorenthalten worden. Freilich erschöpft sich das Erinnerungsvermögen bei den meisten Nazi-Juristen in der Schilderung eigenen Wohlverhaltens. Die Darstellung ihrer Tatmotive beschränkt sich dagegen auf die Anteilnahme heischende Schilderung ihres Lebens- und Berufsweges. Dabei ist eine bei nahezu allen wegen Naziverbrechen Angeklagten anzutreffende Haltung unter den Juristen besonders ausgeprägt: Mitleid empfinden sie entweder nur für sich oder jedenfalls viel mehr für die eigene Person als für ihre einstigen Opfer. Das ist bis zu einem gewissen Grade psychologisch sogar erklärbar: Der Nazi-Jurist besinnt sich wohl spätestens in jener Stunde, in der er selbst vor seinem Richter steht, auf jene Wertvorstellungen, die ihn einst bei der Berufswahl geprägt hatten. Schließlich war sogar Roland Freister, Präsident des Volksgerichtshofes vom 20. August 1942 bis 3. Februar 1945, in jungen Jahren Referendar in einer angesehenen Kasseler Anwaltskanzlei gewesen, und die meisten Nazi-Richter und Nazi-Staatsanwälte sind in Gymnasien und Universitäten der Weimarer Republik erzogen und ausgebildet worden. So ausgiebig sie sich gerade darauf heute berufen, so wenig können sie allerdings dartun, warum sie sich bald danach entweder freiwillig zum Dienst im justitiellen Unterdrük-kungsapparat des Nazi-Staates meldeten oder in diesen einreihen ließen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, davon entbunden zu werden. In diesem Zusammenhang erscheint bemerkenswert: Weder in der Deutschen Demokratischen Republik noch in den wenigen bislang in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) anhängig gewesenen derartigen Strafverfahren hat auch nur ein einziger Nazi-Jurist behauptet, er habe an justitiellen Unrechtsakten mitgewirkt, weil er um das eigene Leben fürchtete. Tatsächlich war seinerzeit wegen einer Weigerung, an derartigen Akten mitzuwirken, nicht mehr zu gewärtigen gewesen als etwa die Versetzung, die Zurückstellung bei der Beförderung, vielleicht die vorzeitige Pensionierung oder allenfalls die Einberufung zur Wehrmacht Die wiederholt vorgetragene These, Ermittlungen gegen Nazi-Juristen würden durch deren Berufung auf die Anonymität der richterlichen Entscheidungsfindung behindert, wird durch die Praxis nicht bestätigt Es handelt sich dabei wohl eher um einen Vorwand jener, die in den zurückliegenden Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) solche Ermittlungen verhindert haben. Bei der Mehrzahl der heute in Betracht kommenden Beschuldigten handelt es sich ohnehin um Staatsanwälte, wie auch die gegenwärtigen Ermittlungen in Berlin (West) bestätigen. Das ist auf die traditionell unterschiedliche Altersstruktur zwischen Richtern und Staatsanwälten in der bürgerlichen deutschen Justiz zurückzuführen. Dem Ankläger ist jedoch die Berufung auf das Beratungsgeheimnis versagt. Auch der Einwand, der Staatsanwalt sei ja weisungsgebunden, geht meist schon deshalb fehl, weil sich z. B. aus vielen Hand- oder Aufsichtsakten der Sondergerichtsverfahren ergibt, wie die Anklagevertreter Höchststrafen anregten und sich entsprechende Strafanträge bestätigen ließen. Im übrigen haben sich in der Vergangenheit selbst die Nazi-Richter kaum auf das in der Nazizeit ohnehin ausgehöhlte Beratungsgeheimnis berufen, wie beispielsweise der Fall des Richters am Volksgerichtshof Rehse zeigte6 7 Angesichts der Vielzahl der unter ihrer Mitwirkung gefällten Ter-rorurteile erschien ihnen das wohl nicht angezeigt. Oft lassen ja schon die Diktion und die ein Menschenleben zum wertlosen Gut degradierende Kürze der Nazi-Urteile erkennen, wie die Richter förmlich beseelt waren, ihre Opfer auf das Schafott zu bringen. Die knappe Begründung gerade einer harten Strafe ist das Indiz eines einmütigen Gerichts. Letztlich darf auch nicht übersehen werden: Oft stehen für die Ermittlungen gegen Nazi-Juristen Gnaden- und Vollstreckungsunterlagen der Nazi-Justiz zur Verfügung. Der Richter, der sich für die Vollstreckung eines Todesurteils verwendete, wird kaum behaupten können, er habe zuvor gegen diese Entscheidung gestimmt. Zusammenfassend kann festgestellt werden: Strafprozesse gegen Richter und Staatsanwälte der Hitlerschen Ausnahmejustiz sind auch heute noch möglich, wenn sie auf gewissenhaften und zugleich zügigen Ermittlungen basieren. Nach den Erfahrungen der Deutschen Demokratischen Republik sind sie besonders effektiv zu gestalten, wenn ihre Vorbereitung in internationaler Zusammenarbeit erfolgt. Die Staatsanwaltschaft der DDR hat in derartigen Verfahren alle jene Staaten um Rechtshilfe ersucht, von denen angenommen werden konnte, daß sie im Besitz von Prozeß-, Hand-, Gnaden-, Aufsichts- oder Personalakten der Nazi-Justiz sind. Deren Kenntnis erwies sich als besonders bedeutungsvoll: Je lückenloser der Ablauf der faschistischen Terrorprozesse rekonstruiert werden- konnte, um so überzeugender war die Beweisführung. Soweit über einzelne Nazi-Verfahren nur bruchstückhafte Erkenntnisse zur Verfügung standen, ermöglichte das den, Angeklagten in alter Regel vielfältige Einreden. Zur Aufhellung des Entwicklungsweges der Nazi-Juristen haben verschiedentlich auch Personalunterlagen der Nazipartei oder ihrer Gliederungen beitragen können. Die sorgsame Vorbereitung und Durchführung der Strafverfahren zur Ahndung von faschistischen Justizverbrechen bedingt aber nicht nur eine gewissenhafte Beweissicherung. Sie verlangt vielmehr in erster Linie eine dem Unrechtsgehalt dieser Kriminalität entsprechende juristische Qualifizerung. Nur wer sich bewußt ist, daß in der Nazi-Ausnahmegerichtsbarkeit wie es im Nürnberger Juristenurteil heißt „der Dolch des Mörders unter der Robe des Juristen verborgen war“/, wird eine dem individuellen Tatanteil der Beschuldigten entsprechende gerechte Charakterisierung der faschistischen Justizver brechen gewährleisten. Es gehört zu den traurigsten Kapiteln in der Tätigkeit der Justiz der BRD, daß sie gerade zugunsten der Nazi-Juristen von den Nürnberger Prinzipien äbwich. Diese Abkehr vom Völkerrecht kam wohl erstmals in dem von den ehemaligen Reichsanwälten Hörchner und Martin formulierten Revisionsurteil des Bundesgerichtshofes vom 20. Dezember 1951 gegen den SS-Oberscharführer im KZ Buchenwald Otto Hoppe zum Ausdruck. In bezug auf Nazi-Juristen nahm diese Entwicklung ihren Ausgangspunkt, als der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in seinem Urteil vom 7. Dezember 1956 in einem Verfahren gegen Angehörige eines Standgerichts und den SS-General, der dessen Urteil hatte vollstrecken lassen das sog. Richterpriviteg8 entwickelte und im Urteil gegen Rehse vom 30. April 1968 fortsetzte. Danach durften im ausdrücklich bekräftigten krassen Gegensatz zum eventuell völlig rechtsunkundigen Denunzianten Nazi-Richter und Nazi-Staatsanwälte nur dann wegen im Amt verübter Straftaten verfolgt werden, wenn sie den direkten Vorsatz der Rechtsbeugung gemäß § 336 StGB hatten. Nach dieser Konstruktion hätte wohl selbst Freister freigesprcxhen werden müssen. Demgegenüber wurden und werden in der DDR die Nürnberger Prinzipien strikt verwirklicht. Die Justiz der DDR versteht die Ahndung faschistischer Justizverbrechen nicht bloß als eine Verpflichtung aus dem Völkerrecht und gegenüber jenen Opfern der Nazidiktatur, die wegen ihres völkerrechtlich gebotenen Widerstandes oder humanistischen Verhaltens ihr Leben lassen mußten. Sie betrachtet die Verfolgung und Bestrafung von Nazi-Justizverbrechen zugleich auch als einen wirkungsvollen Beitrag, um einer Wiederholung derartiger Verbrechen von Anfang an zu wehren. 6 Vgl. dazu F. K. Kaul, „Der Fall Rehse“, NJ 1969, Heft 5, S. 148 H., und Heft 6, S. 179 f. 7 Fall 3: Das Urteil im Juristenprozeß, a. a. O., S. 137. 8 Vgl. dazu F. K. Kaul, „Das Privileg für Nazi-Richter ln der BRD lm Wanken?“, NJ 1979, Heft 12, S. 546 f.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 53 (NJ DDR 1984, S. 53) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Seite 53 (NJ DDR 1984, S. 53)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 38. Jahrgang 1984, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984. Die Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1984 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1984 auf Seite 512. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 38. Jahrgang 1984 (NJ DDR 1984, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1984, S. 1-512).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der . Die Vervollkommnung der Planung der Arbeit mit auf der Grundlage von Führungskonzeptionen. In der Richtlinie des Genossen Minister sind die höheren Maßstäbe an die Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung vorbeugende Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung politischer Ooiergrundtäiigkeii Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung Über den Vollzug der Untersuchungshaft und die SeMto lelatung der Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Organisierung, Durchführung und des Besucherverkehrs in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Besucherordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung im Dienstobjekt, In Spannungssituationen und zu besonderen Anlässen, die erhöhte Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen, hat der Objektkommandant notwendige Maßnahmen einzuleiten und durchzusetzen. Die Leiter der Diensteinheiten sind verantwortlich dafür, daß die durch die genannten Organe und Einrichtungen zu lösenden Aufgaben konkret herausgearbeitet und mit dem Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden, insbesondere durch operative Kontroll- und Voroeugungsmabnahmen, einen Übergang von feindlichnegativen Einstellungen zu feindlieh-negativen Handlungen frühzeitig zu verhindern, bevor Schäden und Gefahren für die sozialistische Gesellschaft für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder bedeutenden Sachwerten. Diese skizzierten Bedingungen der Beweisführung im operativen Stadium machen deutlich, daß die Anforderungen an die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung sowie ein konkretes, termingebundenes und kontrollfähiges Programm der weiteren notwendigen Erziehungsarbeit mit den herauszuarbeiten.

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